Sommer 2016 – Mit dem Wohnmobil in Südschweden

Der nicht lehrbeauftragte Teil der Gesellschaft blickt im allgemeinen neidisch auf diejenigen, die alljährlich viele Wochen Ferien machen dürfen, auf die Lehrer also, die es in Bayern auf 13 Wochen bringen . Dabei werden die qualvollen Urlaubsentscheidungen einer Untergruppe der Lehrbeauftragten ignoriert, die mit Hund und Wohnmobil auf Reisen geht. Zwei Wochen an Ostern sind zu kurz, um eine größere Fahrt anzutreten, zwei Wochen an Pfingsten ebenfalls, wobei erschwerend zu berücksichtigen ist, dass es im Süden für den Hund schon unangenehm warm sein kann. Im Sommer ist genug Zeit für eine große Fahrt, wobei der prächtige Süden ebenfalls nicht auf dem Programm steht. Zudem müssen noch die Nachteile der Hauptreisezeit einkalkuliert werden: Kosten und Überfüllung. Es folgt eine Woche Herbstferien, die nur für einen Kurztrip lohnt und den Jahresabschluss bilden zwei Wochen Weihnachtsferien, in denen sich der Süden anbietet (falls man nicht in den Bergen hängen bleibt), aber für eine längere Ausfahrt auch nicht taugen, zumal meist noch Feiertagsverpflichtungen anstehen.

 

Demnach konzentrieren sich alle unsere ambitionierten Urlaubsplanungen auf den Sommer unter Ausschluss des hitzigen Südens. Die Cheflogistikerin des Bairischen Blues drohte schon seit Jahren mit einer Schwedenfahrt, welcher der Chauffeur mit angedrohtem Generalstreik zu begegnen suchte – was die Cockpittbulls von Lufthansa können, könne er auch, dachte er – und zwar vorwiegend, weil ihn die kulinarischen Aussichten einer Schwedenreise depressiv machten. Wenn, so das Argument der Reiselogistikerin, unsere alte Anouk, der eine so lange Reise nicht mehr zugemutet werden könne, nicht mehr wäre, müsse man nach Schweden: Wälder, Seen, prima Klima und nichts als Gegend. Ideal für den Hund. Nur suboptimal für den Chauffeur, dachte sich der und versprach sich einigen Erfolg mit dem Argument für lebenserhaltende Versorgungsfahrten nach Frankreich, etwa weil Karamellcreme ausgegangen sei, die Weinvorräte aus Frankreichs Mitte (Provence war ja im Sommer witterungsbedingt kein Thema) litten ebenso an existenzbedrohender Auszehrung, und auch das unverzichtbare Cidre-Gelee warte dringend auf Nachschub.

Als wir dann an Pfingsten 2015 von unserer Anouk in Frankreich für immer verlassen wurden, stand Schweden wie ein Menetekel vor den Augen des streikbereiten Chauffeurs. Im Sommer 2015 gewährte ihm Fianna mit einer Ladung Kinder im Bauch noch einmal Aufschub, doch nun, 2016, eilte das Schicksal mit schweren Holzpantinen auf ihn zu. Frankreich sei unbestritten sehr schön, aber immer nur Frankreich sei nicht schön, gab die Reiseleiterin zu bedenken, Irland und Schottland liefen nicht davon (als ob Schweden davonlaufen würde!), außerdem erfordere eine Reise dorthin eine passgenaue Planung wegen der für ein Fahrzeug über sieben Meter zum Teil elend engen Pisten – im übrigen sei Schweden längst ausgemacht.

Ausgemacht?

Man könne es ja nochmal mit Polen versuchen, warf er halbherzig ein, weil sie sich ja verständigt hatten, Polen erst wieder zu besuchen, wenn auch die letzten Straßen in einem Zustand sind, der dem nagelneuen Franz II zuzumuten sei, kaum überzeugend auch, weil er wenig Lust verspürte, den EU-destruktiven Polen noch mehr Devisen zukommen zu lassen. Da sein stärkstes Argument das kulinarische war, nämlich, dass man nicht in Urlaub fahren könne, ohne mit Vergnügen der Kunst der heimischen Köche zu huldigen, was in Schweden kaum zu erwarten wäre und auch in Polen nicht auf breiter Basis gewährt wird, versuchte er es gar nicht erst mit den Niederlanden. Holland ist Schweden ohne Wald und Elch und läuft noch weniger davon als Schottland und Irland, eher versinkt es, wie eins Atlantis, im Nordatlantik. Österreich und Schweiz sind in den Auswahlkriterien Ersatzbank II, weil unser Wasserhund viel und ungehinderten Zugang zu Wasser braucht, und in jenen Urlaubsländern der Zugang entweder privatisiert oder überlaufen ist, meistens jedenfalls. In dieser Hinsicht, das musste er zugeben, wäre Schweden tatsächlich Kategorie I. Ach, und das zauberhafte, klare Licht, wie man ihm von der Lobbyistenseite seiner Gegenspielerin vorschwärmte, das würde ihm sicher gefallen. Und die Einsamkeit, die Menschenleere erst, das wäre doch sicher sehr in seinem Sinne. Und wenn es mit den feinen landgestützten Kulinarien hapere, wäre doch an wassergestützten Gaumenfreuden kein Mangel, und denen sei er doch auch sehr zugetan.

Ja, schon, aber ...

Als die Entscheidung einstimmig gegen seine Stimme gefallen war und er die Sinnlosigkeit eines Generalstreiks im Cockpit eingesehen hatte, weil die  Cheflogistikerin kaum zögern würde, die Reise mit ihrer vierbeinigen Vertrauten ohne seine Dienste anzutreten, beschloss der Chefchauffeur, Schweden als würdiges Reiseziel anzuerkennen. Ein Ziel allerdings, das, ähnlich wie Rom, auf zahlreichen Routen anzusteuern ist – die allerdings alle über Wasser führen. Es galt also, die Anfahrtsroute auszubaldowern. Man kann Schweden  komplett "trockenen" Fußes erreichen, wenn man es über die Storebælt- und Öresundbrücke ansteuert, die beide um die 100 € kosten, dazu kommt eine ziemlich ausgedehnte Fahrerei durch halb Dänemark und dementsprechend viel Diesel. Die "nasseste" der meistgenutzten Anfahrtsvarianten ist die Fährverbindung von Travemünde nach Trelleborg, acht bis neun Stunden, drei- bis viermal täglich. Andere Fährverbindungen führen von Rostock nach Gedser im Süden Dänemarks (neunmal, knapp zwei Stunden), von wo aus man sich dann auch entscheiden muss, wie es nach Schweden weitergehen soll, eine weitere von Rostock nach Trelleborg (drei- bis viermal, sechs Stunden), von Saßnitz auf Rügen nach Trelleborg (vier- bis fünfmal, vier bis fünf Stunden), wer Lust hat kann auch vom polnischen Swinemünde nach Ystad übersetzen (zweimal, neun Stunden), was allerdings die Gefahr in sich bürge, dass der Chauffeur völlig unauthorisiert die Nase seines Zweier-Franz nach Osten lenkt und die polnische Ostseeküste abfährt. Wem das alles nicht reicht und wer ganz verrückt nach Fährefahren ist, steigt um 19:30 Uhr in Kiel zu und nach einer langen Nacht um 9 Uhr in Göteborg wieder aus.

Eine andere Variante ist die Vogelfluglinie mit den Fährverbindungen Puttgarden (Fehmarn) nach Rødby (45 min), danach dieselt man 200 km stramm nach Norden des östlichen Teils Dänemarks nach Helsingør und nimmt dort die Fähre nach Helsingborg (20 min). Das ist eine ziemliche Fahrerei. Die langen Fährverbindungen liegen dem Chauffeur quer, weil er ein Chauffeur und kein Fähreur ist, der zwar jedes Segelschiff mit Begeisterung betritt, aber diesen Massentransportern misstraut. Schwerer wiegt aber die Frage, was macht ein Hund stundenlang auf einer Fähre? Wird er depressiv? Oder gar aggressiv? Wird er zum Menschenfeind? Nein, dazu taugt unsere Fianna nicht. Aber der Chauffeur kann den Massenauftrieb auf diesen Touristenschleusen nicht ab und die Duty-Free- und Schnäppchenjägerei nicht ausstehen; die Einsamkeit und die Stille sind es, die den Menschen und das Meer vereinigen, nicht Lärm und Gedränge. Desweiteren müsste man für die längeren Überfahrten auch noch Kabinen mit Hundepermit buchen, was seinen Vorstellungen vom freien Reisen mit dem Womo diametral entgegenläuft: Wochen oder gar Monate vorher buchen und dann zu einem definierten Zeitpunkt vorfahren, nein, da kann er ja gleich wieder auf Geschäftsreise gehen. Die Cheflogistikerin überlässt dem Chauffeur mit ausgeprägter weiblichen Schläue die Wahl der Anfahrtsroute, was ihm den Eindruck vermitteln soll, auch wesentlich zum Gelingen der Fahrt beigetragen zu haben und so entscheidet er sich mit fester Stimme für nichts von alledem. Er beschließt eine gemütliche, durch nichts getriebene Anfahrt nach Fehmarn, Übernachtung dort, dann Fähre Puttgarden - Rødby, die halbstündig ablegt und die Wasserfront in 45 Minuten bewältigt, also keine Buchung und keinen festen Termin erfordert, dann hinüber in den Osten Dänemarks und über die Öresundbrücke nach Malmö. Das besticht: Es darf gedieselt werden, es darf gedampft werden und garantiert den gewünschten maximalen Freiheitsgrad.

Wikinger, wir kommen! Mit einem LMC Cruiser Comfort, 7,30 m lang, 2,50 m breit 2,50 m hoch, 3,5, t schwer, voll beladen mit Sprit und Spirit, Chauffeur und Reiseleiterin und einem vierbeinigen Luxustroll namens Fianna.

 

Vagen – Fehmarn (Camping Wulfener Hals), Freitag, 5. August

Anreise im RegenAnreise im RegenWir rollen um 7 Uhr bei heftigem Regen vom Hof und machen unserem Franz klar, dass er nun seine Bewährungsprobe vor sich hat. Sein Kilometerstand weist eben mal 920 km aus, was so gut wie frisch aus der Womo-Presse ist und keine Rückschlüsse auf seine Reisetauglichkeit zulässt.

Wie meist, wenn es Richtung Norden geht, passieren wir München östlich über die A 99 und schwenken dann auf die A 9 ein, eine Option, die praktisch alternativlos, deswegen aber nicht weniger spannungsgeladen ist, weil auf dieser Route kein Tag ohne Staus und Unfälle vergeht, vor allem LKW-Fahrer scheinen sie sich als Teststrecke ihrer Fahruntauglichkeit ausgesucht zu haben, was dazu führt, dass beinahe kein Tag vergeht, an dem diese Autobahnen nicht wegen LKW-Unfällen beeinträchtigt oder gesperrt sind. An einem Freitag gar sind die Aussichten auf ungetrübtes Fahrvergnügen fast so deprimierend wie das aktuelle Wetter.

Kurz vor Nürnberg hört dann der Regen auf, was uns einen ganz neuen Blick auf die bayerische Geographie eröffnet, weil wir aus dem Radio vor wenigen Minuten noch gehört hatten, dass es am westlichen Alpenrand, bis etwa Bad Tölz, Regen gäbe. Da werden sie sich aber freuen, die Ingolstädter und Hilpoltsteiner, dass sie sich nun zum westlichen Alpenrand zählen dürfen, und wie erleichtert werden die Nürnberger aufatmen, dass dieser Kelch gerade noch an ihnen vorübergegangen ist.

Zu Zeiten der deutschen Zweistaatlichkeit wäre man von Nürnberg auf die A 3 Richtung Frankfurt gefahren, am Kreuz Biebelried auf die A 7 nach Norden geschwenkt, bis man irgendwann entweder in die Nord- oder Ostsee gefallen wäre. Diese Zeiten sind vorüber; man bevorzugt nun die Ostroute über Berlin, nicht weil es so viel näher wäre, sondern um den dauerverstopften Rennstrecken A 3 und A 7 aus dem Weg zu gehen. Heute läuft es auch einigermaßen schnittig, kurz vor Dessau müssen wir jedoch einem Stau ausweichen, was unserer Urlaubslaune aber keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil, weil wir uns immer köstlich über die vor allem in den östlichen Bundesländern grassierende Unsitte amüsieren, dem Land ein Marketingetikett anzukleben. Derzeit, in Sachsen-Anhalt, lesen wir am Straßenrand bieder gestaltete Werbeschilder mit der Aufschrift "Ursprungsland der Reformation". Hier weiß man offenbar, was die Zeit geschlagen hat, schließlich ist das Luther-Jahr 2017 nicht mehr fern; da darf man doch bitteschön drauf aufmerksam machen, wem der Luther gehört. Geistreich mutet uns der Slogan nicht an, aber gegen das bis vor kurzem noch aktuelle Motto "Land der Frühaufsteher" macht dieser Slogan geradezu einen betulich seriösen Eindruck. "Land der Frühaufsteher"? Warum stehen oder standen die Anhaltiner-Sachsen denn so früh auf? Sind sie Bettnässer oder haben sie Kreuzschmerzen, weil sie sich keine neuen Matratzen leisten können? Und warum muss der Durchreisende das wissen? Welche Qualität verbirgt sich hinter einem Frühaufsteher? Sind Langschläfer schlechte Menschen oder alle ausgewandert beziehungsweise ausgewiesen worden? Und wo verkriechen die sich jetzt in ihren Betten? Dann schon lieber das Reformationsmotto. Wir fragen uns, ob uns der thüringische Slogan ausgekommen ist, oder ob man dort auf einen solchen Quatsch verzichtet? Andererseits darf man fragen, warum sich die Thüringer denn so widerstandslos den Luther klauen lassen? Wir schlagen als passenden Slogan vor: "Bei uns lernte die Bibel deutsch".

Egal: Mit solchen längeren Gedankenspielen kann man sich bei der Stauumfahrung die Zeit vertreiben. Nach einer Pause zur Entspannung unserer drei Blasen und zur Befüllung des Franzentanks sinnieren wir bald über das Brandenburger Etikett: "Entdecke die Möglichkeiten". Aber es will sich uns einfach nicht erschließen, welche Möglichkeiten denn so geboten sind, die wir hierzulande entdecken sollen. Und wenn sich doch beim Lesen dieser Schilder nicht so ein seltsames Déja-vu-Gefühl einstellen würde, als ob man jemanden sähe und sofort weiß: Den kenn' ich, aber woher und warum. Doch dann kommt es wie ein Pfingsterlebnis über uns: IKEA. Das war der IKEA-Slogan Mitte der 80er Jahre: Entdecke die Möglichkeiten. Jetzt ist die Verwirrung komplett, und wir beschließen, die Schilder so zu interpretieren, dass die Brandenburger sie speziell für uns und unseren steinigen Weg nach Schweden aufgestellt haben müssen. Welchen Grund sollte ein deutsches Bundesland sonst haben, Werbesprüche von Unternehmen für ihre Image-Kampagne zu kopieren? Und obwohl sich unser eine gewisse Dankbarkeit den Brandenburger gegenüber bemächtigt, können wir die aufkeimende Frage nicht unterbinden: 'Denkt ihr noch oder spinnt ihr schon'? Wir sind sehr gespannt, ob es weiter im Norden noch kauziger geht.

Um kurz vor 16 Uhr sind wir auch darüber im Bilde, als wir nämlich bei Suckow Mecklenburg-Vorpommern betreten und mit einem "Willkommen im Land zum Leben" begrüßt werden. Mal abgesehen davon, dass dieses Motto offenbar nicht für alle gilt, jedenfalls nicht für diejenigen, die man hier lieber tot als lebendig sieht, und en passant alle anderen Bundesländer als nicht zum Leben tauglich eingestuft werden, ist dieser Slogan sprachlich so sperrig und gekünstelt, dass sich der Verdacht eines Plagiats aufdrängt. In der Tat:  To be in the land of the living bezeichnet im britischen Englisch in der Grundbedeutung nicht viel anderes als die aktuelle Aktivitätsstatus einer Person: Sie ist unter uns, ist aktiv und "in Betrieb". Im Umgang wird es auch in der Bedeutung benutzt, dass jemand wach oder auch bei Bewusstsein ist, z.B. könnte man sagen, dass jemand nicht vor abends aus dem Bett kriechen wird (He's not expected to be in the land of the living before evening). Are you still in the land of the living heißt schlicht: Lebst du noch? Für uns ergibt das die beruhigende Diagnose: Hurra, wir leben noch; solange wir uns nämlich in den Grenzen McPomms und in the land of the living bewegen ist gar nichts anderes denkbar. Wie schön! Da brummt der Franz und swingt wie frisch verliebt.

Doch auch im Land zum Leben zwingt einen das Leben gelegentlich, einen Haken zu schlagen. Wegen eines Unfalls können wir nicht, wie vorgesehen, auf der A 24 in Richtung Hamburg fahren, sondern müssen am Kreuz Schwerin über die A 14 nach Norden ausweichen und dann bei Wismar auf der A 20 wieder nach Westen eindrehen. Um 17:10 Uhr verlassen wir die Autobahn bei Groß Sarau wegen eines weiteren Staus und fahren auf der B 207 nach Lübeck. Nun sind wir bereits in Schleswig-Holstein und damit im 'echten Norden', wie uns die Landesregierung am Straßenrand versichert. Uns ist es egal, weil wir ja aus dem echten Süden kommen und daher mit marktschreierischen Auftritten bestens vertraut sind. 'Der echte Norden' – da müssen sich eher die Ostfriesen und Rügener damit abfinden, dass sie in den Augen der Schleswig-Holsteiner nicht ganz echt sind. Aber vielleicht ist es ja auch andersrum.

In Lübeck haben wir die erste Bewährungsprobe unserer Nordlandreise zu bestehen: Die super billige Tankstelle, an der wir unseren Franz nachfüllen wollen, verweigert die Kreditkarte der Reiseleiterin. Nicht schlimm, denkt sie sich, das klären wir später und zahlt in bar. Als wir wenig später auf der A 1 weiter den echten Norden hinauf rollen und die Cheflogistikerin für morgen ein Fährticket via Handy buchen will, versagt die Kreditkartenzahlung wieder. Nun muss die Bank befragt werden – Freitag nachmittags um halb sechs. Beim Gespräch mit der Hotline stellt sich schnell heraus, dass die Chefin vor kurzem eine Zahlung für ihren Arbeitgeber vorgenommen hat, wodurch die Daten des Auftraggebers nicht mit den gespeicherten übereinstimmten. Und daraufhin wurde die Karte sicherheitshalber gesperrt. Auch nicht schlecht. Nachdem die Reiseleiterin alle inquisitorischen Fragen der Bank zu deren Befriedigung beantworten kann, wird die Karte wieder freigeschaltet und die Fährbuchung mitsamt der Bestätigung aufs Handy geliefert. Die Nordlandreise kann weitergehen.

Um 18:40 Uhr rollen wir an die Rezeption des Campingplatzes Wulfener Hals im Süden Fehmarns [N 54° 24' 22''  E 011° 10' 38'']. 985 Kilometer haben wir dem Franz II heute aufgebürdet, Fianna war dabei einfach nur eine großartige Reisebegleiterin, hat das Womo zu ihrem Schlafwagen umgewidmet und dabei Herrchens Bett zu einem gemütlichen Matratzenlager umgebaut. An Reisekrankheit leidet sie jedenfalls nicht.

Das Wetter ist freundlich bei leichtem Wind und 22° C.

Anfahrt Vagen nach FehmarnAnfahrt Vagen – Fehmarn

An der Rezeption fragen wir nach einem Platz mit Strom und bekommen einen Plan über den Abschnitt, auf dem "noch ein oder zwei Plätze frei sind" und wir uns einen Stellplatz suchen sollen. So machen wir das, finden einen Hocker und belegen ihn. Als die Logistikspezialistin bei der Rezeption unsere Wahl meldet, wird ihr mitgeteilt, dass der Platz zwischenzeitlich schon an jemand anderen fest vergeben wurde; bedauerlicher Fehler, aber wir müssten uns in einer anderen Ecke einen neuen Platz suchen, allerdings gäbe es dort keinen Stromanschluss. Nun steht der Chauffeur kurz vor einem Kolbenfresser. Der echte Norden, aber zu doof, eine funktionierende Logistik aufzubauen. Wir kurven herum, suchen und werden fündig, irgendwo auf einer Wiesenfläche und für die bereits ansässigen sicherlich der eine zu viel, den es nicht mehr gebraucht hätte. Zur Beruhigung unserer Gemüter und fürs Wohlbefinden unseres schwarzen Trolls beschließen wir augenblicklich, einen Informations- und Abendspaziergang zu machen.

Fianna und das KaninchenFianna und das KaninchenEs Spaziergang in WulfenSpaziergang in Wulfengeht inzwischen schon auf 20 Uhr zu, was bedeutet, dass auch der Großteil der Fehmarn'schen Kaninchenkolonie seinen Abendspaziergang macht. Und hier gibt es deutlich mehr Karnickel als auf dem angrenzenden Golfplatz Bälle, weswegen der Spaziergang ein Spazierschleich wird, weil Fianna an guten Tagen besonders kontakt- und kommunikationsfreudig ist, jedem ein Pläuschchen aufdrehen und ihn in die Arme schließen würde, in der Tiefe ihres gütigen und wohlerzogenen Herzens aber eher an dessen Gurgel denkt. Wir trotten zuerst, immer am Golfplatz entlang, nach Wulfen, wenden uns dann südlich zum Strand und dort nach Osten bis zum Restaurant 'Seeblick'.  Kaum haben wir einen freien Tisch mit Meerblick besetzt, fällt der Reiseleiterin ein, dass sie noch "g'schwind" zur Rezeption des Campingplatzes eilen könnte, um gleich noch zu zahlen, dann wäre das morgen erledigt und wir könnten los, wann wir wollten. Es ist bereits 21:15 Uhr, als die besorgte Bedienung dem alleingelassenen Hundehalter eröffnet, dass die Küche um 21:45 Uhr schließe. Ob er bestellen wolle? Er will nicht, weil er eine gute Kinderstube genossen hat und außerdem befürchtet, Teile seiner Abendmahlzeit seiner eventuell unversorgt gebliebenen Reiseleiterin vorwürgen zu müssen, wie Mutterhündinnen das machen, um ihren Nahrungsbedarf zu befriedigen. Nein, da bleibt er lieber auch hungrig. Mehrmals, im Abstand von fünf bis 10 Minuten, sorgt sich die Kellnerin um sein Wohlergehen, mit dem Bestell-Pad in der Hand. Er bleibt eisern: Kein Abendmahl ohne seine Maria Magdalena. Die taucht etwas erhitzt vom flotten Schritt um 21:40 Uhr auf, setzt sich nieder, strahlt die Bedienung an, die ihre tiefe Sorge nicht mehr verbergen konnte und fürsorgliche Kreise um den Chauffeur gezogen hatte, bestellt Nisthöhlen der SeeschwalbenNisthöhlen der Seeschwalben in den Dünengebratene Heringe, als ob sie nicht gerade am Hungertod vorbeigeschrammt wäre. Der Chauffeur entscheidet sich für Scholle. Jetzt erst erfährt sie, was für einen Zieleinlauf sie hingelegt hatte und legt sich entspannt zurück, als ob sie zum Ausdruck bringen wollte: Wie soll man sich entspannen, wenn man vorher nicht angespannt war? Das leuchtet dem Chauffeur ein, worauf auch er die glühenden Kohlen von seinem Sitz räumt. Die Anspannung kehrt aber sofort wieder, als er den Preis des Stellplatzes erfährt, den die Reiseleiterin soeben berappt hatte: 38,57 €. Für einen lausigen Grasplatz, irgendwo dazwischen geklemmt und ohne Stromanschluss. Im Preis eingeschlossen sind Kurtaxe (3,60 €), Poolpauschale (2,40 €) und der Hund mit 8 € – und, danke dafür, ein kleines Probetütchen Platinum Hundefutter. Danke, davon läuft unser Franz schon über. Fürs Abendmahl mit Bier, Wein und Wasser, plus zwei Espresso, legen wir im 'Seeblick' 50 € auf den Tisch, was kein Schnäppchen ist, aber angesichts der Fischmahlzeiten auch nicht überteuert.

Gegen elf Uhr sind wir beim Zweier-Franz zurück und legen uns aufs Ohr. 19° C hat es noch, klar ist es, und windig ist es auch, wie es sich hier gehört.

 

Fehmarn – Falsterbo (Ljungens Camping), Samstag, 6. August

Nachts hat sich der Himmel bezogen und fadenförmige Tränen geweint. Um 7 Uhr, als wir aus den Betten kriechen, hat er seine Trauer wieder im Griff und hält sich nur noch sehr bedeckt. Die Chefin führt den Troll spazieren und der Chauffeur kümmert sich ums Mobil und das Frühstück. Um 9 Uhr verlassen wir den Wulfener Hals mit einem nicht mehr ganz so dicken Hals wie gestern, weil wir wenigstens die Sanitäranlagen ohne Abstriche loben können. Trotzdem!

Zum Fährhafen Puttgarden ist es nur ein Katzensprung oder exakt 15 Minuten. Die Reiseleiterin lässt sich an einem Schalter das Ticket aushändigen, das sie gestern bestellt und bezahlt hat, wir erfahren, in welche Spur wir uns einreihen sollen, rollen wenig später in den Bauch der Fähre 'Schleswig-Holstein', nehmen unsere Fianna und begeben uns an Deck. Das läuft hier so reibungslos, dass es den Schmalspur-Disponenten vom Wulfener Hals ganztägig dAuf der Fähre Puttgarden – RödbyDer Chauffeur und seine Wasserratte auf der Fähreie Schamröte ins Gesicht treiben müsste. Die Fähre ist gut gefüllt, auch mit reichlich Hunden, deren Menschen sich bevorzugt um Frühstück bemühen. Und jetzt wird uns nach einem genaueren Blick aufs Ticket auch klar warum: Im Fährpreis von 147,88 € ist ein Frühstück für 34,88 € enthalten. Das hat uns gestern bei der Bestellung niemand mitgeteilt. Aber selbst wenn wir nicht schon gefrühstückt hätten, müsste man einen urwüchsigen Schmacht haben, um für fast 35 € zu frühstücken, schon gar, wenn man nach Abzug aller Rüstzeiten bestenfalls 30 Minuten zur Verfügung hat. Wir entziehen uns dem Rummel hinauf aufs oberste Oberdeck, dorthin, wo man nur über eine nahezu senkrechte, eiserne Himmelsleiter gelangt. Das treibt den hasenfüßigen Artgenossen Fiannas den Zorn in die zittrigen Beine und ihren Haltern Fassungslosigkeit ins Gesicht, wie das schwarze Eichhörnchen fast schwerelos diesen Klettersteig bewältigt. Ja, man spürt und genießt die Blicke im Rücken, die uns Neidlöcher ins Outfit brennen. Da oben sind wir in einer exklusiven Gesellschaft ohne Hunde. Fianna zeigt sich im Krähennest der 'Schleswig-Holstein' so souverän, wie man es nur sein kann, streckt die Nase in den Fahrtwind, lässt sich das Gehirn freipusten und betört die wenigen Gäste, die es auch hier herauf geschafft hatten. Ein Ehepaar vernarrt sich ganz besonders in sie, und sie gibt den beiden reichlich Gelegenheit, ihre Sehnsucht nach einem Hund auszuleben. Nach der Überfahrt ist ihr Fell so seidig und speckig glänzend wie selten zuvor. Bevor es wieder an Land geht, müssen wir natürlich wieder die Hühnerleiter senkrecht runter, und es steht außer Frage, dass sich manche die Beine auf den unteren Decks ausschließlich in der Absicht vertreten haben, zu sehen, wie das überdimensionierte Eichhörnchen, da kopfüber wieder runterkommt. Fianna gönnt ihnen das Erlebnis stolperfrei mit einer Rute, die Balancestange und Flaggenmast zugleich ist. Ende der Show. Manchmal ist die kleine Schwarze eine richtige Rampensau.

Die OresundbrückeDie ÖresundbrückeUm 10:35 Uhr legen wir im dänischen Rødby an, begeben uns wieder in den Bauch der Fähre zu unserem Franz und sind bereit zur Abfahrt, als es plötzlich an der Scheibe der Reiseleiterin klopft. Die lässt die Scheibe herunter und draußen steht ein völlig fremder Mensch, um uns zu sagen, dass wir ein wunderschönes Wohnmobil hätten. Der Chauffeur ist ganz gerührt und krault seinen Franz verschämt unter der Lenksäule: Wir wussten doch immer, dass du der Schönste bist. Reisen bildet nicht nur, sondern fördert in seinen besten Momenten auch die Einbildung.

Von jetzt an geht es grob 160 km auf einer Autobahn, so duftig wie ein Salzburger Nockerl, durch Dänemark bis nach Kopenhagen, wo wir um 12:35 Uhr die Öresundbrücke überqueren und dafür 780 DKK (108 €) bezahlen, linkerhand die Skyline von Malmö mit seinem Wahrzeichen, dem Turning Torso, einem in sich gedrehten, 190 m aufragenden Hochhaus, dem höchsten Skandinaviens. Um 12:45 Uhr betreten wir schwedischen Boden, nicht ohne vorher kritisch beäugt zu werden, weil die Schweden bekanntlich seit einiger Zeit ihr Hoheitsgebiet sorgsam abschotten. Aber wir tragen keinen Salafistenbart und keine Burka und werden freundlich und förmlich eingelassen. Jetzt ist also die Reiseleiterin im Land ihrer jahrelang gepflegten Träume.

Wir hatten bereits beschlossen, die Reise gegen den Uhrzeigersinn zu machen, also erst an der Süd- und Südostküste entlang, dort auch ein bisschen schärfer zu takten, um dann über die großen Seen und viel Gelassenheit zurück zu bummeln.

Wir wenden uns demnach südlich zum äußersten Südwestzipfel Schweden, nach Falsterbo in der Provinz Skåne (Schonen), die auf lateinisch scania heißt und somit Namensgeberin der gleichnamigen LKW-Marke ist. Böse Zungen behaupten, wir hätten uns dieses Ziel zur sprachlichen Akklimatisierung erwählt, weil der schonische Dialekt im restlichen Schweden genauso schwer verstanden wird wie der bayerische in Schriftdeutschland. Das ist eine Legende; wir dachten uns einfach, wir fangen links unten an, wo es herrliche Strände gibt, und arbeiten uns dann vor.

Die Anfahrt ist für den Start in einen Schwedenurlaub ernüchternd, aber hoffentlich nicht wegweisend: Es regnet aus düsteren Wolken, die der Wind zu Paaren jagt und zerrupft wie der Habicht eine Taube. Um 13:30 Uhr sind wir in Ljungens Camping von Falsterbo [N 55° 23' 54''  E 012° 51' 50'']. Da uns das Wetter noch immer nicht ermuntert, sofort auf Erkundung zu gehen, legen wir uns erst einmal aufs Ohr, schließlich haben wir heute erschöpfende 224 km hinter uns gebracht; da ist eine Siesta dringend vonnöten. Fianna schließt sich unserer Meinung an und rollt sich zwischen den Betten zusammen wie eine Schneckennudel.

Reiseroute Fehmarn – FalsterboReiseroute Fehmarn – Falsterbo

Die Heide von FalsterboDie Heide von FalsterboUm Heidespaziergang16:15 Uhr sind wir für einen Strandspaziergang gestärkt. Ljungens Camping bezieht sich auf das schwedische Wort ljung, was Heidekraut bedeutet, und so sieht es hier auch aus: Die 500 Meter bis zum Sandstrand führen uns durch Kiefern, Birken, Sandbuhnen und Heide. Nach kaum drei Kilometern machen wir aber schon wieder schleunigst kehrt, weil uns bereits der nächste Wolkenturm und auffrischender Wind Schutz in unserer rollenden Hüte suchen lässt. Um 17 Uhr sind wir zurück und einmal durchgeweicht. Der Chauffeur verkneift sich eine Anspielung auf die von ihm favorisierten Urlaubsregionen und zieht sich in seine Koje zurück: Scheißwetter und nix G'scheits zum Essen ...

EDer Strand von FalsterboAbendstimmung am Strand von Falsterboine dreiviertel Stunde später erspäht die umtriebige Reiseleiterin ausgedehnte blaue Felder zwischen den Wolken und ermuntert die Schwarze zu einem neuerlichen Spaziergang, was diese anstandslos akzeptiert. Dem Chauffeur ist nicht nach meteorologischen Experimenten, er hält die Stellung. Und tatsächlich benimmt sich das südschwedische Wetter nun manierlich, was unserer oft gemachten Beobachtung folgt, dass sich das Wetter in Küstenregionen abends stabilisiert.

UStrandstimmungm 19:15 Uhr sind die beiden zurück und wir beschließen, dass es nun Zeit sei, unsere Ankunft in Schweden mit einer Bordtaufe zu begehen. Der fällt eine Flasche Schampus zum Opfer. Nebenbei kochen wir zwei große Hände voll Spaghetti, dazu gibt es eingemachte Tomatensoße. Wir hatten uns nämlich entschlossen, für diese Reise das eh immer überforderte Gefrierfach unseres Kühlschranks zu entlasten und nur noch gefrorenes Fleisch für Fianna dort zu lagern. Für uns haben wir Fleisch, Gemüse und Soßen nach alter Tradition eingekocht und lagern dies in unserem Heckgaragen-Regal. Nicht nur mit dieser Lösung sind wir sehr zufrieden, sondern auch mit der Fianna am Strand von FalsterboHundeglückTomatensoße. Immerhin wissen wir nun, dass wir in Notzeiten jederzeit auf schmackhafte Konserven zurückgreifen können, wenn die Schweden versagen, so wie heute, wo das Camping-Restaurant geschlossen hat und wir keine Lust haben, in Falsterbo auf die Suche zu gehen.

Der Abend gleitet dahin, wir stöbern in den Reiseführern, pflegen dangling conversation, stellen wieder einmal fest, dass es erstaunlicherweise hier oben in dieser Jahreszeit sogar um 21:15 Uhr noch hell ist, obwohl es schon wieder viele dicke Wolken gibt. Wir betreiben Seelenlungern in Ljungens Camping, sperren jede Zwangsaktivität des Alltags aus. Man muss herunterkommen, um anzukommen. Man muss sich treiben lassen, um nicht im Urlaub noch Getriebener zu sein.

Um 22:30 Uhr treibt es uns in die Betten; 17° C meldet das Außenthermometer und ein letzter Blick registriert dicke Wolkenpakete. Noch ein paar Seiten lesen, dem Troll die Ohren kraulen ...

 

 Falsterbo – Ystad, Sonntag, 7. August

Morgensport für FiannaMorgensport für FiannaWir stehen um Viertel nach acht auf, draußen geben sich Sonne, Wolken und Wind bei 16° C den Marschallstab in die Hand. Nach dem Frühstück bringen wir den Franz II wieder in Ordnung und machen dann einen Morgenspaziergang, bei dem Fianna ein bisschen Unterordnung machen darf, was ihre sowieso schon gehobene Urlaubslaune noch spürbar hebt. Noch abgehobener ist ihre Stimmung am Strand und im Wasser, wo sie tanzt und tirilliert wie der Bi-Ba-Butzemann, was auch kein Wunder ist, weil ein Butz eine Art Dämon oder Kobold ist und unsere Fianna als schwarzer Troll in einem engen Verwandtschaftsverhältnis zu diesen steht. Also sollte sie sich im Land der Trolle ja pudelwohl und wie zuhause fühlen. Wir dagegen bohren unsere Augen in den Sandstrand, immer auf der Suche nach Bernstein, der hier so häufig vorkommen soll wie drüben in Polen, wo wir auch nichts gefunden haben. Dort waren die Strände wenigstens teilweise steinig, aber wo soll denn hier Bernstein herumliegen, wo wir uns doch auf feinstem Pulverstrand bewegen? Wir beschließen für uns, dass es Bernstein überhaupt nicht gibt, sondern ein Kunstprodukt der Tourismusindustrie ist.

 Die ersten Eindrücke, die man in einem fremden Land sammelt, sind ja nicht selten wegweisend für die Art, wie man es auch weiterhin betrachtet. Uns Hundeliebhabern fällt zum Beispiel auf, dass Schweden offenbar eine Liebe für große Hunde haben, während die Polen auf der anderen Seite der Ostsee sich mehr auf die kleineren und kleinen Exemplare spezialisiert haben. Jedenfalls begegnen wir schon auf diesem ersten Morgenspaziergang Dobermännern, Barsois und Rottweilern, was uns froh stimmt. Ein Zufall kann das nicht sein, es sei denn, die hätten sich alle nur wegen uns hier zusammengerottet.

Nach unserer Rückkehr verwandelt sich der frisch geputzte Franz schlagartig in eine rollende Strandbar, weil wir gar nicht so schnell schauen können, wie der Butz vom Blues in unser Kleinod springt und es mit feinstem Sand zu pudern. Jetzt wäre eigentlich schon wieder der Einsatz von Besen und Schaufel fällig – ach was, lohnt ja nicht. Wird nicht der letzte Sandsturm sein, der durch den Franz fegt. Und dass der Chauffeur heute Abend auf einem Sandbett ruhen darf, will er jetzt noch gar nicht in Betracht ziehen.

Um 11:30 Uhr verlassen wir Ljungens Camping, dem wir nichts Schlechtes nachsagen können. Die Stellflächen sind geräumig auf Grasboden und schattig (zumindest dort, wo während unseres Aufenthalts geöffnet ist). Das Personal ist freundlich und zuvorkommend, die Sanitäranlagen in die Jahre gekommen, aber sauber. Der Strand ist nahe, Auslauf für den Hund mehr als reichlich vorhanden – und doch springt kein Funke über, der uns zu einem längeren Verweilen animiert hätte. Sicher liegt es am Wetter, dem man gerne entkommen möchte und daran, dass wir noch einiges vorhaben und nicht schon im ersten Hafen versacken wollen. Die Neugier treibt uns weiter.

Urlaubsresidenz?Zweitwohnsitz mit Mätresse ausgerechnet in Höllviken?Allerdings fürs Erste nicht weiter als 10 Kilometer, nämlich nur um die Ecke nach Höllviken zum Bernsteinmuseum von Leif Brost [N 55° 24' 2'' E 012° 58' 56'', Södra Mariavägen 4]. Das Museum ist ein verwinkeltes und kauziges Anwesen, in dem der Besitzer jede Menge Schätze zeigt, die er auf seinen Reisen um die Welt zusammengetragen hat, und natürlich lernt man dort alles über Bernstein, seine Entstehung und seine Vorkommen. Selbstredend verlässt man das Museum nicht, ohne das eine oder andere Kleinod aus Bernstein, das der Meister selbst zu Kunst und Schmuck verarbeitet hat. Auch wir verlassen das Bärnstensmuseet nicht mit leeren Händen: Zwei Ohrstecker und eine Halskette mit Bernsteinanhänger, beides ziemlich geschmackvoll und 150 SEK (knapp 16 €) billig, verlassen mit uns das Museum und gereichen fortan der Reiseleiterin zur Zierde.

Bei unserer Weiterfahrt ist es 21° C warm und der Himmel zeigt sich in bayerischem Weiß-Blau. Immer an der Küste entlang hangeln wir uns rund 70 Kilometer weiter nach Ystad, wo wir um 13:30 Uhr ankommen. Hier ist es nun wieder bedeckt bei 19° C.

Eine der ersten Naherfahrungen mit einem fremden Land macht man meistens beim Einkaufen; wir sind ja alle auf unsere Einkaufswelt geprägt und folgen auch in der Fremde dieser Prägung. So fahren wir auf den Parkplatz eines mächtigen Supermarktes, um ein paar Vorräte nachzufüllen, doch der Supermarkt entpuppt sich als ziemlich uncharmante Mischung aus Baumarkt und Ramschladen. Also weiter. Und schon wirkt Ansicht Stellplatz in YstadStellplatz im Hafen von Ystadwieder die heimische Prägung, weil sie nur wenige Ecken weiter unseren Blick auf die vier fest-codierten Buchstaben lenkt: LIDL. Der Herr segne und behüte die Globalisierung mit allen seinen Gemeinheiten, jetzt kommt sie uns gerade recht. Wir kaufen Bananen, Milch, Kartoffeln, Gurke, etwas Salat und 800 g Hackfleisch, so ungeniert, als ob wir schon immer Hackfleisch bei LIDL gekauft hätten. Andere Länder, andere Unsitten. Dafür bezahlen wir 116 SEK, also etwa 12 €. Das ist sittlich vertretbar, und sogar das Hackfleisch ist nicht teurer als zu Hause. Um 14: 30 Uhr stellen wir nach einem erschöpfenden Tagesetmal von 80 Kilometern den Franz auf dem Stellplatz im Hafen von Ystad ab [N 55° 25' 36'' E 013° 48' 48'']. Dieser Platz entbehrt jeden Charmes, wie das eben so ist, eingeklemmt zwischen Eisenbahn und Hafenbecken, aber von hier sind es zu Fuß nur wenige Meter in die Altstadt von Ystad. Diesen Luxus lässt man sich fürstlich bezahlen: 150 SEK für den Stellplatz, 50 SEK für Strom und 50 SEK für die Codekarte für die Sanitäranlage. Wir legen uns aufs Ohr.

Reiseroute Falsterbo – YstadReiseroute Falsterbo – Ystad

Ansicht in YstadUm Ansicht in Ystad17 Uhr brechen wir auf, um uns einen Eindruck von Ystad zu verschaffen. Wenn man die Reiseführer zu Rate zieht, ergibt sich immer das gleiche Bild: Malerische, für Schweden eher untypische Fachwerkhäuser, die spätromanische Marienkirche mit barockem Turm und das  ziegelroten Franziskanerkloster. Das war es dann auch, und alles zusammen passt räumlich in eine Schnupftabaksdose und überfordert die Kondition des Touristen eher nicht – wenn da nicht Henning Mankell gewesen wäre, der seinen Kommissar Wallander in dieses Städtchen verfrachtet hatte. Alle in seinen Krimis erwähnten und beschriebenen Lokationen und Tatorte existieren wirklich, auch Wallanders fiktives Wohnhaus in Ansicht in Ystadder Mariagatan 10. Man kann die Ansicht in YstadWallanderschen Walfahrtsorte abwandern, und Wallanderfans tun das, was dem Chauffeur und literarischem Rosinenpicker nicht in diesem und auch nicht im nächsten Leben in den Sinn käme, weil er seit Mankells erstem Werk der immer wieder bestätigten Überzeugung ist, dass es sich um die lausigsten Machwerke der Krimiwelt handelt. Wer anderer Meinung ist, darf sich gerne zu Wort melden und das Florett ziehen. Der große Rest von Ystad ist belanglos und bestimmt keine Reise wert, Sehnsucht nach Wiederholung löst sie keinesfalls aus.

Um 19 Uhr entscheiden wir uns fürs Restaurant Bryggeriet (Långgatan 20), kaum 400 Meter vom Stellplatz. Hier ist es rammelvoll, aber für uns findet sich noch ein kleines Tischchen. Unser erster Restaurantbesuch bestätigt unsere Erwartungen: Kleine Karte (was eigentlich sehr schön ist), viele Snacks und Restaurant Bryggerietein Das Restaurant Bryggeriet in YstadDas Restaurant Bryggeriet in YstadFleisch- oder Fischgericht, große Preise. Wir entscheiden uns für eine gebratene Makrele mit Beilagen, einen großen Hamburger mit kleiner Begleitung, beides sehr schmackhaft und jeweils 255 SEK teuer (27 €), dazu vier Biere für je 70 SEK (7,50 €). Das summiert sich dann auf 760 SEK oder 80 €. Davon kann man bei uns auf dem Land fast eine Bettelhochzeit ausrichten. Wir halten den Preis dennoch für durchaus angemessen, weil das Personal nicht nur sehr freundlich, sondern auch ausgesprochen ansehnlich ist; umsonst ist nichts, schon gar nicht eine Schar appetitlicher Kellnerinnen. Nun haben wir also unser kulinarisches Briefing absolviert, und der Chauffeur ist in seiner Meinung auf ganzer Linie bestätigt: Her mit den kleinen Schwedinnen und fort mit der Speisekarte!

Um 21 Uhr sind wir zurück beim Franz und seiner Wächterin. Es ist bedeckt und windstill bei 21° C, und hell ist es auch noch. Als der Himmel um 22 Uhr schön langsam die Vorhänge zuzieht, schließen auch wir die Lider ... eine Makrele und ein Hamburger für 55 € ... Schwedenhappen ...

 

Ystad – Gyllebo-See, Montag, 8. August

Bis 7 Uhr prächtig wolkenloser Morgenhimmel, um 7:30 Uhr stehen wir tatendurstig auf, um 8 Uhr ist es schwer bedeckt, um 8:15 Uhr wird unser Durst von oben gestillt und um 8:45 Uhr ist wieder keine Wolke mehr am Himmel. Die Chefin nimmt das Wachpersonal mit in die Altstadt , um deren Bewegungsdrang zu befriedigen und für uns Frühstück zu holen. Der Chauffeur kümmert sich derweil, wie gewohnt, ums wohl des Zweier-Franz. Um 10 Uhr, nachdem wir auch Fianna und uns versorgt haben, brechen wir auf und bekommen 100 SEK für nicht gezapften Strom und nicht benutzte Dusche zurück. Manchmal ist sogar der Chauffeur Schwabe. Mit Bordmitteln lässt sich auch Körperpflege betreiben und für das bisschen Strom, das wir hier brauchen, sorgt das Solarpanel. Das macht wirklich unabhängig. So bleiben also noch 150 SEK (knapp 16 €) für die Übernachtung liegen. Damit kann man leben, wenn auch das Ambiente ein paar Kronen weniger gebieten würde.

Bei unserer Abfahrt ist es dann wieder heiter bis wolkig bei 18° C.

Unser erstes Ziel heute ist Kåseberga und die Schiffsetzung von Ales Stenar, wo wir um 10:30 Uhr ankommen. Kåseberga ist ein kleines Fischerdorf mit einem putzigen Hafen, in dem man auch Piraten vermuten könnte. Aber was ist Die Schiffsetzung von Ales StenarDie Schiffsetzung von Ales Stenareine Schiffssetzung? Auf einem Hochplateau, 37 Meter über dem Meeresspiegel, stehen hier 59 Hinkelsteine aus Gneis und Granit, die wie ein Schiffsrumpf angeordnet sind. Die ganze Anlage ist 67 Meter lang und an der breitesten Stelle 19 Meter breit. Das angenommene Alter von Ales Stenar schwankt zwischen 1400 und 2800 Jahren, was schon darauf schließen lässt, dass auch die Bedeutung der Anlage in Fachkreisen mindestens ebenso umstritten ist wie ihr Alter. Die erste Frage betrifft schon die Steine. Gneis und Granit gibt es hier nicht, und wenn die Steine vom Inlandeis hierher verfrachtet worden wären, wären sie, wie alle anderen, eher rund als keilförmig. Die Erbauer mussten demnach ein besonderes Interesse gehabt haben, über große Strecken hinweg, solche Steine hier zusammenzutragen. Manche sind überzeugt, dass es sich um ein Wikingergrab handele, möglicherweise das des Wikingerfürsten Der Sonnenkalender von Ales StenarDer Sonnenkalender von Ales StenarAles. Nur hat man bei Grabungen keinerlei Gräber gefunden und nichts, was auf eine Grabstätte hinweisen würde. Ein paar Scherben und Speisereste wurden zwar gefunden, aber aus dem Jahr 400 n.Ch., also etwa 400 Jahre vor der Wikingerzeit. Eine andere Hypothese ist, dass es sich um Gedenksteine für verlorengegangen Schiffe oder Seeleute handele, denen man hier ein Andenken setzte. Manche glauben an einen Gerichtsstand, bei dem jeder Stein einen Ort symbolisiert, für den das Gericht zuständig war. Die derzeit favorisierte Hypothese ist die, dass Ales Stenar 2800 Jahre alt und ein Sonnenkalender ist, weil die Sonne zur Wintersonnwende genau hinter dem hinteren Begrenzungsstein auf und zur Mittsommerwende hinter dem vorderen untergeht. Doch auch diese Theorie beantwortet längst nicht alle offenen Fragen. Eines wird nämlich gerne unterschlagen: Anders als Stonehenge, mit dem Ales Stenar gerne verglichen wird, sah die Anlage nicht immer so aus. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts lagen die Hinkelsteine noch herum wie Kraut und Rüben, umgestürzt und von Sand verweht. Erst 1916 und 1956 wurden die Steine freigelegt und aufgestellt. Welcher Intuition die Restauratoren dabei gefolgt sind, bleibt unbeantwortet. Vielleicht hat ihnen ja nur die Schiffsform gut gefallen, der Anklang an die Wikingerzeit liegt irgendwie nahe, und so ist vielleicht etwas entstanden, was die Fachleute streiten lässt und inzwischen fast 800.000 Touristen jährlich anlockt. Von irgendetwas muss man ja leben, und der Fischfang ist eine mühselige Angelegenheit. Der Chronist glaubt, dass diese Steine eine private Hinkelsteinsammlung von Obelix ist, etwa wie die heimische Elefantensammlung der Reiseleiterin. Immerhin wissen wir, dass Obelix einen Kurzbesuch bei den Wikingern gemacht hat, vielleicht hinterließ er ihnen und uns dabei etwas, das uns noch heute beschäftigt. Oder kann man sich nicht vorstellen, wie Obelix verträumt und beseelt Hinkelsteine zusammenträgt, während sich die anderen mit Heldentaten aufhalten?

Wir stellen den Franz auf einer großen Wiese ab, für deren Benutzung wir 100 SEK, also etwa 10 € zahlen (wer nach 19 Uhr kommt, steht kostenlos) und schlendern dann durch den Ort; kleine Häuser, gepflegte Gärten, Stockrosen bis drei Meter hoch, richtig idyllisch, wenn uns das nicht an die romantischen Fischerhäuser auf Frauenchiemsee erinnern würde, die alljährlich von Zigtausend Besuchern heimgesucht werden, die vor Entzücken durch die Gärtlein stapfen und sich vor Neugier mal eben in den Wohnzimmern umsehen, um nach Hause zu twittern, wie putzig und super retro das hier ist. Wir vermuten, dass auch die Bewohner von Ales Stenar in einer Art Freilichtmuseum leben Die stürmischen Höhen von Ales StenarDie stürmischen Höhen von Ales Stenarund selbst Teil der Ausstellung sind. Hinauf zur Anhöhe wird es immer windiger, bis uns ganz oben ein Wind der Marke Superpfiff um die Ohren streicht. Aber dieser Pfiff ist nicht stark genug, dass uns eine Stimme hinter uns entginge, die uns sehr bekannt vorkommt. Die kennen wir, wir schauen um und werden bestätigt: Günter Grünwald, bayerischer Kabarettist und Komiker mit eigener Fernsehshow (Grünwald Freitagscomedy im Bayerischen Fernsehen) besucht mit Familie den schwedischen Steinbruch von Ales Stenar. Reisen bildet, und das könnte ein tiefes Bedürfnis sein, wenn man sich jede Woche mit den Irrungen bayerischer Politik und des von ihm erzeugten Alltags auseinandersetzen muss. Der Mief muss raus aus dem Kopf und hier oben wird er rückstandslos freigepustet.

Die Lageplan KåsebergaUmrundung der Schiffssetzung selbst hat dann etwas von Kirchenbesichtigung: Man geht rein, läuft einmal im Kreis und geht wieder weg, schaut sich die Pracht aus der Distanz an und wandert weiter. Irgendwie will sich der erwartete Hauch der Geschichte nicht einstellen, obschon das Arrangement aus Hinkelsteinen den schaurigen Charme einer Haikiefers vermittelt, dem allerdings durch eine Vielzahl kunterbunt gekleideter und vielstimmig plappernder Plaque-Monster der nötige Ernst fehlt, um unter die Haut zu gehen. Auch der Grünwald schlendert irgendwie ziellos herum, als ob auch er auf der Suche nach dem inneren Wert des Kunstwerks suchte. Möglicherweise wird er die Eindrücke von Ales Stenar in einer seiner künftigen Sendungen auf den klassisch bayerischen Punkt bringen: Alles Stoana!

Hafen von KåsebergaDer Fischerhafen von KåsebergaWir 0808 kasewood ksteigen steil hinab in den Hafen von Kåseberga und finden, dass es schon richtig ist, hier zu sein, selbst wenn man nicht von einem touristischen Flash gestriket wird. Die versteinerte Zahnreihe pfeift uns noch ein morbides Lied vom Tod hinterher. Der Hafen besteht nur aus wenigen Häusern: Fischerhäuser, Fischverarbeitung, Fischläden und Fischrestaurants. Wir teilen uns einen Shrimpsburger für 95 SEK, der nur deswegen nicht ins Goldene Wucher-Buch des Blues eingeht, weil er so üppig ist, dass man mehr Mühe hat, ihn zu bändigen und zwischen die Lippen zu bekommen, als ihn zu genießen. Dazu kommt ein starker auflandiger Wind, der selbst die 22° C wegfegt und den Kuschelfaktor in diesem Liliput-Hafen stark einschränkt. Uns macht er überdies die Handhabung der dShrimpsburger im Hafen von Kåsebergaringend notwendigen Servietten fast unmöglich.

Um 12:15 Uhr fahren wir weiter nach Skillinge. Die Reiseleiterin will auf diesen Flecken einen Blick werfen, weil einer unserer Reiseführer ihn so vorstellt: 'Dieser kleine Fischerort hat sich große Mühe gegeben: Am Hafen kann man flanieren, gut speisen und parken...'. Also gibt sich auch der Chauffeur große Mühe, um diesen Hafen anzulaufen. Um 12:35 Uhr laufen wir in den Hafen ein und sofort wieder aus. Da ist einfach nichts, was diese Beschreibung rechtfertigt, außer, dass man parken kann.

Nun will die fleischgewordene Wegweisung dem um die Ecke liegenden Glimmingehus einen Besuch abstatten. Die Burg ist eine der besterhaltenen mittelalterlichen Burgen Skandinaviens, erbaut um 1500 herum vom königlich-dänischen Statthalter auf Gotland Jens Holgerson Uffstand, um vor Bauernaufständen zu schützen. Ob es ein Zufall ist, dass Selma Lagerlöfs Nils Holgersson auf seiner Reise mit den Wildgänsen hier eine Rast einlegte? Hat GlimmingehusGlimmingehuser sich hier zur Ruhe gelegt, weil der Erbauer seinen Namen trägt oder ist Nils Nachname dem Erbauer der Burg nachempfunden? Die Burg ist 30 Meter lang, zwölf Meter breit und 26 Meter hoch und vermittelt uns den Eindruck eines unverputzten Kornspeichers. Mittelalter und Ritterromantik stellt sich bei ihrem Anblick nicht ein. Um 12:55 Uhr sind wir da und um 13:05 wieder weg, weil wir einfach keine Lust haben für die Besichtigung dieser Burg 80 SEK pro Person (8,50 €) zu zahlen. Die Reiseleiterin ist mit dem Tangentialbesuch der Burg einverstanden und gibt den neuen Kurs vor: Simrishamn. Hamn ist das schwedische Wort für Hafen, und uns wurde dieser Hafenort empfohlen, weil man in seinem Hafen vorzüglich Fisch essen kann. Man erinnert sich an die seegestützen Kulinarien des Schwedenmarketings und will sie sich nicht entgehen lassen. Um 13:20 Uhr machen wir am Hafen von Simrishamn fest und haben gleich mal alle Hände voll zu tun, dass uns der Sturm nicht die Franzentür aus den Angeln reißt. Wir stemmen uns gegen die Windwand und lassen uns nicht entmutigen, einen kleinen Snack zu nehmen; zu mehr sind wir nach dem Shrimpsburger von Kåseberga nicht bereit. Wir nehmen an einem der reichlich unbesetzten Tische am Hafenbecken Platz und holen uns einen Hering mit Kartoffelbrei und Salat. Mit dem Hering kommen wir noch einigermaßen klar, aber der  Salat ist schon weg, bevor wir ihn auf seine Qualität testen können. Und als uns sogar der Kartoffelbrei von der Gabel fliegt, hat die Gemütlichkeit ein Ende – wir dampfen, nachdem wir noch ein paar Schritte gegangen sind, wieder ab.

Nun haben wir genug vom schonischen Gebläse. Wir beschließen, ins Landesinnere auszuweichen und dort den Pfiff abzuwettern. Die Reiseleiterin weiß auch schon, wohin es gehen soll: Gyllebo-See. Die Beschreibung des lauschigen Stellplatzes an diesem See scheint sie in den Bann gezogen zu haben: abgelegen, Badeplatz mit Sandstrand, Grillplatz – der Inbegriff von Schweden eben.

Reiseroute Ystad – Gyllebo-SeeReiseroute Ystad – Gyllebo-See

Fianna im Gylleb-SeeFianna im Gylleb-SeeUm 14:35 Uhr rollen wir nach knapp 80 Kilometern auf den kleinen Parkplatz des Gyllebo-Sees (Gyllebo sjö) [N 55° 36' 47'' E 014° 12' 6'']. Sonne und Wolken wechseln sich ab, wie schon den ganzen Tag, und leider können wir bei der Windgeschwindigkeit auch keine wesentliche Beruhigung zur Küstenregion feststellen. Natürlich liegen wir hier etwas geschützt unter Bäumen und die Landschaft ist kupiert, aber vom See her pfeift es ordentlich. Der See gehört zu den winzigsten der knapp hundertausend Seen Schwedens und würde wohl kaum erwähnt, wenn es nicht in der Nähe das Gyllebo-Schloss gäbe (das uns aber nicht interessiert). Warum die Navigatorin diesen See für sehenswert betrachtet und ihn sogar als einen Geheimtipp verkauft, obwohl er nur von einem Reiseführer, und auch noch dem fragwürdigsten, erwähnt wird, bleibt ihr Geheimnis. Tatsächlich trifft die Beschreibung bei unserer Ankunft zu: lauschiger See, winziger Parkplatz für Kaffeepause am Gyllebo-Seemaximal vier Womos, Klohäuschen, Strand, Freisitz am Wasser, Grillplatz – alles da. Und wir sind auch da. Trotz des Windes besetzen wir die Sitzgruppe am See und lassen uns bei starkem Wind Kaffee und Kuchen schmecken. Dann ruht der Chauffeur und die Reiseleiterin ist ruhelos; es treibt sie herum, hierhin, dorthin, immer den Troll im Schlepp.

Doch auch der Chauffeur kommt nicht zur Ruhe, weil nun immer mehr Leute aus Nah und Fern ankommen, um ein kühles und stürmisches Bad zu nehmen. Die enge Zufahrtsstraße ist jetzt beidseitig zugeparkt und aus dem lauschigen Plätzchen ist ein lärmendes Plätzchen geworden. Der Ruhelose hat zwar Verständnis für alle, die hier ihren Feierabend genießen wollen, aber nicht, warum er mitten unter ihnen sein muss, als ob es in Schweden nicht ruhigere Plätze geben würde. Bald setzt sich ein Carado aus Neustadt an der Waldnaab (NEW) neben uns, ein Altbayer aus der Oberpfalz also, dem man eine gewisse maulfaule Erdschwere nachsagt. Das ist, wie der sich in der Koje wälzende Chauffeur jetzt weiß, eine Legende. Er gewinnt den Eindruck, dass neben ihm ein Zirkus aufgebaut wird. Mit der Ruhe ist es also Essig; er setzt sich neben das Badevolk auf die Sitzgruppe am See und bestaunt das fahrende Volk aus der Oberpfalz. Vater, Mutter und nach seiner Einschätzung, genau kann er das bis jetzt nicht ermitteln, mutmaßlich drei Kinder, die sich in einer unaufhörlichen Wanderung in ihrem und um ihr Wohnmobil bewegen, dabei keine Sekunde ohne Worte, Widerworte, Fragen, Gegenfragen, Hinterfragen, Anweisungen, Zurückweisungen, Proteste und Drohungen auskommen. Es scheint, als sei das Womo die Königin eines Bienenvolks, um die sich alles unaufhörlich dreht und in Bewegung ist. Mit geradezu fassungslosem Staunen nimmt der zwischen Grant und Faszination hin- und hergerissene Beobachter wahr, dass die Zirkusdirektorin, wie sich noch herausstellen wird, unentwegt und bis in die Nacht hinein Wäsche auf ihren aufgebauten Ständer hängt und wieder abnimmt, neue hängt und wieder abnimmt. Wo, heiliger Lavatikus, hat die denn auf 7,30 Metern bei (mindestens) fünf Personen Besatzung die Waschmaschine untergebracht? Die haben keine Minute gerastet, niemand ist bislang auf die Idee gekommen, mal einen Blick auf den See zu werfen oder gar einen Fuß in ihn zu setzen, was der Chauffeur zwar auch nicht gemacht hat, aber bei Kindern doch eher normal wäre. Und wenn dem Chronisten etwas richtig die Stacheln aufstellt, sind es Nachbarn, die es nicht schaffen, auch nur einmal zu grüßen, Grüß Gott oder Guten Tag zu sagen. Die hier sind so mit sich beschäftigt, dass sie es nicht bemerkt hätten, wenn man sie in einen Luftschutzbunker gesperrt hätte; die hätten weiter verbal randaliert und die Mutter hätte alle Kasematten mit frisch duftender Wäsche ausgekleidet. Muffige Nachbarn sind ein Gräuel. Diesen  Miesnitzen erkennt der Chauffeur die landsmannschaftliche Anerkennung sofort und mit unbefristeter Dauer ab. Man muss nicht gleich auf Verbrüderung machen und so tun, als wäre man aus einem Stock gewachsen, nur weil man nebeneinander steht und aus dem gleichen Bundesland stammt, aber ein Gruß, ein Woher und Wohin, ein kurzer Erfahrungsaustausch, das darf schon sein.

Um 18:00 Uhr setzt sich die Reiseleiterin mit einer Flasche Wein und Fianna zu ihm, möglicherweise, um ihn zu besänftigen und eine kleine Unwucht in der Reiseplanung einzugestehen. Aber der Chauffeur ist bockig, weil er nicht einsehen kann, warum man bis hierher 1300 km fahren muss, um das Erlebnis eines oberpfälzer Stammtisches zu haben. Er teilt dennoch den Wein mit ihr und dem Sturm, der ihm die Haare noch zusätzlich zu Berge treibt, und beschließt den See, der nichts dafür kann, als Gülle-Po in seiner Chronik zu führen.

Der Aktivistin des Blues ist noch nicht nach Feierabend, vor allem dann nicht, wenn andere arbeiten sollen. Sie befindet, dass Fianna noch etwas Geistesinduktion bräuchte und eine knackige Fährte ihr guttun würde. Und so geschieht es. Fianna sucht um halb acht eine richtig stramme Fährte auf schwerem, ausgelaugtem Gelände, immer über die Kuppen der Landschaft um den See, und das alles bei zapfigem Sturm. Und wie sie das macht bläst sogar dem Mitläufer das Hirn frei und lässt ihn völlig gelassen zur Kenntnis nehmen, dass sich während ihrer Abwesenheit auf ihre andere Seite noch ein Kölner VW-Bus mit drei Kindern platziert hat, dessen Insassen auch die Sprache verloren zu haben scheinen. Und das bei Rheinländern! Die Gelassenheit nach dieser Demonstration von Fianna und das Glück in den Augen der Leinenführerin lässt ihn die neue Lage zur Kenntnis nehmen und nur mal kurz unter die eigenen Achseln schnuppern, ob er es vielleicht ist, der möglicherweise wegen eines strengen Geruchs die Nachbarschaft auf Distanz hält, schließlich war die Morgentoilette nicht von der Deluxe-Sorte, sondern aus der Abteilung Holzklasse. Aber das ist es nicht, sein Odeur ist unanstößig und die Auswahl der Nachbarn einem ungnädigen Schicksal geschuldet.

Noch kommt keine Muße in den Franz, weil jetzt noch überbackene Zucchini kurzfristig auf den Programmzettel kommen. Für solche Gerichte haben wir uns ein OMNIA-Kochgeschirr angeschafft, eine Art Gugelhupfform aus Alu und mit Deckel. Auf wundersame Weise kann man mit diesem Zaubergerät Überbackenes herstellen, wenn man keinen Backofen hat, was für die meisten Wohnmobilisten zutreffen dürfte. OMNIA erweitert ab sofort und heute unseren Speiseplan um Aufläufe, überbackene Nudeln oder Frühstückssemmeln, eben alles, was sonst in einen Backofen muss. Heute sind es Zucchini mit Hackfleischfüllung, die der OMNIA-Followerin so gut gelingen, dass auch der Gourmet ein in die Welt schicken muss.

Um 23 Uhr verschwinden wir in den Kojen, die Oberpfälzer huschen immer noch ums Mobil, der Sturm lebt auch noch, nur die Rheinländer verhalten sich konsequent still. Die Nacht sinkt auf den Gülle-Po. Und die Zucchini zwingen den Chauffeur, um drei Uhr, mit Stirnlampe und chill wind round the feet das Dixi-Klo zu konsultieren, weil die Chefin, zuständig für die Entsorgung der Fäkalienanlage, feste Rückstände nicht sehr schätzt. Und wenn eine Außenbord-Latrine verfügbar ist, hält sich der Chauffeur an ihren Wunsch, was ihm am nächsten Morgen eine zärtliche Geste und ein 'Das wäre doch nicht nötig gewesen' einträgt. Und ob das nötig war!

 

Gyllebo-See – Karlskrona (Dragsö-Camping), Dienstag, 9. August

Morgenstimmung am Gyllebo-SeeMorgenstimmung am Gyllebo-SeeUm 7:15 Uhr stapft die Rastlose mit Fianna und Kaffee zum See hinüber. Morgenandacht einer, die die ganze Last einer Reise auf ihren Schultern weiß, während der dumbe Chauffeur, frei aller Verantwortung, noch eine halbe Stunde länger schläft, ehe auch er sich zu seinen Frauen begibt, was er beinahe schon wieder bereut, weil der immer noch markante Wind die gemessenen 14° C auf gefühlte 10° runter kühlt. Aber der Himmel lächelt freundlich dazu, sodass er sich entschließt den beiden noch ein bisschen Gesellschaft zu leisten. Um halb neun Uhr entfesselt die Morgenanbeterin ihr Fahrrad am Franzenheck und verschwindet mit Fianna für eine halbe Stunde. Der Verlassene schneidet derweil Obst für ein Müsli zusammen und bringt den Franz in Schwung. Die rheinischen Kinder nebenan heulen dabei ohne Unterlass und die Oberpfälzer schwirren und sirren schon wieder um ihr Mobil. Weil der Obstzerkleinerer sein Werk am Tisch im FrFianna am Gyllebo-Seeeien verrichtet, fällt ihm jetzt zweierlei auf: Der altbairische Wortführer von nebenan ist gar kein Oberpfälzer, wie sein Sprachidiom nun verrät, was gestern in der Dauerkakophonie völlig untergegangen war. Er ist Schriftdeutscher mit undefinierbaren Lauteinschlüssen. Und außerdem grüßt er nicht nur nicht, sondern dreht sich aktiv weg, um nicht grüßen zu müssen. So etwas nennt der Chauffeur einen preußischen Schläfer im bayerischen Schafspelz.

Um 9:15 Uhr versammeln wir uns bei einem Müslifrühstück im Franz und um 9:50 Uhr macht sich der Schläfer von der Waldnaab aus dem Staub. Jetzt jaulen nur noch die rheinischen Kinder, was uns auch nicht mehr aus der Ruhe bringt, weil auch wir um halb zehn den Gülle-Po verlassen. Der Chauffeur ist aufgekratzt wie selten und weint dem Tümpel keine Träne hinterher, was nicht heißen soll, dass der See an anderen Tagen, bei anderem Wetter und anderen Gästen ein touristisches Kleinod sein kann.

(Anmerkung der Chefin: Sie fand es traumhaft schön dort.)

Um 11 Uhr sind wir in Kivik; die Wegweiserin ist auf dem Steinzeittrip. Nach dem schwedischen Stonehenge gestern will sie nun einem längst vergessenen und unbekannten nordischen König DAs Königsgrab von KivikDas Königsgrab von Kivikaus der Zeit von 1000 v.Ch. ihre Aufwartung machen. Das Königsgrab (schwed.: Kungagraven) liegt wie eine überdimensionale Schildkröte in der Gegend, 75 m im Durchmesser, errichtet aus Rundsteinen im Format zwischen Bowling- und Kanonenkugeln. Ursprünglich dürfte es an die zwölf Meter hoch gewesen sein, nun aber erhebt es sich nur noch wie ein flaches Schild aus der Landschaft, auch weil das Grab über Jahrhunderte als Steinbruch und nützlicher Baumateriallieferant genutzt wurde.  Bei diesen Abbrucharbeiten entdeckten Bauern 1748 eine 3,20 m lange Grabkammer und schaufelten sie aus, weil sie glaubten, auf einen Schatz gestoßen zu sein. Später entdeckte man auf den Steinplatten, die die Grabkammer umfassten, Felszeichnungen, aber die Abbrucharbeiten am Grab wurden munter fortgesetzt. Heute weiß man, dass das Grab zwei Kammern enthält, alles wurde restauriert, aber ob es nun in einem zumindest dem Original ähnlichen Zustand ist, weiß niemand.

Nun sind wir also da [N 55° 41' 1'' E 014° 13' 59''] und ganz alleine, was ja auch mal schön ist, aber irgendwie wirkt die Anlage etwa stiefmütterlich behandelt. Wolken ziehen über die letzte Ruhestätte des Alten, der Wind pfeift um die Ecken und der Eintritt in das Heiligtum kostet 25 SEK/p. (ein Reiseführer pries freien Eintritt an, was auf unberechtigten Zutritt oder einen Besuch kurz nach der Aufschüttung des Denkmals schließen lässt). Wir sind etwas unschlüssig, ob wir für einen Kurzbesuch von wenigen Minuten 2,60 € bezahlen wollen, was unser Reisebudget nicht in die Knie gezwungen hätte, aber angesichts eines Steinhaufens, einer nach der Restaurierung teilweise betonierten Grabkammer und Felsenzeichnungen, die wir uns an anderer Stelle zu einem späteren Zeitpunkt unserer Reise auf dem Programm stehen haben, erscheint uns der Reiz einer näheren Bekanntschaft nicht sehr hoch. Wir schwanken und werden aus unserer Unentschlossenheit gerettet, als wir sehen, dass das Kassenhäuschen geschlossen ist. Wir müssen uns also keine Vorwürfe machen, Kulturbanausen zu sein und dampfen erleichtert weiter.

Da wir nicht zu den Leuten gehören, die ihre Reise detailliert planen, die zu deren Beginn schon wissen, wo sie am 15. Tag nachmittags um 16 Uhr sind – solche gibt's tatsächlich –, sondern unsere Fahrt im großen Bogen skizzieren und dann der Intuition ihren freien Lauf lassen, legen wir nun eine kurze Planungsrunde ein und setzen um 11:30 Uhr die Segel mit Ziel Karlskrona.

Ansicht von Karlskrona und Dragsö-CampingAuf unserem Weg vorbei an Kristianstad, Karlshamn und Ronneby haben wir die Provinz Skåne verlassen und durchqueren nun die kleinste schwedische Provinz Blekinge mit wenig über 3.000 km2 und 156.500 Einwohnern (Vergleich Skåne: 11.300 km2 und 1,3 Mio.) am äußersten Südostzipfel Schwedens. Karlskrona ist die Provinzhauptstadt von Blekinge.

Von Norden kommend schwingt man nach Süden in Richtung Karlskrona. Auf der Hauptinsel lassen wir den Stadtkern links liegen und umfahren die Borgmastare Bay in einem Dreiviertelkreis rechts herum, zuerst westwärts hinüber auf die Insel Saltö und dann wieder nach Norden auf die Insel Dragsö, die fast ausschließlich aus einem Campinglatz besteht – Dragsö Camping. Um 13:45 Uhr sind wir nach 178 km an unserm Tagesziel angekommen [N 56° 11' 56'' E 015° 31' 60'']. Der Himmel ist überwiegend blau, zieht sich aber gelegentlich ein paar Schleierwolken über. Mit 19° C ist es angenehm warm, aber auch etwas windig.

Reiseroute Gyllebo-See – KarlskronaReiseroute Gyllebo-See – Karlskrona

Die Lage Karlskronas in einem Archipel beschert dem Reisenden nach jeder Biegung neu Ansichten und Ausblicke, und schon der erste Eindruck bestätigt, was man hört: Karlskrona ist eine Perle, die auf 30 Inseln gebaut ist, UNESCO Welterbestadt seit 1998 und die sonnigste Stadt Schwedens. Zumindest das letzte Prädikat können wir spontan bestätigen, was nach den vergangenen Tagen auch nicht allzu schwer ist.

Nachdem wir uns eingerichtet haben, macht die Chefin um 15:30 Uhr einen kleinen Inselrundgang, damit sich die kleine Schwarze die Beine vertreten und den Triebstau aus den Kleidern toben kann. Um 16 Uhr schnallen wir dann die Räder ab und strampeln in die City, hinauf und hinunter und vor allem hinüber über die Brücken, immer neue Ausblicke und immer die Kamera im Griff: Keine Frage, die Stadt hat etwas, das auch den Chauffeur zum Schweden-Repräsentanten machen könnte. Wir stellen die Fahrräder ab und machen uns zu Fuß auf Visite.

Ansicht von KarlskronaKarlAnsicht von Karlskronaskrona wurde 1679 von König Karl XI und Hans Wachtmeister, einem schwedischen Admiral und Feldherrn, als neuer Flottenstützpunkt von Schweden gegründet und wird allgemein als Barockstadt bezeichnet, was uns nicht so sehr auffällt, weil die Baustile doch sehr gemischt wirken. Aber ihren Status als wichtiger Marinehafen hat Karlskrona erhalten, obwohl von den einst 10.000 in Werft und Hafen Beschäftigten heute nur noch 700 geblieben sind. Dennoch ist der Marinehafen der wichtigste Arbeitgeber.

Karlskrona lässt sich bequem zu Fuß besichtigen, sie ist mit 36.500 Einwohnern eher eine Kleinstadt, aber sehr großzügig angelegt, schöne Plätze, breite Straßen, und wer sich hier verirrt, sollte besser seinen eigenen Garten nicht verlassen. Und an diesem Dienstag ist auch nicht viel los, man hat Platz und Raum und Zeit, sich in aller Ruhe umzusehen. Über allem liegt ein klares Licht bei weiß-blauem Himmel, was diesen Spaziergang wirklich zu einem von denen macht, die wir gerne in Erinnerung behalten werden und dazu beiträgt, dass wir definitiv noch einen weiteren Tag bleiben werden, um mindestens Ansicht von Karlskronanoch Stortorget – Der Hauptmarkt von KarlskronaStortorget – Der Hauptmarkt von Karlskronadas Marinemuseum zu besuchen und eventuell eine Fahrt durch die Schären zu machen, aber das machen wir vom Wetter abhängig.

Doch irgendetwas fehlt dieser Stadt. Es dauert eine geraume Zeit, bis wir den Mangel identifizieren können: Es fehlt eine Infrastruktur, die wir von zu Hause kennen. Es gibt keinen Metzgerladen, nicht einen einzigen haben wir gesehen. Auch Bäcker haben wir nur sehr sporadisch angetroffen. Cafés gibt es natürlich, in denen man geradezu unverschämt leckere Schweinereien bekommt, aber der schlichte Bäcker, wie wir ihn kennen – eher Fehlanzeige. Die vielen sehr unterschiedlichen kleinen Ladengeschäfte, wie sie bei uns noch häufig zu finden sind, machen sich auch sehr rar. Dafür gibt es natürlich alle Discounter und Ketten, auf die die Welt glaubt, nicht verzichten zu können. Zudem bestätigt sich der Eindruck einer sehr reduzierten Gastronomie, den wir Die Fredrikskirche in KarlskronaDie Fredrikskirche in KarlskronascNils HolgerssonNils Holgerssonhon in Ystad gewonnen haben, dort aber wegen des doch sehr kurzen Rundgangs nicht als landestypisch begriffen haben. Einige ausgesprochen teure, aber sicher qualitativ hochwertige Restaurants, doch sonst nur Imbiss, Pizza- und Dönerbuden, Thais und Pubs. Eine Kneipe oder ein einfaches Restaurant, wie wir sie kennen, ist uns nicht zu Gesicht gekommen. Wahrscheinlich gibt es welche, dort wo der Tourist nur selten vorbeikommt, aber so groß ist Karlskrona nicht, dass man bei einem Rundgang nicht auch die äußeren Zonen streifen würde.

Macht nichts, wir kommen auch ohne Mittelklasse-Restaurant zurecht, zum Beispiel bei einem exorbitanten Eis auf die Faust aus der Eisdiele Glassiären Schwedens bestes Eisam  Stortorget, dem Hauptplatz der Stadt. Wir schließen uns der Meinung derer an, die behaupten, dieses Eis sei nicht nur das beste Karlskronas, sondern ganz Schwedens (was es erst zu testen gilt). Man muss für diese Leckerei schon mal zehn Minuten draußen anstehen, sogar an einem Dienstag, wenn eigentlich in der Stadt kaum Betrieb ist. Aber wir würden uns auch noch länger anstellen.

Gegen 19 Uhr sind wir wieder beim Franz und seiner Hüterin, die wir zurückließen, weil Stadtrundgänge nur eine begrenzten Charme für Hunde haben. Wir setzen uns ins helle Licht, genießen einen Welcome-Drink in Gestalt eines Campari-Orange und gehen dann langsam zu einer bayerischen Brotzeit über, Mitbringsel von zu Hause, die ja bekanntlich auch kein ewiges Leben haben.

AbendstimmungBlue moodUm Der defekte LaptopBlue mood20:30 Uhr machen wir mit Fianna einen Abendspaziergang um die Insel, besuchen alle Ableger dieses auf die ganze Insel verstreuten Campingplatzes, plantschen ein bisschen in den plappernden Wellen der Nordsee und sind gegen 21:30 Uhr wieder zurück. Und dann geschieht das Undenkbare: Der Laptop der Reiseleiterin liefert beim Hochfahren nur einen Blue-Screen, kein Leben mehr in ihm. GAU! Alle in der Branche bekannten Wiedererweckungsversuche scheitern, der Screen bleibt blue. Der Chauffeur hat daraufhin alle Hände voll zu tun, dass die Reiseleiterin nicht auch noch blau wird. Trotz iPad: Ein lebloser Laptop ist der Todesstoß für die Computeuse. Der Restabend bleibt deshalb etwas stumm, es werden einige Abendroutinen verrichten, und um 22:30 Uhr ziehen wir die Vorhänge zu. Von blauer Stunde kann man jetzt auch nicht mehr sprechen, bestenfalls von blue mood.

 

Karlskrona, Mittwoch, 10. August

Der Morgen hat mit dem abgestorbenen Laptop etwas gemein: Er ist blitzblau.

Um 8 Uhr ist die Nacht vorüber und der Chauffeur beschließt, die Duschen zu testen. Auf dem Weg zur Dusche besichtigt er im Vorübergehen den Minigolfplatz, der eher eine Geisterbahn ist, auf dem schon morgens die ersten Familien mit Kinder die Schläger schwingen. Das ist kein Minigolf, wie wir es kennen, sondern ein Erlebnisparcours, der den ganzen Tag belagert ist. Es scheint kein Zweifel zu sein, was wir später immer wieder bestätigt bekommen: Schweden sind begeisterte Minigolfer und es gibt kaum einen Campingplatz ohne Minigolf.

Es wäre unseriös, auch die Duschen als Geisterbahn zu bezeichnen, aber ein bisschen Fin de Siècle muss man ihnen schon nachsagen. Sie sind eben im Wortsinn etwas verstaubt und der Zahn der Zeit hat ihnen zugesetzt, etwa wenn die Halterungen von Duschköpfen abgebrochen sind. Fairerweise muss man aber einräumen, dass in Schweden um diese Jahreszeit schon langsam das Saisonende naht und ein so starker Besucherstrom, wie auf diesem Campingplatz, zwangsläufig Opfer kostet, deren späte Schäden man gerne nach der Saison behebt. Was den Körperpfleger aus Bayern aber immer missmutig stimmt, sind Duschgebühren. 5 SEK (0,50 €) für drei Minuten klingt nicht nach Wucher, wer aber mal zu Hause mitstoppt, wie lange eine durchschnittliche Dusche dauert, wird schnell merken, dass sich das ordentlich läppert. Da der Chauffeur das Duschen als eine Art Menschenrecht begreift und es in anderen Ländern auch ohne Pfennigfuchserei geht, entscheidet er sich den Wohlfühlaspekt aus Protest zu verweigern und sich einer 5-SEK-Speed-Dusche zu unterziehen. Da staunt die Reiseleiterin nicht schlecht, als schon nach Die Liebesschlösser von DragsöDie Liebesschlösserwenigen Minuten ein frisch duftender Kapitän an Bord geht. Er wiederum ist überzeugt, dass sich die Schwäbin in diesem Fall nicht an die Haushaltsdisziplin halten wird, sondern die wohlige Wärme bis zum Finanzcrash genießen wird.

Der Schnullerbaum von DragsöDer SchnullerbaumUm 8:45 Uhr gehen wir mit Fianna los, um die ganze Campinginsel zu inspizieren. Der größte Teil von Dragsö ist Wald, zum Teil richtiger Märchenwald, und um ihn herum tauchen immer wieder kleine Campinglichtungen auf. Das hat Charme, der dadurch gesteigert wird, das die Touristen den Wald zu ihrem machen und ihn mit ihren Ideen bereichern, etwa einen Baum zum Schnullerbaum umdekorieren oder eine Schlösserskulptur, die, wie anderswo Brücken, Hunderte von geschlossenen Liebeschwüren trägt, auf einem Uferfelsen errichten. Dieser Morgenspaziergang ist wie ein Vademecum unter blitzblauem Himmel bei 17° C. Die dazugehörige Frische steuert ein halbstarker Seewind bei.

Frühstück ist gegen 10 Uhr, draußen vor der Tür, begleitet von fröhlichen Spatzen und außerordentlich fixen Dohlen. Alle bekommen etwas ab und sind enttäuscht, als wir den Tisch abräumen.

Die Wittus am FisktorgetUnser KreuzfahrtschiffUm Heike in der Hafenmündung11 Uhr marschieren wir Drei über die Insel Saltö hinüber auf die Hauptinsel Trossö zum Fisketorget (Fischmarkt), wo am Südende der Borgmastare Bay, nicht nur Segelschiffe und Fischkutter liegen, sondern auch die Fähren auf ihre Passiere warten, welche die Schären anfahren. 30 Minuten brauchen wir zum Fisketorget, wo wir uns ein Ticket für eine dreistündige Tour durchs Archipel für zweimal 160 SEK kaufen, Fianna kostet nix. Punkt 12 Uhr legt die "Wittus" ab. Wir sitzen wie immer auf dem Oberdeck, die wind- und wasserfeste Lounge unter Deck ist etwas für Warmduscher, Fianna richtet sich zu unseren Füßen häuslich ein. Kaum haben wir die Bay und die Zufahrt verlassen, ahnen wir, was in den nächsten drei Stunden auf uns wartet: Wind, viel Wind und reichlich Wasser. Der Wind hier draußen fegt ziemlich frisch daher, das Schiff ist kein Trödeldampfer, sondern ein offizielles Fährschiff, das seinen Fahrplan einzuhalten hat, und gibt ordentlich Gas. Die Mischung aus Wind und Speed treibt Kaskaden von Spritzwasserwolken übers Deck, dass wir die Hälse wie Schildkröten in die Jacken ziehen. Fianna schaut nur gelegentlich etwas indigniert, wenn ihr eine Woge zu ruppig erscheint. Dann träumt sie weiter.

Fianna auf der SchärenkreuzfahrtRussisches U-Boot gesichtet?Die In den Schären von KarlskronaIn den Schären von KarlskronaFahrt durch das Archipel ist ein Genuss für alle, die Wasser lieben und das Land, das nur aus diesem Wasser geboren werden konnte. Wenn man durch dieses Gewirr von Inseln und Felsen fährt, ahnt man, dass dieses Gebiet feindliche Schnüffler förmlich anzieht, weshalb es nicht erstaunt, dass vor allem ehemals sowjetische U-Boote hier gerne auf Schleichfahrt waren. Der berühmteste Vorfall geht zurück auf den Oktober 1981, als ein schwedischer Fischer in den östlichen Schären das gestrandete sowjetische Tauchboot U-363 entdeckte. Um schwerwiegende internationale Verwicklungen zu vermeiden, gab die schwedische Regierung das Boot nach Tagen frei. Obwohl dieser Vorfall längst nicht der erste seiner Art war, markierte er den Startpunkt für eine Vielzahl von Vorfällen bis in die Gegenwart. Der letzte bekannte stammt aus dem Jahr 2014, als eindeutige russische Funksignale aus dem Schärengarten identifiziert wurden. Die genauen Umstände blieben, wie in vielen anderen Fällen, mysteriös und ungeklärt. Das Interesse ausländischer Mächte am Marinehafen Karlskrona ist aus deren Sicht nachvollziehbar – und uns lässt es besonders scharf zwischen das Inselgewirr blicken, ob nicht auch wir ein Periskop durch die kabbeligen Wellen schleichen sehen. Allerdings: Die  hauptamtliche Schnüffelnase schlummert zu Hautenge HafeneinfahrtenHautenge Hafeneinfahrtenunseren Füßen, und dieser Schärengarten ist nicht ihr Garten und somit hat sie Freiwache. Dabei wäre es doch eine durch nichts zu toppende Schlagzeile: Bairischer Suchhund bringt russisches U-Boot zur Strecke. Für eine solche Schlagzeile muss man sich dann Der Militärhafen KarlskronaDer Militärhafen Karlskronaeben selber ins Zeug legen, wenn das Personal versagt. Und hunderttausend Likes in den unsozialen Netzwerken! Dafür lohnt es, sich die Augen aus den Höhlen zu starren. Aber nichts, nichts außer Felsen, Wellen, Wasser und Wind. Mit der Gewissheit, dass uns vermutlich kein russischer Kaleu den Gefallen tun wird, uns seine mangelnde Seemannschaft zu demonstrieren, konzentrieren wir uns mehr auf das Wasser und das Land, das an uns vorüberzieht, aber vor allem auf die Seemannschaft unseres Kapitäns. Mehr als einmal stehen wir fasziniert und mit heißem Herzen an der Reling und bewundern, wie dieser Schiffer bei markigem Seegang, Wind und Strömung durch eine Hafeneinfahrt bugsiert, die ihm back- und steuerbords nicht viel mehr als 50 Zentimeter Spiel lässt. Und nach dem Stopp wendet er sein Schiff bei ebensolchen Bedingungen in einem Hafenbecken, so groß wie ein Handwaschbecken, auf dem Teller. Das ist auch dann eine großartigen seemännische Leistung, wenn man alle Technik wie Bugstrahlruder und anderen Schnickschnack zur Verfügung hat. Die Technik ist in solchen Fällen genau so gut und hilfreich wie das zarte Händchen dessen, der sie bedient. Da laufen dem bayerischen Seebären Schauer vor Begeisterung über den Rücken. Schon dieses Erlebnis macht die Fahrt zum Ereignis. Doch auch, wenn man dafür keine Ader hat und die Die Fahrt durch das Archipel von KarlskronaDie Fahrt durch das Archipel von KarlskronaWetterbedingungen solche Aspekte gar nicht erst aufkommen lassen, sollte sich niemand diese drei Stunden durchs Archipel entgehen lassen.

Als wir um 15:15 Uhr wieder am Fisktorget festmachen haben wir geschlagene 75 Kilometer durch die Schären hinter uns – und könnten gleich wieder los, ehrlicherweise aber nur, wenn das Wetter ein bisschen kreuzfahrttauglicher wäre. Die von Muttern ererbte Haarpracht des Chauffeurs klebt wie eine Haube aus Salzteig auf seinem Kopf; im Mittelalter hätte man ihn jetzt dafür benutzt, mit seinem Schädel ein Burgtor einzurammen.

Jetzt haben wir noch zwei unaufschiebbare Dinge zu erledigen: Wir brauchen Süßes für den Nachmittagskaffee und einen Computerladen für den Blue-Screen der Reiseleiterin. Den Computerladen finden wir nur wenige Schritte vom Stortorget entfernt. Die Chefin breitet ihr Problem aus und bekommt für morgen einen Termin. Für den Kaffee besorgen wir uns ein paar der berühmten schwedischen Zimtschnecken und noch ein wenig Beiwerk. In der Frischhalle, die auf dem Nachhauseweg, auf der Insel Saltö, liegt, nehmen wir noch Fisch und Meeresfrüchte für den Abend mit (290 SEK). Um 16:45 Uhr sind wir wieder beim Franz II.

Nun werden die Zimtschnecken ihrer Bestimmung zugeführt, was beim süßen Chauffeur ein inneres Licht zum Leuchten bringt, das jedoch schnell wieder erlischt, als er wegen der Salzteighaube noch ein zweites Mal an diesem Tag unter die Drei-Minuten-Fünf-Kronen-Dusche muss.

Ein Hoch auf einen perfekten TagEin Hoch auf einen perfekten TagUm 19 Uhr versammeln wir uns vor dem Zweier-Franz und um den Grill, auf dem Zanderfilets, Shrimpsspieße und Crevetes roses brutzeln, und darauf warten, mit Aioli, Kartoffeln und Salat die Energiespeicher der Reisegruppe zu füllen. Denn langsam wird es kühl draußen, da muss von innen nachgeheizt werden.

Wir bleiben vor dem Franz sitzen, bis uns die übliche Nachtbrise und 13° C gegen halb elf hinein treiben. Um 23 Uhr machen wir das Licht aus. Der Chauffeur träumt noch ein wenig hinter Hafeneinfahrten her, deren schrammenfreie Beherrschung eines Schuhlöffels bedurft hätten, schwelgt ein wenig in U-Boot-Romantik und Balalaika-Geklimper und scheitert schließlich an der Lösung des Rätsels, warum die weidenschlanken, manchmal komunionskerzenartigen, schwedischen Frauen so braungebrannt sind? Allesamt russische Spioninnen, die ihren Urlaub auf der Krim verbrachten und anschließend wieder submarin eingeschleust wurden? Schwedische Frauen sind, so will's der internationale Brauch, groß, geschmeidig, vornehm-blass und blond, aber niemals nicht nougatfarben. Wer hätte denn schon mal braune Arier gesehen? ... Andererseits: Die richtigen Arier sollen ureigentlich aus dem indoiranischen Raum stammen und waren ganz sicher nicht blond und bleich. Wer knüpft nur all die Knoten in die Schöpfung? Wem ist das freie Haar zu frei, dass man es zöpfen muss? Im Halbschlafdämmer treiben vor den Hafeneinfahrten der unverbrüchlichen Gewissheiten Seeminen wie faule Eier und schärfen den Blick für die Gewissheit, dass das, was faul ist, stinkt und aufschwimmt. Das Unverdorbene treibt schwer am Grund. Deckel drauf...

 

Karlskrona, Donnerstag, 11. August

Morgens auf DragsöMorgens auf DragsöKurz vor acht stapft die Reiseleiterin mit ihrer vierbeinigen Vertrauten hinaus in die Sonne von Dragsö und lässt den Chauffeur mit den niederen Tätigkeiten zurück: Franz ins Reine bringen und Frühstück bereiten.

Das Frühstück im Freien ist dann die ungetrübte Urlaubsfreude: ein Himmel wie geschmolzener Lapislazuli, 14° C und kein Lüftchen. Die Spatzen und Dohlen leisten uns auch wieder Gesellschaft, was uns allerdings nicht abgeht, aber soeben auffällt, ist, dass wir bei unserem gesamten Schwedenaufenthalt noch von keiner Wespe, jenen allzeit gegenwärtigen Spaßbremsen, belästigt wurden. Da lässt sich der Tag gleich noch schöner an.

Die Computer-Docs von KarlskronaDie Computer-Docs von KarlskronaUm 10:30 Uhr packen wir Fianna in den Franz und fahren mit den Rädern wieder zum Stortorget und dem Computerladen, der den klangvollen Namen Datoraffären trägt. Die bekümmerte Computeramputierte gibt ihren blauangelaufenen Liebling ab und legt ihn den Dator-Doktoren mit der inständigen Bitte ans Wikingerherz, nichts unversucht zu lassen, das ihn wieder zum Leben erwecken könnte. Koste es, was es wolle. Die Datoren versprechen, ihr Bestes zu geben und nichts unversucht zu lassen. Sobald sie klarsähen, würden sie anrufen. Offenbar machen die Datoren einen so willig-kompetenten Eindruck, dass wir nun mit einem geweiteten Reiseleiterinnenherz und guter Dinge zum Marinemuseum radeln können.

VU-Boot U-Boot "HMS Neptun" und Wasserbombeon Datoraffären sind es nur rund 500 Meter zur kleinen, vorgelagerten Insel Stumholmen, die das Marinemuseum beherbergt. Man könnte einen Kommentar zu diesem Museum aufs Nötigste beschränken: Ein Muss für jeden, der der christlichen und leider auch unchristlichen Seefahrt nahesteht. Und wer den Schiffen und dem Meer nicht übermäßig viel abfinden kann, sollte es trotzdem nicht links liegen lassen. Mehr bräuchte es nicht, um jedem das Marinemuseum ans Herz zu legen.

Vollschiff Auf der "Jarramas"Das Museum ist hervorragend gestaltet und bietet einen breiten Überblick über die gesamte Seefahrt, beginnend mit alten Holzschiffen bis hin zu der gesamten Entwicklung von U-Boote, die man zum Teil natürlich auch besichtigen und die Beklemmung spüren kann, welche die Mannschaften in diesen Angströhren erfassen muss. Wer will, kann sich an traditionellen Navigationsmethoden versuchen, etwa die mit dem Jakobsstab, die der seebärige Chauffeur nicht unversucht lassen kann und mit dem Ergebnis der Reiseleiterin sogar Hochachtung aNavigieren mit dem JakobsstabNavigieren mit dem Jakobsstabbtrotzt. Immerhin hätte er das Reiseziel mit diesem frühen Vorgänger des Sextanten nur unwesentlich verfehlt. Für unsere Schwedenreise setzen wir dennoch weiter auf die Hilfe unseres Garmins. Bis nach 13 Uhr können wir uns kaum sattsehen, allerdings nachhaltig platt gehen; es ist der Fluch der besten Museen, dass sie in aller Regel mehr bieten als die in die Tage gekommenen Knochen ertragen können. Immerhin reicht es noch, um einen schweren Wolkenbruch zwischen einer riesigen Sammlung von Gallionsfiguren abzuwettern. Die Erschlaffung der Beine macht der Schwäbin vor allem deswegen zu schaffen, weil der Eintritt in dieses großartige Museum frei ist, was dem Schwaben eine Nutzung von der Öffnung bis zur Schließung zwingend vorschreibt. So aber verlassen wir das Marinemuseum von Karlskrone bis über den Scheitel mit Eindrücken beladen um kurz nach 13 Uhr.

Auf dem Heimweg zum Franz und seiner Wachhabenden machen wir noch einen Stopp beim Bäcker und dem Hemköp (Supermarkt) und sind um Viertel nach zwei wieder zurück. Gerade als wir uns bei windigen und weiß-blauen 18° C mit Kaffee und süßen Stückchen vor dem Zweier-Franz niedergelassen haben, treibt uns der nächste schwarze Wolkenbalg mit seiner Inkontinenz der ganz unfreundlichen Art wieder hinein.

Computer repariert... Dotoraffären sei DankUm 15:23 Uhr nimmt dann das gütige Schicksal mit Datoraffären am Handy der Reiseleiterin seinen freundlichen Lauf: Problem identifiziert, Fehler gefixt, Blue-Screen wieder ein Coloured Screen, der Unverzichtbare schnurrt wieder und wartet sehnsüchtig auf seine Heimführung. Bereits um 15:28 Uhr sieht der Chauffeur seine Reiseleiterin grußlos auf dem Fahrrad Richtung Saltö und Trossö verschwinden. Und um 16:10 Uhr parkt sie schon wieder vor dem Franz mit strahlendem Charme und dem chinesischen Lenovo im Rucksack. Jetzt hat der Chauffeur Gelegenheit, sich für die ihm am Jakobsstab entgegengebrachte Hochachtung zu revanchieren (und sucht mit den Augen klammheimlich das Fahrrad nach einem Hilfsmotor ab).

Der SaxtrollDer Sax-TrollUm 18 Uhr führen wir Fianna durch den Trollwald von Dragsö. Den aus allen Unterständen, Lichtungen und Baumstümpfen heraus grüßenden Trollen schenkt sie jedoch keine Beachtung; so etwas kennt sie vom Mangfalltal, wo die Trolle Fliegenfischer oder Pilzesammler heißen und um ein Vielfaches größer sind. Und einen Saxophonisten hat sie selber zu Hause, der im Gegensatz zu diesem Waldtroll auch noch Töne macht, was ihr den stummen Dragsö-Sax-Troll eher als Segen erscheinen lässt, denn als Bedrohung aus dem Unterholz.

Unser Abendessen besteht heute aus Ratatouille mit Hackfleisch, im Omnia überbacken. Elegante und schmackhafte Sache, dieser Omnia.

Um Abendstimmung auf DragsöAbendstimmung auf Dragsö20:30 Uhr gehen wir dann hinüber zur Westseite von Dragsö, um im Sonnenuntergang den Tag ausklingen zu lassen und ein paar Schnappschüsse mit nach Hause zu nehmen. Das stellt sich dann allerdings als nicht ganz einfaches Unterfangen heraus, weil uns ständig besoffene Schweden vors Objektiv trampeln, die ihren Sonnengott mit Schnapsfahnen ins Bett schicken. Auch eine Erfahrung, in der ein Klischee zur Realität wird: Schweden können sich Alkohol kaum leisten, sind aber ständig besoffen. Nun ja, nicht ständig, aber mindestens so häufig, wie schwedische Frauen blond und bleich sind.

Als wir um 21 Uhr wieder beim Womo sind, wird ein bislang auf ganzer Linie widerlegtes Schwedenklischee bestätigt: eine Stechmücke im Franz! Die erste, wo doch schwedische Wolken nicht aus Wasserdampf, sondern aus Stechmücken gemacht sein sollen. Uns soll es sehr recht sein, wenn wir dieses Klischee nicht bestätigt bekommen. Dieses Exemplar bekommt dennoch kein Aufenthaltsrecht, sondern, was es verdient: den Tod.

 

 Karlskrona – Furuby (Badeplatz Åryd-See), Freitag, 12. August

Abschied von KarlskronaAbschied von KarlskronaUm 7:30 Uhr ist es wolkenlos und windstill bei 15° C. Da wir heute Karlskrona verlassen wollen, dem wir wegen der Datoraffären einen Tag länger als geplant die Aufwartung machten, spulen wir die Morgenroutinen (Spaziergang, Frühstück, Putzen, Ent- und Versorgung) geschmeidig herunter. Um 11 Uhr verlassen wir Dragsö Camping, dem wir nichts Schlechtes nachsagen können, außer dass es ziemlich belebt ist, was in der Hochsaison sicher zu einer gewissen Verstopfung führen dürfte. Unser erster Weg führt uns noch einmal zur Fischhalle auf Saltö, um uns für die Weiterreise ein wenig einzudecken: 2 x schwedische Fischsuppe, 1 Becher Heringssalat, 1 Becher Schrimpssalat und 1 Becher Aioli, das Ganze für 291 SEK. Anschließend machen wir einen Stopp bei Lidl, vor allem, um den Vorrat an Espressokapseln für die  Reiseleiterin aufzufüllen.

Wir verlassen heute die Provinz Blekinge in Richtung Norden und betreten schon bald Småland, das vielen Erzählungen von Astrid Lindgren das Lokalkolorit liefert; Michels Lönneberga liegt dort und natürlich Lindgrens Geburtsort Vimmerby. Småland (das kleine Land) ist eine historische Provinz und existiert heute nicht mehr. Das historische Småland erstreckt sich heute über die Bezirke Jonköping, Kalmar und Kronoberg, sowie Teilen von Östergötland und Halland. Unser Weg führt uns schnurstracks nach Norden, also erstmals richtig weg von der Ostsee, und unser Ziel sind die Glasbläsereien von Kosta und Bergdala. Jeder kennt den sicheren Geschmack für schlichtes, aber ausdrucksstarkes Design, für das Schweden "Garminvägen"bekanntSchwedische Einsiedelei ist, was in stark globalisierter Reduktion auch den Erfolg von IKEA ausmacht. Unser erstes Ziel ist das Kosta Outlet Center, ein weithin bekanntes Zentrum schwedischer Glaskultur. Es mag für unser Navi Gründe geben, uns entweder an Kosta vorbei lotsen oder uns auf einem längeren Abstecher durch die schwedischen Wälder zu Besinnung bringen zu wollen, jedenfalls befiehlt er uns nur wenige Kilometer vor Kosta, einen scharfen Rechtsschwenk Richtung Osten zu machen, und als Ortsfremder denkt man sich anfangs nichts dabei. Erst, wenn die Pisten immer armseliger werden und das Ziel in anderer Richtung in weitere Ferne rückt, ahnt man, dass man gerade genarrt wird. Andererseits hätten wir keine Ahnung von Einsiedeleien mit so urschwedischen Namen wie Ulvaskog oder Muggehult bekommen, denen nur vorzuwerfen ist, dass sie bei Astrid Lindgren keine Erwähnung fanden. Die Waldpiste mit dem klangvollen Namen Madvägen taufen wir kurzerhand in Garminvägen um, belassen es aber, nicht nur wegen der bezaubernden Landschaft, bei 30 bis 40 km/h, obwohl wir immer wieder daraufhin gewiesen werden, dass man auf diesen Schotterpisten 70 km/h fahren darf. So pflegt jede Kultur ihren eigenen Geschwindigkeitsrausch, wir völlig ungebremst und losgelöst auf unseren Autobahnen und die Schweden eben im tiefen Wald. Wer weiß, was sie damit bezwecken? Vielleicht wollen sie die Russen im Geschwindigkeitsrausch hinter die Fichte führen oder sie nutzen die Waldraserei, um den Elchbestand unter Kontrolle zu halten und die schwedische Autoindustrie hochzuhalten. Wir trödeln, schaukeln, gleiten entspannt, wenn auch mehr als erstaunt und ein bisschen über Garmin erzürnt durch diesen nordischen Wald und lassen uns von BAP aus der Konserve bestätigen: "Alles im Lot, alles wird jot". Na denn, die sollten es ja wissen.

Kosta GlasmanufakturKosta GlasmanufakturNach unserem Besuch in Ulvaskog und Muggehult, denen wir nur durch einen Umweg in Form eines im Westen offenen Us so nahe kommen konnten, erreichen wir Kosta und das Outlet Center [N 57° 28' 35''  E 015° 9' 30"] um 13:25 Uhr. Das Center ist nicht zu übersehen, und es ist tatsächlich ein Shopping Center mit all dem Ramsch, den man Touristen gerne andreht. Nur von einer Glasbläserei ist erst einmal nichts zu sehen. Wir umrunden den Konsumtempel und finden auf seiner Rückseite einen nicht sehr dominanten Hinweis auf die Glasfabrik. Und dorthin machen wir uns auf, treten ein und befinden uns mitten in einer geschäftigen Männerwelt mit dicken Backen und ebenso dicken Handschuhen. Aber es ist schon beeindruckend zu sehen, wie immer die gleichen Stücke quasi industriell gefertigt werden, wie jede Station ihre eigenen Arbeitsschritte liefert, Träger dann die Rohprodukte zur nächsten Station bringen, wo sie weiter verarbeitet werden, bis am Ende das fertige Produkt weggestellt wird. Leider finden die Kosta-Produkte so gar nicht unser Gefallen, weil sie auch nichts mit dem zu tun haben, was man sich üblicherweise unter schwedischen Glaswaren vorstellt, was daran liegen mag, dass Kosta und Orrefors internationale Konzerne sind, die in Not geratene Glasbläsereien und -hütten aufgekauft haben und den internationalen Massengeschmack bedienen. Aber obwohl wir ein wenig enttäuscht sind, erinnern wir uns an den Volksmund, der warnt: Wer ins Glashaus spitzt, soll nicht mit Steinen werfen. Daran halten wir uns und verlassen Kosta wieder, um ein bisschen Wissen reicher und mit unangetastetem Konto.

Bergdala Nygamla GlashyttaBergdala Nygamla GlashyttaUGlasgravur in Nygamlas GlashyttaGlasgravur in Nygamlas Glashyttam 14:20 Uhr verlassen wir Kosta bei wolkigen und diesigen 20° C. Es geht weiter Richtung Westen nach Bergdala. Wieder führt uns der Garmin durch schwedische Wälder und deren Kiespisten. Wir wissen inzwischen, dass es hier auch ordentliche Straßen gibt und dass unser Garmin wohl ein Schotterfetischist ist. Aber so etwas wird einem ja verheimlicht, wenn man ihn kauft, wie sich ja auch in anderen innigen Beziehungen die Abgründe erst später auftun. Kurz nach 15 Uhr kommen wir trotzdem in Bergdala an [N 56° 50' 5" E 015° 13' 20"]. Hier stapfen wir zuerst in die Bergdala Nygamla Glashytta, in der vor allem Gläser auf traditionellen Maschinen graviert werden. Der Name des Betriebs gibt schon Auskunft über dessen Philosophie: ny steht für neu und gamla für alt, was wohl darauf hin weist, dass der in jüngerer Vergangenheit wiederbelebte Betrieb alte, also traditionelle, Methoden und Maschinen nutzt. Hier schwebt noch der Geist aus den Anfängen der Industrialisierung zwischen den scheppernden und klappernden Gravierbatterien.

DDas blaue Glas aus BergdalaBlå glasen neuen Geist hinter der traditionellen Glasbläserei finden wir im Bergdala Glasbruk (bruk = Brauch, Tradition), einer Glasbläserei, die vorwiegend das betörend schöne blå glas herstellt, jenes Glas, das entweder ganz blau oder mit blauen Bordüren und Henkeln versetzt ist. Im Gegensatz zu den Kosta-Bläsern kommt man hier ganz nahe an die Mund- und Handwerker heran und kann auch mal ein kleines Pläuschchen mit ihnen wagen, natürlich nur, wenn sie nicht gerade dicke Backen haben. Schlichte Schüsseln mit blauem Rand werden heute hergestellt. Keine fünf Minuten braucht so eine Schüssel, bis sie vom ersten Anstoß gedreht und mit einem, durch zugefügtes Cobalt-Oxid, blauen Rand zum Auskühlen gebracht werden kann. So stellt man sich schwedisches Design vor: schlicht und dennoch ein nicht auszublendender Blickfang. Diesmal muss die Kreditkarte bluten, für den Eigenbedarf und für Mitbringsel. Billig ist schwedisches Blå Glas nicht, aber jede Krone wert. Und wenn es zu Bruch gehen sollte, hat man jeden Grund der Welt, dem glasbruk bei nächster Gelegenheit wieder einen Besuch abzustatten.

Glasmanufaktur Bergdala Glasmanufaktur Bergdala Glasmanufaktur Bergdala

Um 15:45 Uhr verlassen wir Bergdala weiter nach Westen und erreichen einen Badeplatz am Åridsjön (Årid-See) bei Furuby [N 56° 50' 54" E 015° 1' 21"] . Es regnet leicht bei 17° C. Hier ist Schluss für heute; 136 Kilometer sind wir gefahren.

Reiseroute Karlskrona – Årid-SeeReiseroute Karlskrona – Årid-See

Der Årid-See bei FurubyDer Årid-See bei FurubyDie Reiseleiterin und ihre vierbeinige Geländepionierin erkunden die Umgebung des Stellplatzes und den See, der Chauffeur schaut auf die Tachoscheibe und befindet, dass jetzt eine Ruhepause vorgeschrieben ist. Er legt sich aufs Ohr, auch weil neben ihm schon wieder ein deutscher Tourist, diesmal mit Dachauer Kennzeichen, vor Anker geht. Diese einsamen schwedischen Badeplätze! Und vor allem die Globalisierung der Heimat: Was Bayern den Holländern ist, ist Schweden den Bayern. So reichen wir uns gegenseitig durch die Welt.

Gegen 19 Uhr verwerten wir die maritimen Leckereien aus Karlskrona: Fischsuppe, Shrimps und Hering. Draußen hat sich ein grauslicher Sprühregen eingenistet, der Land und Wasser zu einer grauen Suppe verrührt. Wir plaudern, trinken Wein und beschäftigen unsere Computer noch ein wenig. Gegen 22 Uhr ziehen wir uns die Decke über den Kopf.  

 

Furuby (Årid-See) – Kalmar, Samstag, 13. August

Der Versuch, Wolken und Regen im Bett abzuwettern, scheitert. Um 8 Uhr geben wir auf. Die Reiseleiterin macht sich im Niesel mit Fianna auf den Weg, der Chauffeur klart den Franz auf und bereitet das Frühstück, das wir uns dann um 9 Uhr gönnen, jetzt schon bei 16 ° C und vielversprechenden blauen Flecken in der Wolkendecke.

HeidelbeerernteHighdelbeerernteUm 10:30 Uhr machen wir uns auf, um dem Ruf der Heidelbeeren zu folgen, die die Morgenpionierin hier in Zentnerstärke beim ersten Spaziergang ausgemacht hat. Doch bevor der Chauffeur in eine der zur Sammlung bereitgehaltenen Hundekacktüten auch nur eine Beere füllen kann, jagt ihm irgendein nordisches Mordsviech seinen Stachel in den Nacken und macht sich ungesehen davon. Das Ding muss mindestens, wenn nicht noch größer gewesen sein, wenn man die Hitze und den Schmerz, die sich im Nacken ausbreiten, zu Grunde legt. Sind wir hier im Paradies oder in einem Paradiesableger, dass die Entnahme einer winzigen Frucht mit einem solchen Strafgericht geahndet wird? Gottseidank sind wir erst wenige Schritte vom Franz II entfernt, so dass wir die Bordapotheke zum Einsatz bringen können. Bei Wespen- oder anderen Mörderstichen schwört der Chauffeur seit einem halben Menschenleben auf Malebrin, eigentlich ein Mittel zum Gurgeln bei Entzündungen im Mund- und Rachenraum, das aber durch die stark adstringierende Wirkung des Aluminiumchlorids auch Stiche kontrahieren lässt und die Schmerzen schnell lindert. Anschließend ziehen wir weiter durch die nähere Umgebung des Stellplatzes, mit einem heißen Nacken und bald einem verdächtigen Ächzen der Bandscheiben, ausgelöst durch die hundertfache Beugebewegung hinab zu den Heidelbeeren, die uns schon zwei ziemlich volle Kacktüten und dauernd volle Backentaschen bescherte. Heidelbeeren sind neben Heidekraut und Strauchflechten die alles beherrschenden Bodendecker hier; man kann sich förmlich high futtern von diesen Highdelbeeren. Zur Entlastung der Bandscheiben und der Rückenmuskulatur darf Fianna auf einer Waldichtung eine kleine Unterordnungseinheit gehen, damit auch sie den Blick wieder einmal nach oben und nicht immer nur auf die Heidelbeeren richtet, denen sie fast so innig zuspricht wie das Sammelpersonal.

Das Lantcafe in ÖrUmDas Lantcafe in Or 11:35 Uhr verlassen wir den kleinen Platz am Årid-See in Richtung Växjö, der Hauptstadt der Provinz Kronoberg, die auch als das Herz des Glasreichs bezeichnet wird. Mit Glas und dem dazugehörigen bruk haben wir allerdings gestern schon unseren Frieden gemacht, heute folgen wir einem kulinarischen Insidertipp. Dazu ignorieren wir die Universitätsstadt Växjö, lassen sie hinter uns und folgen dem motorvägar 30 nach Norden bis zur Nordwestspitze des Helgasjön. Dort machen wir um 1Die Vintage-Welt im Lantcafe2 Uhr in dem Flecken Ör Halt, um das Lantcafé aufzusuchen [N 56° 59' 46" E 014° 40' 17"]. Hier ist der Begriff 'Vintage' wirklich noch in vollem Umfang zutreffend, wer diesen Laden betritt, dem spielt die Erinnerung augenblicklich mit dem Duft von Soda und Bohnerwachs einen Streich, obwohl hier nichts davon zu schnuppern ist. Der ganze Laden ist eine einzige Sammelorgie, ein Hochamt für Krempel und Candy. Wer sich schon des fortgeschrittenen Alters des Chauffeurs erfreuen kann, hat mit Sicherheit jede Menge von diesem Blechkram in seiner Spielkiste gehabt und sich nicht nur einmal daran Die Vinatge-Welt im LantcafeFeinstkost im LantcaféFeinstkost im Lantcafégeschnitten oder gerissen. In diesem Gamla Lanthandelshaus wird einem der Spiegel des Alters vorgehalten. Zum Glück gibt es hier nicht nur liebevoll versammeltes Gerümpel aus längst vergangener Zeit, sondern auch Konditoreiwaren der ganz leckeren Sorte. Wir holen uns zum Kaffee ein grünes, supersüßes Irgendwas-Stückchen, ein ominös raffiniertes Apfeltörtchen und ein Blaubeertörtchen mit Vanilleschlag. Hau mich blau, ist das ne Schau! Als wir das Lantcafé von Ör gegen 13 Uhr wieder verlassen, ziehen nicht nur schwere Wolken über den blauen Himmel, sondern bedrohen auch drückende 23° C die Sahnestückchen, die wir noch schnell für die Nachmittagsandacht in den Franz transportieren. Keine Ausrede: Wer in dieser Gegend ist, muss das Lantcafé in Ör besuchen, wer nicht, sollte unbedingt einen kleinen Umweg einplanen.

Über die Nordseite des Helgasjön halten wir uns östlich, dann südöstlich mit Ziel Grönåsens Elchpark (Älgpark) in Kosta. Wir haben also einen schönen Kringel gefahren und sind nun wieder im Zentrum der schwedischen Glasmanufaktur. Als wir um 12:45 Uhr auf den Parkplatz des Elchparks fahren [N 56° 50' 9" E 015° 26' 38 "], geht ein heftiger Platzregen über uns nieder, der uns im Franz hält, weil wir schon nach drei Schritten bis auf die Haut durchnässt wären. Als der Regen sich ausgetobt hat und nur noch leise weint, trifft uns am Eingang des Parks die nächste Dusche: Keine Hunde! Jetzt hätten wir Fianna natürlich wieder im Franz verräumen und uns für 90 SEK, das sind immerhin etwas über 9 €, unter die Elche mischen können, aber in dieser Hinsicht sind wir mindestens so stur wie ein Elchbulle: Wer uns nicht mit Hund nimmt, muss auch auf unser Geld verzichten. Wir haben schon die verschiedensten Tier-Parks besucht und sind nie wegen der Hunde abgewiesen worden. Warum die Elche hier vor Hunden geschützt werden müssen, erschließt sich uns nicht, und wenn unvernünftige Hundehalter dieses Verbot verursacht haben sollten, ändert das nichts an unserer Einstellung; solche Hundehalter gibt es leider überall, aber zu einem Ausschluss führt es dennoch nicht. Besuchen wir eben wieder einmal den Münchner Tierpark Hellabrunn, dort gibt es auch Elche, und Fianna darf sie mit uns – und zwar kostenlos – besuchen.

Also weiter nach Kalmar, dem Sprungbrett nach Öland. Zu unserer größten Verwunderung vermeidet es der Garmin heute, uns noch einmal durch die lichten nordischen Waldlandschaften rund um Muggehult und Ulvaskog zu führen, was wir ihm gar nicht mehr richtig übelgenommen hätten, sondern leitet uns auf direktem Weg nach Kalmar. Um 15:30 Uhr rollen wir auf den Stellplatz neben dem Schlosspark von Kalmar [N 56° 39' 20" E 016° 20' 54"]. Es treiben dicke Wolken über den blauen Himmel und die Seeluft umschmeichelt uns mit 21° C.

Reiseroute Årid-See – KalmarReiseroute Årid-See – Kalmar

Das Schloss von KalmarDas Schloss von KalmarTrutzig liegt das Renaissanceschloss auf seiner kleinen Insel und versucht, uns über seinen Burggraben zu locken. Das Schloss geht auf einen Verteidigungsturm von 1180 zurück, der zur Abwehr von Piraten und anderen Angreifern errichtet wurde. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts kamen die weiteren Verteidigungstürme und die Ringmauer dazu. Nach seiner Flucht vor den Dänen, bot das Schloss 1520 Gustav Wasa, dem späteren Gustav I. Wasa kurzfristig Schutz. Im Laufe der Jahrhunderte verfiel es, wurde als Gefängnis, Kornspeicher und Schnapsbrennerei genutzt und sollte sogar abgerissen werden. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Schloss langsam wieder rekonstruiert, Arbeiten, die erst nach dem 2. Weltkrieg abgeschlossen wurden. Im Inneren konnten nur wenige Räume wiederhergestellt werden, was das Schloss zu einer attraktiven Kulisse ohne Inhalt macht. Vor allem Hochzeitspaaren bietet das Schloss ein stilvolles Ambiente. Und so zieht auch heute eine Hochzeitsgesellschaft über die Ziehbrücke ins Schloss – und wir verzichten heute schon ein zweites mal auf eine Begehung, weil wir keine Lust haben, für 130 Kronen pro Person eine entkernte Kulisse für Hochzeitsgesellschaften zu besuchen. Die Erfahrung mit solchen Gemäuern lässt sich ja nicht Hochzeit in Schloss KalmarHochzeit in Schloss Kalmarwegdiskutieren: außen hui und innen pfui. Ein paar alte Lanzen an den Wänden, Portraits der Schlossherren und deren Mätressen, ein verrußter Kamin und der Abschiedsbrief eines adeligen Selbstmörders sind, was man von solchen aufgepeppten Relikten aus vermeintlich großer Zeit zu erwarten hat. Da halten wir uns lieber an das, was wirklich beeindruckend ist: die Außenansicht.

Auffällig ist, dass außer den Hochzeitsgesellschaften ein richtiger Trubel hier im Park herrscht, unserem Gefühl nach sogar für einen Samstagnachmittag ein bisschen sehr viel. Des Rätsels Lösung finden wir bald: Heute ist Stadtfest in Kalmar und in dessen Rahmenprogramm findet rund ums Schloss ein Kanalschwimmen (kanalsimning) über 900 und 1800 Meter statt. Wir haben das Glück, einen Zieleinlauf miterleben zu können. Aber was sieht man schon, wenn in 100 Metern Entfernung weiße, rote oder gelbe Pünktchen durchs Wasser treiben und in der Ferne wieder verschwinden? Wir gehen hinüber in die Altstadt, wo der schwedische Bär so richtig steppt; krachlaute Bands an jeder Ecke und auf allen Plätzen, und wo keine handgemachte Musik an den Häusern und in den Hinterhöfen zerschellt, braust es eben aus Konserven. Man ahnt, was hier an Mittsommer los ist. So langsam regt sich auch unser Magen, was immerhin bedeutet, dass uns der akustische Druck noch nicht auf den Magen geschlagen hat, und wir suchen nach einem Restaurant. Nach wenigen Blicken auf die Speisekarten, beschließen wir, doch lieber keinen Hunger zu haben oder ihn anderweitig abzustellen: Bratwurstsemmel mit Honigsenf 59 SEK, Fish & Chips oder Hamburger 185 SEK! Was das kostet, was man sich üblicherweise in einem Restaurant servieren lässt, wollen wir gar nicht mehr wissen. Wir holen uns an einer Bratwurstbude eine Bratwurst in der Semmel für uns beide, um den schlimmsten Hunger abzustellen, und vergessen ganz schnell, wie viel wir dafür bezahlen. Die Bratwurst teilen wir uns in einem Hauseingang, weil just in diesem Augenblick der Himmel seine Schleusen öffnet. Die nächste Regenlücke nutzen wir für den Rückzug, der allerdings nur bis ins mittelalterliche Stadttor reicht, wo wir den nächsten deftigen Platzregen abwettern. Gegen 18 Uhr sind wir wieder beim Franz, etwas angefeuchtet, weil es immer noch leicht vom Himmel seiert, aber bei immerhin 18° C, was die feuchten Klamotten nicht unangenehm klamm an die Körper kleben lässt.

Ansicht von KalmarFür solche kulinarische Prekärsituationen haben wir zu Hause eingekocht, z.B. ein bodenständiges Gulasch, dazu gibt es Kartoffelbrei und Salat, und als standesgemäßer Begleiter bewährt sich ein roter Provençale von Les Eydins. Wir haben berechtigte Zweifel, dass die 185-SEK-Hamburger dagegen einen Stich gemacht hätten. Nach dem Essen vertreten wir uns am Strand noch einmal die Beine und lassen für Fianna Bälle fliegen, damit die sich auch noch ein bisschen austoben kann. Aber viel Auslauf gewährt uns der Himmel nicht und treibt uns wieder zurück. Die ganze Nacht über kann er es nicht lassen, immer wieder seine Pisspötte über unserem Franz auszukippen. Man ist versucht, Kalmar mit Kalamität in einen Topf zu werfen. Aber wen kann man schon für das Wetter verantwortlich machen?

 

Kalmar – Öland (Wikegård Camping), Sonntag, 14. August

Fährtenarbeit vor dem SchlossFährtenarbeit vor dem SchlossUm 7:45 Uhr wechseln sich Sonne und Wolken bei 17° C ab; der Regen hat sich schlafen gelegt. Wenn er sich auch in näherer Zukunft so antizyklisch verhält, werden wir gut miteinander auskommen. Zur Begrüßung des Tages darf Fianna auf der Parkanlage eine Fährte suchen, was sie auch mit Freude und Eifer erledigt – bis sie ein Kaninchen sieht. Nun reiben sich die Hundesportler die Hände und freuen sich, dass Fianna nun jeglichen Gehorsam verweigern und alles vergessen wird, was sie gelernt hat und dem Frühstück hinterher jagen wird. Ganz falsch! Fianna ist kurz irritiert, setzt sich ab, denkt nach, verlässt die Fährte und versucht das Karnickel zu umgehen; die kleine Schwarze hat nämlich gelernt, dass Hasen, Kaninchen, Füchse und auch alles andere in Wald und Flur tabu sind. Und deshalb sucht sie eine für sich und uns zufriedenstellende Lösung. Das Kaninchen dürfte in ihren Überlegungen eher eine Das kleinste Touristenbüro der WeltDas kleinste Touristenbüro der WeltunSandskulpturSandskulpturtergeordnete Rolle spielen. Die Situation klärt sich dann schnell von selbst, weil das Kaninchen auch keine große Lust verspürt, entkleidet und gut durchgegart auf einem Womo-Tisch zu landen und deswegen Fersengeld gibt. Da entspannt sich Fianna wieder und sucht weiter. In solchen Augenblick bekommt man die beruhigende Gewissheit, dass die geleistete Erziehung sturmfest ist. Nach der Fährte bummeln wir noch ein wenig am Strand entlang und bewundern die Überbleibsel des Kalmar International Sandsculpture Festival, das, wie jedes Jahr, vor einem Monat hier stattfand. Man kann gar nicht genug staunen, was man aus Sand alles bauen kann, und noch mehr staunen muss man, was davon nach einem Monat immer noch übrig ist.

Die ÖlandbrückeDie ÖlandbrückeDas Frühstück lassen wir vorerst ausfallen, weil wir in irgendeinem Reiseführer eine Adresse auf Öland gefunden haben, wo man sehr gut frühstücken kann. Also fahren wir um 8:50 Uhr los und überqueren eine Viertelstunde später die Ölandbrücke (Ölandsbron), die Öland mit dem Festland verbindet. Die Brücke hat eine lichte Durchfahrtshöhe von 36 Metern und eine maximale Höhe von fast 42 Metern. Seit 1972 steht sie da, 6072 Meter lang, und bringt die Menschen trockenen Fußes und mautfrei über den Kalmarsund. Auf Öland wenden wir uns nach Norden in Richtung Borgholm, wo wir Guntorps Herrgård suchen und finden. Nach der Beschreibung erwartet uns hier ein feines Herrenhaus mit erlesener Gastronomie, die vor allem wegen des Frühstücksbuffets gelobt wird; Smörgåsbord ist dabei das Zauberwort. Smör ist Butter und Smörgås ist Butterbrot, aber Smörgåsbord ist ein Buffet mit kalten und warmen Leckereien – schwedische Tapas eben. Doch der Parkplatz  von Guntorps Herrgård ist seltsam leer, zwei Menschen, die nicht so typisch schwedisch aussehen wollen, wechseln von einem Bungalow über den Hof ins Haus. Es beschleicht uns die Ahnung, dass aus den schwedischen Tapas zum Frühstück nichts wird. Als wir durch die Glastüre ins Herrenhaus lugen, sehen wir einige Personen an einer Essensausgabe stehen, die eher nach Mensa oder Kantine aussieht, aber nicht nach Feinschmeckerei. Es deutet alles darauf hin, dass Guntorps Herrgård als Unterkunft für die Handvoll Flüchtlinge und Asylanten ausgesucht wurde, die Schweden aufgenommen hat. Denen wollen wir nun wirklich nicht das Staatsbuffet abräumen. Wir fahren weiter zu ICA und kaufen ein paar süße Stückchen, die wir uns im Franz einverleiben.

Schlossruine BorgholmSchlossruine BorgholmWir fahren ein paar Meter weiter zur Schlossruine Borgholm [N 57° 28' 29" E 015° 9' 44"]. Das mächtige Schloss im Renaissancestil geht in seinen Anfängen auf das 12. Jahrhundert zurück und ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts völlig niedergebrannt. Nach beträchtlichen Renovierungsarbeiten in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts steht das Schloss wieder für Besucher offen. Wir bleiben bei unserer Verweigerung, alte Gemäuer, diesmal für 70 Kronen, zu besichtigen, in denen, außer wechselnden Ausstellungen, noch weniger zu erwarten ist als in Kalmar. Von der dürren Brache, auf der die Schlossruine steht, steigen wir über einen schmalen Steig den Schlosspark zum ScDas Café bei Schloss SollidenDas Café bei Schloss Sollidenhloss Solliden hinunter. Solliden protzt nicht, sondern ist vielmehr ein Herrenhaus, das Toiletteneingang im KaffeetorpedHerrschaftlicher Toiletteneingang im KaffeetorpedAnfang des 20. Jahrhunderts als Sommersitz der damaligen Königin Viktoria erbaut wurde, und noch heute der Königsfamilie als Sommersitz dient, den sie allerdings meist nur zweimal im Jahr aufsucht. Das Schloss selbst ist nicht zu besichtigen, was uns einer Entscheidung enthebt, aber der Park steht Besuchern jederzeit offen. Wir lassen uns im kaffetorpet (torp = Häuschen, Hütte) nieder und entbieten der in Ehren ergrauten Sylvia unseren Gruß, indem wir einen Sylvia-Kuchen bestellen, der sich als reichlich trockenes Stückchen mit einer Kokosdecke herausstellt, also eher der noch älteren und vertrockneten Elizabeth in England zu Gesicht stehen würde. Kurz vor 12 Uhr verlassen wir Borgholm weiter in Richtung Norden.

Byrums Sandvik mit Blauer JungfrauByrums Sandvik mit Blauer Jungfrau (im Hintergrund!)Um 12:45 Uhr machen wir an Byrums Sandvik (Sandbucht od. Sandstrand von Byrum), einem schönen Strand mit Blick auf die Insel Blå Jungfrun (die blaue Jungfrau) Halt [N 57° 13' 42" E 016° 57' 39"]. Der griffige Wind treibt dicke weißgraue Wolken über den blauen Himmel, gönnt uns aber immerhin noch 18° C, sodass wir die Friesennerze im Franz lassen können. Eine Viertelstunde treiben wir uns hier herum und lassen uns die Gehirnwindungen durchpusten, dann fahren wir weiter nach Norden, so weit, bis es nicht mehr weitergeht, es sei denn, man wollte dem Franz einen Badetag gönnen. Wir Der Lange ErikDer Lange Eriksind an Ölands Norra Udde, Ölands Nordkap mit seinem Leuchtturm, dem Långe Erik. Die Nordspitze Ölands wird von einer großen Bucht dominiert (Grankullaviken), die so aussieht, als ob hier einmal ein Vulkan ausgebrochen wäre und das Nordende der Insel herausgebrochen hätte. Auf der östlichen Landzunge der Bucht wartet das NSchafherdeVerkehrsberuhigte Zone in Ölands Nordenaturreservat Trollskogen auf uns, ein gruslig düsterer Wald mit schaurig knorrigen Bäumen. Doch jetzt treiben uns fette, schwarze Wolken und Regen schnell wieder ins Womo und weiter bis zu einer Bucht, an der wir nochmal einen Ölands NordkapÖlands "echter Norden"kurzen Stopp machen, um diese öde und abweisende Landschaft in uns aufzunehmen. Öland hat nichts mit Bier zu tun (schwed. öl = Bier), sondern leitet sich von öde ab, wobei der Norden der Insel sehr waldreich und regnerisch ist, während sich der Süden trocken und steinig präsentiert. Das aktuelle Wetter deutet daraufhin, warum das so ist: Obwohl Öland sich nur etwas mehr als 130 Kilometer in Nord-Süd-Richtung erstreckt, trifft man zur gleichen Zeit im Norden und im Süden eine völlig gegensätzliche Wetterlage an. Jetzt regnet es hier und der Wind pfeift uns um die Ohren und im Süden, so bestätigt unser Wetterradar, trocknet die Sonne das Land weiter aus. Wir beschließen, uns den Trollpfad für einen späteren Öland-Besuch aufzuheben und uns einen Hocker zu suchen. An der Östküste entlang fahren wir nach Süden, bei schon bald immer freundlicherem Wetter, und machen nach etwa 30 Kilometern um 15 Uhr in Wikegårds Camping fest [N 57° 4' 46 " E 016° 58' 5"].

Reiseroute Kalmar – Öland (Wikegårds Camping)Reiseroute Kalmar – Öland (Wikegårds Camping)

Wikegårds Camping ist ein sehr spezieller Ort, das vermittelt sich uns schon nach wenigen Minuten. Die ersten 15 Minuten, das muss allerdings eingeräumt werden, verbringen wir damit, den Niederlassungswünschen der Reiseleiterin gerecht zu werden. Dreimal umrundet und durchstreift der Chauffeur die verschiedenen, durch Hecken und Bäume voneinander getrennten Plätze, bis sich endlich der richtige Poller zum Festmachen findet und sich die Gesichtszüge der Reiseleiterin entspannen. Den Chauffeur erinnert diese Suche an die nicht enden wollenden, peinlichen Körperdrehungen seiner Fianna, wenn sie ein geeignetes Plätzchen für ihr Häufchen sucht. An der Überfüllung des Platzes liegt dieses Kreiseln jedenfalls nicht; er ist nämlich ziemlich verlassen. An diesem Wochenende gehen in Teilen Schwedens die Ferien zu Ende und einige derer, die morgen wieder einrücken müssen, sind uns heute begegnet, einer nach dem anderen. An Klaustrophobie werden wir hier jedenfalls nicht zu leiden haben.

EWikegård CampingDie weite Leere in Wikegård Campingin Blick auf die in lockerer Unordnung herumstehenden Mobile und Zelte macht deutlich, dass sich hier nicht der Standard-Tourist niedergelassen hat. Man fühlt sich zurück versetzt in die Zeit von Zeltlagern, Hippies, Pluderhosen und Batik-Shirts (für diejenigen, die nach 1970 geboren wurden und mit Hippie und Batik nichts mehr anfangen können, empfehlen wir einen Besuch bei den Allwissenden von Gooooogle; eine Nachhilfe würde diesen Reisebericht sprengen). Die Reiseleiterin (vor 1970 geboren) fühlt sich unmittelbar wohl hier und der Chauffeur (weit vor 1970 geboren) weiß nicht so recht, ob er angekommen sein will oder diesen Wiederhall seiner hormongesättigten Aktivistenzeit als Bosheit der Zeitläufte von sich weisen soll. Im Gegensatz zu seiner in diese Hinsicht höchst naiven und erfahrungsfreien Begleiterin zieht er den feinen und süßlichen Duft durch die Nüstern, den er schon längst in der Asservatenkammer seiner Frühzeit verschwunden glaubte. Schließlich entspannt er sich und seine nostalgische Echokammer und schmeißt sich in dieses Campinglager wie die Sau in den Sumpf. Die Zeit verliert eben nichts und versammelt ihre Kinder immer wieder unter ihrem lila Dach. Warum nur kommen ihm ausgerechnet jetzt wieder die Highdelbeeren in den Sinn?

Wikegård Camping auf ÖlandWir lassen uns bei weiß-blauen 21° C vor dem Franz nieder und versinken bei Kaffee und Kuchen in  der Vergangenheit und unseren Stühlen. Bei aller Entspannung der letzten Tagen, überfällt uns hier erstmals so ein Gefühl der Schwerelosigkeit, die in einem seltsamen Kontrast zu der Geschäftigkeit der aus der Zeit Gefallenen steht, die um uns herum wuseln, wie wir es nur von den klassischen Mobiltouristen kennen. Es scheint, als ob sie zwischen die Zeiten gespannt wären, vom Hier schon fest im Griff und dort noch nicht losgelassen. Wir hängen nur zwischen den Armlehnen unserer Stühle und sind kurz vor jener Gefühlslage, die aus gesprochenem Wort Schnurren macht.

Wikegård CampingAbendspaziergangWir hängen rum, drinnen wie draußen und gegen 18 Uhr machen wir einen Strandspaziergang; Wolken treiben sich herum und spielen Räuber und Gendarm mit der Sonne. Dort drüben ist schon das Ufer von Gotland zu sehen, gute 70 Kilometer sind es hinüber, und wenn man einen Turm errichtete, von dem aus man über die Erdkrümmung hinweg etwa 260 Kilometer blicken könnte, würden wir bereits die Westküste Lettlands sehen können. Steht das nicht auch wieder einmal auf unserer Reiseliste?

Dann wird gegrillt. Etwa 600 g Schweinehals landen auf dem Lotus, dazu gibt es Kartoffelsalat. Wir essen im Freien, über uns zieht der Himmel alle Register seiner Wolken über WikegårdDie wlden Wolken über Wikegårddramatischen Schauspielerseele, aber es bleibt trocken – was nur unvollständig stimmt, denn es wird schon ziemlich feucht nachts. Der Sommer wandert ab, wie die Wildgänse, die mit viel Geschrei in größeren Formationen nach Süden ziehen. Das Jahr kommt in die Jahre.

Drüben, vor dem roten Bus mit dem Zelt tanzt eine junge Frau einen Schwerttanz, bis die Nacht sie verschluckt. Verschluckt sie nun, während sie von der Nacht verschluckt wird, auch ihr Schwert? Der Chauffeur spürt Schluckbeschwerden. Verschluckt und zugenäht! So viel Anmut ...

 

Öland (Wikegård Camping) – Öland Grönhögen (Hafen), Montag, 15. August

MorgenstimmungMorgenstimmungUm 7 Uhr blickt der Chauffeur verschlafen und dennoch voller Neugier, ob die biegsame und wehrhafte Nachbarin noch immer das Schwert schwingt, aus dem Fenster seiner Koje, doch was er sieht, sind heraufziehende Wolken und die zurückkehrende Reiseleiterin mit ihrer fidelen Begleitung. Der Morgen bietet nicht mehr als 13° C und einen leichten Wind, der eine unangenehme Frische anrührt und uns zum Frühstück in den Franz nötigt.

Vor unserer Abfahrt sammeln wir noch eine Reihe von Eindrücken von diesem Campingplatz der Langstrumpf-Pipis mit Dreadlocks. Da wären die Sanitäranlagen, die von außen wie Container anmuten und bei näherer Betrachtung auch welche sind: schmucklos, optisch anrüchig und fast ein wenig abweisend. Doch drinnen haben sie gottlob überhaupt nichts Anrüchiges, sondern entfalten einen ebenso schnurrigen Charme wie der ganze Platz: erstaunlich geräumig, buntgestrichene Wände, Barmusik aus der Stahldecke und bayerische Fleckerlteppiche auf dem Boden. Und sauber ist auch alles. Das bestechendste Kuriosum dieses Campingplatzes einer versunkenen Zeit des bürgerlichen Widerstands ist der Müllplatz. Selbst das trennfanatische deutsche Volk hat so etwas noch nicht gesehen; es gibt wahrscheinlich kein natürliches oder künstlich erschaffenes Produkt, dem hier nicht sein eigenes Grab bereitet wäre. Der übliche Containerplatz ist von einer Bretterwand umgeben, in die jede Menge Löcher geschnitten sind, hinter denen ein Sack oder ein Behälter hängt und das mit einem angeklebten oder angeschraubten Muster des dort zu entsorgenden Wohlstandsrelikts. Einwurf neben Einwurf, und der scheidende Urlauber fliegt, endlose Male in seinen Müllsack greifend, wie ein Bienchen von Loch zu Loch, um seinen bisher ungetrennten Nachlass lokaltypisch zu entsorgen. Die Welt ist ein irrer Ort über den man den Kopf schütteln, aber auch genüsslich schmunzeln kann. Der Abschied wird uns dann mit 30 € berechnet (nicht 300 SEK), und zwar in bar; Plastik gehört hinter die Bretterwand, nur Bares ist Wahres und kann direkt wieder genutzt werden.

Um 10:25 Uhr verabschieden wir uns und wissen nicht, ob wir bei einem weiteren Besuch wieder kommen würden, nicht, weil es uns nicht gefallen hätte, sondern weil wir fürchten, das nächste Mal einen anderen Platz vorzufinden. Wenig ist schmerzlicher als ein enttäuschter Traum aus Nostalgie und Schmäh.

Die Kapelle der Hl. BirgittaDie Kapelle der Hl. BirgittaWir rollen auf der Ostseite der Insel nach Süden und machen nach einer guten halben Stunde Halt bei der Kapelle der Hl. Birgitta auf Kappelludden [N 46° 48' 54" E 016° 29' 2"], einer kleinen Landzunge, auf der einst das Dorf Sikavarp stand. Von dem Dorf ist nur noch der kleine Fischereihafen übrig und auch von der Kapelle der Hl. Birgitta steht Kappelluddennur noch eine Mauer und ein Steinkreuz. Die Hl. Birgitta (auch Birgitta Birgersdotter) lebte von 1303 bis 1373, war unter anderem Beraterin zweier Päpste und machte sich als Friedensdiplomatin im Hundertjährigen Krieg einen Namen, weshalb sie auch von der evangelischen und anglikanischen Kirche in Ehren gehalten wird. Als ihr Leichnam, von Rom Hafenstimmungkommend, hier an Land gebracht wurde, wurde ihr zu Ehren diese Kapelle erbaut, die einst die größte Ölands war. Noch heute scheint die Friedensdiplomatin hier ihre Wirkung zu zeigen, denn dieser Ort mit dem kleinen Hafen ist, zumindest bei unserem Besuch, ein Ort der Stille und Weite. Bei 18° C treiben weiße Wölkchen über einen tiefblauen Himmel und geben dem Raum um uns eine greifbare Tiefe wie wir im bayerischen Süden es vom Föhn kennen. Wir setzen uns auf eine Mole des Hafens, sehen den Kormoranen zu, wie sie sich mit ausgebreiteten Schwingen das Gefieder trocknen und dem Achselschweiß trotzen. Hier scheint die Welt mit langem Hub getaktet.

Windmühlen auf ÖlandWindmühlen auf ÖlandEine Stunde bleiben wir bei der Hl. Birgitta, bevor wir uns weiter in den Süden Ölands begeben, wo die Landschaft zunehmend karger wird.  Wir befinden uns nun bereits im Stora Alvaret, einem unwirtlichen Kalkplateau im Süden Ölands, bei dem es sich um eine der letzten naturbelassenen Karstlandschaften Europas handelt. Vorbei an einigen der malerischen roten Windmühlen fahren wir zurBurg EketorpBurg Eketorp Außenansicht Burg Eketorp, wo wir um 13:25 Uhr die Triebwerke abstellen [N 56° 17' 95" E 016° 29' 13"]. Eketorp ist eine Ringburg, deren Anfänge auf das 4. Jahrhundert zurückgehen, mit einer ringförmigen Wehrmauer und Kasematten sowie Stallungen und Hütten im Inneren. Ob es sich tatsächlich um eine Fluchtburg handelte oder, wie einige Fachleute vermuten, um einen kultischen Ort, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Die Burg wurde bis ins 13. Jahrhundert in mehreren Phasen um- und ausgebaut und mit der Christianisierung aufgegeben. 1978 begann man mit der Rekonstruktion, deren Wert von Fachleuten sehr in Zweifel Burg EketorpBurg Eketorp innengSchweine in Burg Eketorpezogen wird, weil die Burg ihrer Ansicht nach zu einer Art Disneyland verkommen sei. Ihr touristischer Wert steht jedoch außer Zweifel – wofür auch wir ein Beleg sind. In der Tat gibt die Burg nicht viel her. Vom Wehrgang der Ringmauer blickt man weit in die Öde der Stora Alvaret und sieht nicht viel mehr als Kühe. Im Innenraum kann man die Kasematten und Hütten umstreifen und, wenn man mag, sich über die genüsslich schmatzenden und freilaufenden Schweine wundern. Die Anlage hat in ihrer glatten, auf alt getrimmten Perfektion tatsächlich etwas Künstliches und Gewolltes. Aber wenn man schon mal in der Gegend ist, sollte man schon hier vorbeischauen. Während unseres Besuchs hält sich das Touristenaufkommen in Grenzen, was in der Hochsaison vermutlich anders aussehen dürfte.

Ölands SüdkapUm Der Lange JanDer Lange Jan14:30 Uhr – der Himmel trägt inzwischen blau-weiß-schwarz-grau bei 22° C – reisen wir weiter zu Ölands Södra Udde, Ölands Südzipfel. Um 15 Uhr legen wir uns zu Füßen des Langen Jans, dem Antagonisten des Langen Eriks im Norden, vor Anker [N 56° 11' 55" E 016° 23' 57"]. Der Lange Jan hat nicht nur deutlich mehr Besuch als sein Bruder im Norden, was am eindeutig besseren Wetter liegen mag, sondern auch mehr als Eketorp. Wir umrunden ihn, besteigen ihn aber nicht, einerseits wegen der Schlange, die Ölands karger SüdenÖlands karger Südenauf Einlass wartet, andererseits, weil der Chauffeur auf engen und bevölkerten Turmplattformen weiche Knie und Klaustrophobie bekommt. Er tröstet sich damit, dass sein Blick sowieso nur bis zur Erdkrümmung reicht und bis dahin nichts als Wasser zu sehen sein wird. Das Landesinnere kennt er von der Anreise: dürres, karges Land, Steine, Steinkreuze, Kühe, Ziegen und Schafe. Da entscheidet er sich lieber für eine Rast bei Kaffee und Kuchen. Schon der Gedanke an einen windigen Ausguck, hoch oben im Krähennest des Jans, verschafft ihm ein wattiges Schleudertrauma.

Reiseroute Wikegård Camping – GrönhögenReiseroute Wikegård Camping – Grönhögen

Um 15:30 Uhr sagen wir dem Langen Jan adieu und fahren an der Westseite der Insel nur rund zehn Kilometer nach Norden. Um kurz vor 16 Uhr rollen wir, nach insgesamt 134 Kilometern, in den Hafen von Grönhögen [N 56° 15' 59" E 016° 23' 49"], wo Ansicht GrönhögenAnsicht Grönhögender heutige Tag beschlossen wird. Der Himmel ist wieder bayerisch weiß-blau, die Luft fächelt uns 20° C zu und alles scheint in bester Ordnung. Eigentlich. Der Reiseleiterin bereitet es Wehmut, dass wir nur in der zweiten Reihe zum Wasser stehen können, der Blick aufs Meer und den zu erwarteten Sonnenuntergang also verstellt. Die Logenplätze sind alle besetzt. Der Chauffeur tut derweil, was ein Chauffeur zu tun hat, er fährt den Franz auf die Ausgleichkeile, verkabelt ihn und baldowert die Versorgungslage aus. Als er zurückkommt, hat die Reiseleiterin den Franz schon wieder entkabelt und zieht hektische Kreise: Ein schwedischer Tourist reist ab und gibt somit seinen Premiumplatz ab. Der muss jetzt unserer sein. Fix muss der Chauffeur den Franz wieder verkehrstauglich machen und etwa fünf Meter gen Westen rollen. Jetzt ist nur noch Wasser vor Franzens Nase und der Gesichtsausdruck der Logistikerin changiert hin zu schierer Anmut. Der Chauffeur ist felsenfest davon überzeugt, dass sie den Schweden da vorne mit ihrem bösen Blick und Voodoo-Schwüren weggebissen hat.

Logenplatz am MeerLogenplatz am MeerJetAbendstimmung in Grönhögenzt, wissend, welch ein Privileg wir hier vorne an der Wasserfront genießen, lassen wir uns in die Stühle fallen und bewegen uns keinen Zentimeter mehr, zählen nur noch die Wellen und die Möwen und versinken in einer Art Theta-Zustand, der die Welt um uns herum zum Beiwerk macht. Bis kurz vor 20 Uhr sitzen wir so wie Avatare unserer selbst. Bewegung findet nur noch statt, wenn eine Hand zum Glas greift, es an den Mund und wieder zurück zum Tisch führt. Die Sonne sinkt nicht nur langsam Sonnenuntergang in GrönhögenSonnenuntergang in Grönhögendurch alle Farben des Rot-Spektrums, sondern auch durch uns, streift beiläufig eine große Portion Lachs-Spaghetti und färbt unseren Weißwein bernsteinern. Gegen 20:30 Uhr fällt die Sonne ins Meer zwischen uns und dem schwedischen Festland, und wir nehmen uns vor, sie morgen zu suchen. Im roten Licht der Mayday funkenden Sonne machen wir noch einen kleinen Spaziergang mit Fianna, bis die immer dunkelroter werdenden Lichtsignale ersterben und sich ein schwarzvioletter Himmel über uns spannt wie der sternbesetzte Mantel eines Hexenmeisters.

Um 22 Uhr verschließen wir den Franz und passen unseren Atem dem Rhythmus der anschwallenden Ostsee an.

 

Grönhögen – Västervik, Dienstag, 16. August

Um 7 Uhr sind wir aus den Federn, der Himmel begrüßt uns völlig blank, was bei der frischen Brise nicht verwundert, aber eben auch nur 14° C mit sich bringt. Die Reiseleiterin führt ihre Vertraute Gassi und kommt nach 45 Minuten mit frischem Gebäck wieder, das sie aus einer Vitrine am Ortsrand befreit hat; hier gibt es Gebäck, wie bei uns gelegentlich Eier aus der Glasvitrine. Geld rein, Ware raus und der liebe Gott passt auf, dass keiner schummelt. Wir frühstücken trotz des Windes im Freien; hier sind wir so tiefenentspannt, dass uns vermutlich nur ein Sturm vertrieben hätte. Für diesen Stellplatz direkt am Wasser mit Ver- und Entsorgung, Strom, Dusche und Toilette bezahlen wir 150 SEK, und selten haben wir diese Kronen so gerne überreicht wie hier. So schlicht dieser Ort am Hafen ist, so magisch ist er für uns; er strahlt eine seltsame Kraft aus und scheint uns festhalten zu wollen. Aber um 10:15 Uhr heißt es Abschied nehmen, und Grönhögen begleitet unsere Abfahrt mit einem immer noch blitzblauen Himmel, Wind und 18° C.

MöckelmossenIn MöckelmossenWir Möckelmossensteuern Möckelmossen an, ein Feuchtgebiet inmitten der Stora Alvaret, das jahreszeitlich stark variiert. Im Winter sind große Teile dieses Karstgebiets überschwemmt und bilden einen großen See, während im Sommer das meiste davon völlig austrocknet und nur noch einige wenige spärliche Flecken überbleiben. Um 10:50 Uhr kommen wir auf einem Parkplatz des Naturschutzgebiets an [N 56° 31' 41" E 016° 31' 12"] und schlendern eine Dreiviertelstunde durch dieses karge Land, das uns an Ludwig Uhlands Ballade vom 'Wackeren Schwaben' erinnert, welche die Nöte Kaiser Friedrich I. auf dem 3. Kreuzzug schildert:  

Als Kaiser Rotbart lobesam
zum heil'gen Land gezogen kam,
da mußt' er mit dem frommen Heer
durch ein Gebirge wüst und leer.
Daselbst erhob sich große Not.
Viel Steine gab's und wenig Brot.
Und mancher deutsche Reitersmann
Hat dort den Trunk sich abgetan.
Den Pferden ward so schwach im Magen,
fast mußt der Reiter die Mähre tragen.

MöckelmossenDer See von MöckelmossenGanz so schlimm ist es hier nicht, zumal sich bei unserem Besuch ein stattlicher See vor uns ausbreitet. Vor allem im Herbst ist der See ein wichtiger Rastplatz für die Zugvögel auf ihrem Weg in den Süden. Im Moment sind wir so ziemlich die einzigen Zugvögel, von den Kranichen, die hier zu Tausenden rasten sollen, ist noch nichts zu sehen.

Um 11:30 Uhr machen wir uns wieder auf den Weg. Wir verlassen Öland, hinüber über die eindrucksvolle Brücke mit ihrem Buckel, unter der die großen Schiffe passieren können, wenden uns nach Norden und rollen ein weiteres Mal nach Småland. Auf dem Weg füllen wir bei Coop in Högsby unsere Vorräte auf, tanken den Franz in Målilla voll und passieren um 14:30 Uhr das Ortsschild von Lönneberga; wer den Michel aus Lönneberga kennt, muss bei ihm vorbeischauen. Im Original heißt der Michel übrigens Emil, und umgetauft wurde er bei uns, weil zu der Zeit, als Emil Ortsschild von Lönnebergageschrieben und veröffentlicht wurde, in Deutschland bereits ein anderer Emil die Kinderherzen im Griff hatte: Kästners "Emil und die Detektive". Natürlich hat das reale Lönneberga des Jahres 2016 nichts mit dem Fernseh-Lönneberga gemein. Lönneberga ist eine kleine schwedische Ortschaft wie tausend andere und unterscheidet sich in nichts; was nicht wirklich verwundert, denn der Michel lebte Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Katthulthof in Lönneberga, und damals sah die Welt noch anders aus als heute. So können wir die Augen noch so verdrehen, eine Krösa-Maja läuft uns genauso wenig über den Weg wie eine Frau Petrell. Das Einzige was an den Michel erinnert, ist eine kleine Hütte wie ein Bushäuschen, in dem eine Michel-Emil-Figur sitzt und schnitzt. Gut zu wissen, dass diese armselige Hütte nicht Michels einstiger Schmoll- und Schnitzschuppen war.

Wir fahren weiter, überhaupt nicht enttäuscht, denn mehr war nicht zu erwarten. Aber unsere Aufwartung mussten wir dem Michel einfach machen. Und dennoch bekommen wir die Michel-Filme nicht aus dem Kopf, weil wir überall auf die dort erwähnten Orte treffen, wie Hultsfred und Mariannelund, wohin Michel den schwerkranken Alfred im Schneesturm zum Arzt bringt und ihm das Leben rettet und letztlich natürlich Vimmerby, wo Michel zu seinem Pferd Lukas kommt und Astrid Lindgren aufwuchs. Dort kommen wir um Viertel nach drei an und bekommen bestätigt, wovor man uns eindringlich gewarnt hatte: Vimmerby ist nicht mehr das, was es nie war, sondern eine einzige Touristenfalle. 'Astrid Lindgrens Welt' ist das Disneyland Das Denkmal für Michel in LönnebergaDas Denkmal für Michel in Lönnebergades Nordens. Wir können uns nur im Schritttempo dem nordischen Disneyland nähern, obwohl die Hauptsaison schon vorüber ist. Der Parkplatz vor dem Eingang ist voll und kostet 60 Kronen. Noch abschreckender ist ein Blick auf den daneben liegenden Campingplatz; der ist so voll, dass man den Bauch einziehen muss, wenn man sein Womo betreten oder verlassen will, und dann kostet der Aufenthalt in dieser Sardinenbüchse 200 Kronen. Vom beschaulichen Småland von Michel und Klein-Ida ist hier nichts mehr übrig. Wir bleiben nicht einmal stehen, sondern fahren sofort und ohne einen bedauernden Blick über die Schulter weiter. Eigentlich könnten wir jetzt ein paar Minuten von hier, in Gybberyd, den originalen Katthulthof aus der Serie besuchen, aber wir befürchten, dort auch touristisch überrollt zu werden; es dürfte ja kein Zufall sein, dass Michels Schnitzschuppen heute ein Souvenirladen ist. Vielleicht schauen wir dort das nächste Mal vorbei, für heute ist unser touristischer Bedarf gedeckt.

Reiseroute Grönhögen – Västervik Reiseroute Grönhögen – Västervik

Stellplatz mit AussichtStellplatz mit AussichtWir biegen nach Osten ab und steuern wieder der Küste entgegen. Um 16:20 Uhr machen wir nach 280 Kilometern im Hafenareal von Västervik fest [N 57° 45' 6" E 016° 39' 20"]. Wir stehen an der Wasserfront, und das ist gut so, denn der Blick aufs Wasser ist das einzige, was diesen Platz erträglich macht. Wir hätten natürlich auch einen Campingpatz anlaufen können, aber die schwäbische Reiseleiterin entschied sich für den billigen Stellplatz am Wasser – und Wasser vor der Nase ist in jedem Fall das Entscheidungskriterium Nr. 1, egal wie das Hinterland aussieht. So also dieser Stellplatz, noch öder als die Stora Alvaret, umgeben von Lagerhallen, Tanks, Schiffsleichen und Schiffsschrott, eine Gegend, in der man in Krimis gerne die finalen Shootdowns inszeniert. Männer mit Schlapphüten, ausgebeulten und zu knappen Ansicht von VästervikAnzügen, schwarzen Hemden, gelben Krawatten und verspiegelten Sonnenbrillen sehen wir nicht, aber für die ist es bei weiß-blauem Himmel und 20° C vielleicht noch nicht finster genug. Die Zentrale dieses Platzes, der außer uns fast leer ist, wird von einer Art Kiosk besetzt, in der man den Kassenwart vermuten würde. Der ist aber nicht zugegen, die Fensterläden sind verrammelt. Elektrik, Toilette oder gar Dusche gibt es hier erwartungsgemäß auch nicht, aber 140 SEK soll dieses Etablissement kosten. Da fragt sich der Chauffeur, was der Campingpatz kosten würde und will es doch nicht wissen. Die Reiseleiterin klärt ihn dennoch auf: das Doppelte! Västervik scheint der pulsende Herz des schwedischen Tourismus zu sein.

Västervik HafenAm Hafen von VästervikGegen Fianna mit Seehund in Västervik18 Uhr machen wir einen Spaziergang ins Stadtzentrum, von unserem Lagerplatz kaum zwei Kilometer entfernt. Wir halten uns am Wasser, wenden uns dann über den Strandvägen nach Westen und landen, gegenüber von McDonalds, am Fisketorget. Dort stillen wir bei Fiske Boda, also einem Fischimbiss, unseren Hunger mit einer kleinen Terrine Fischsuppe, Fish & Chips und zwei Bier. In Schweden lässt man für diese Vorspeise 330 Kronen liegen. Aber wir sitzen draußen Västervik St. PetriSt. Petri Kichebei etwas windigen 20° C und lassen das pralle Leben von Västervik um uns herum pulsieren. Es ist halt nur nichts los, aber schon gleich gar nichts; dieses Kaff ist einfach tot. Durch die Stadtmitte schlendern wir anschließend wieder in unser Gangsterrevier, vorbei an jeder Menge Kebabhäuser, Frittenbuden, Burgerschuppen und Cafés. Kein einziges Restaurant, das nach unseren Vorstellungen einen solchen Namen tragen dürfte.  Wir werfen noch einen Blick auf die St. Petri Kyrka, aber keinen hinein und Abendstimmung in Västervikfinden, dass diesem völlig bedeutungslosen Kaff genug der Referenz erwiesen ist. Gegen halb acht sind wir zurück, und das Kassenkiosk ist immer noch nicht in Betrieb. Wir machen es uns im Franz gemütlich, köpfen eine Flasche Wein, die hier unbezahlbar wäre, plaudern ein wenig, schreiben unsere Eindrücke auf und sehen zu, wie die dahinsiechende Sonne die vorgelagerte Insel minütlich in andere Farben kleidet. Das kann abendfüllend sein, jedenfalls, wenn der Abend um 22 Uhr endet.

 

 Västervik – Stockholm (Bredäng Camping), Mittwoch, 17. August

Wir haben es eilig. Hier kann uns nichts festhalten. Um 7 Uhr steigen wir aus den Betten, erledigen das Nötige, lassen Fianna kurz die Beine vertreten und ebenfalls das Nötige erledigen, leisten uns ein Frühstück auf die Faust und verlassen den Hinterhof von Västervik um kurz vor 8 Uhr. Das Kassenkiosk ist immer noch geschlossen, was uns sehr entgegenkommt und diese Nacht immerhin als die erste auf einem Camping- oder Stellplatz in die Chronik eingehen lässt, für die wir die Zeche geprellt haben. Aber wo keiner die Hand aufhält, gibt es auch kein Hand-Out. Mitleid haben wir nicht. Västervik liegt noch im gleichen Dämmerschlaf, in dem es schon gestern Abend lag, jedenfalls rollen wir fast alleine durch die Stadt, der Berufsverkehr scheint hier erst später einzusetzen. Wir rollen nach Norden.

Parkplatz am Götakanal in SöderköpingAm Götakanal in SöderköpingUDer GötakanalDer Götakanalm 9:15 Uhr parken wir am Götakanal in Söderköping [N 58° 29' 3" E 016° 19' 12"]. Västervik gehörte noch zur Provinz Kalmar und der historischen Provinz Småland, in Söderköping befinden wir uns bereits in der Provinz Östergötland. Der Götakanal schafft eine schiffbare Verbindung zwischen Ostsee und dem Kattegat in der Nordsee, verbindet dabei fünf Seen auf einer Strecke von 390 Kilometern (zusammen mit dem Trollhätte-Kanal und dem Göta älv, der die Verbindung vom Vänern-See zur Nordsee herstellt) und überwindet dabei 91 Höhenmeter. Schiffe von 30 Metern Länge, sieben Metern Breite, 22 Metern Höhe und 2,82 Metern Tiefgang können über 58 Schleusen und 50 Brücken Schweden durchqueren. Der Bau begann 1810 und war 1832 abgeschlossen. Gegraben haben ihn 58 000 schwedische Soldaten ohne Maschinen, nur mit Händen, Schaufeln und Pickeln. Mit diesem Kanal konnte man nicht nur schneller von der Ostsee in die Nordsee gelangen, sondern sparte sich den Sund-Zoll an Dänemark, der bei der Befahrung des Öresunds fällig wurde.

Schleuse im GötakanalGute ReiseWir bummeln ein wenig am Kanal entlang, an dem so wenig los ist wie in Västervik. Wir sehen uns um, beobachten eine Schiffsbesatzung, die ihr Segelboot für die Schleuse bereit macht und sich Schöner Wohnen am GötakanalSchöner Wohnen am Götakanaldann in ihr ein paar Meter absenken lässt, um dann in Richtung Ostsee abzudampfen. Auch wir gehen am Kanal entlang nach Osten und nehmen zur Kenntnis, dass in Söderköping, zumindest hier am Kanal, nicht die Armut regiert, jedenfalls lassen die  beeindruckenden Villen in geräumigen Gärten, die das Kanalufer säumen, keinen anderen Schluss zu. Wir stoßen auch auf einen neu angelegten Stellplatz ohne Strom und Sanitär, der dennoch 185 Kronen kosten soll. Noch ist er nicht in Betrieb, aber sicher wird er, trotz solch strammer Preisgestaltung, bald gut gefüllt sein.

Gegen halb elf verlassen wir den Götakanal, der im Chauffeur spontan die trefflichen Krimis von Maj Sjöwall und Per Walhöö ins Gedächtnis ruft, heute natürlich den mit dem Titel "Die Tote im Götakanal". Wenn man sie damals Norrköping und der StrömmenNorrköping und der Strömmennicht gefunden hätte, läge sie heute schon längst auf dem Grund der Ostsee. Die Reiseleiterin gibt als nächstes Ziel Norrköping ins Navi ein. Das sind nur wenige Kilometer, weshalb wir schon eine Viertelstunde später dort eintreffen. Nur der Chauffeur weiß nicht, was er hier soll. Die Reiseleiterin macht auf seine Frage ein geheimnisvoll wissendes Gesicht: Wirst schon sehen. Sie lotst ihn am Motala ström, einem Abfluss des Vätterns in die Ostsee, meist nur Strömmen genannt, entlang und gebietet ihm, dort irgendwo einen Parkplatz zu suchen. Der findet sich auf der Position N 58° 35' 42" E 016° 11' 28". Mit suchendem Blick lässt sie ihre Augen schweifen, ruft ihr allwissendes IPhone zu Hilfe und geleitet ihn schließlich nur knapp 300 Meter westlich vom Parkplatz über die stark befahrene Drottninggatan in einen kleinen Park: Carl Johan Park – und vor uns liegt die beeindruckendste Kakteenpflanzung, die der Kakteen in KorrköpingStachelplantage in KorrköpingKakteen in Norrköpingstachelliebende Chauffeur jemals zu Gesicht bekommen hat. So eine Reiseleiterin ist unersetzlich! Der Chauffeur kann sich gar nicht sattsehen an den liebevollen Kaktusarrangements. Auf die Idee, ausgerechnet im hohen Norden eine solche sukkulente Freilandpflanzung zu finden, kommt man nicht jeden Tag. Allen Kakteenliebhabern, die sich jetzt um ihre Lieblinge Sorgen machen, sei gesagt: Die werden im Herbst unter Glas genommen und im Frühjahr wieder ausgepflanzt; keine Gefahr für Leib und Leben also.

Kurz nach elf Uhr geht es weiter, und die Reiseleiterin hat heute noch nicht alle Pfeile im Köcher verschossen. Einen hat sie noch, den sie zielsicher in Oxelösund versenkt. Von Norrköping fahren wir stramm Richtung Osten bis Nyköping und schwenken dort nach Südosten an die Ostsee und stellen unseren Franz um 12:10 Uhr wenige Meter vor "Sailor Kickis Krog & Catering" (Fiskehamnsvägen 12) ab. Oxelösund ist ein kleiner Ort in der Provinz Södermansland mit rund 11 000 Einwohnern, der außer einem Naturhafen und Fährlinien nach Gotland, die aber auch schon wieder der Vergangenheit angehören, keine Einträge in den Almanachen der Welt verdient. Warum also schickte die Reiseleiterin ihren Pfeil ausgerechnet hierher? Eben wegen Sailor Kickis Krog & Catering in OxelösundSailor Kickis Krog & Catering in Oxelösund"Sailor Kickis Krog & Catering", einem kleinen Restaurant in der Marina, das großteils von Seglern, aber auch von Hafenarbeitern frequentiert wird und viel Lob erntet. Und wenn es ums Essen geht, kennt die Reiseleiterin keine Umwege, worin sie sich mit dem Chauffeur einig weiß. Bei Sailor Kicki gibt es zur Mittagszeit Tagesmenüs, deren Zusammensetzung uns beim Studium der handgeschriebenen Tafeln aber im Verborgenen bleibt. Wir müssen uns aufklären lassen; trotz der Segler gibt es hier nur eine schwedische Karte und keine touristische Führerhilfe. Wir entscheiden uns beide für eine Mordsportion Fischeintopf mit Reis und Zitronen-Aioli für 89 Kronen pro Kopf. Dazu gibt es vom Büffet Salat, Brot und Butter satt. Als Getränke stehen Wasser, Säfte und Dünnbier zur Verfügung und der abschließende Kaffee kommt ebenfalls von der Bar und ist, wie alles andere, im Menüpreis inbegriffen. Und wenn man sich am Ende der Mahlzeit zufrieden zurücklehnen und "wow" sagen kann und dafür nur 178 Kronen auf den Tisch des Hauses legen muss, weiß man, dass sich dieser Umweg mehr als gelohnt hat. Schwedische Mittagstische sind eine sehr reelle Angelegenheit, was man vom Dinner nicht behaupten kann, jedenfalls nicht, was den Preis anlangt. Wir sind satt und glücklich und mehr als zufrieden und verlassen Oxelösund kurz nach 13 Uhr wieder, bei strammem Wind, bedecktem Himmel und 15° C. Dass uns der Wind von der Straße pusten könnte, müssen wir bei unserem Zusatzpfunden infolge des Mittagsmenüs allerdings nicht befürchten. Unser Weg führt uns nordöstlich durch die Schären nach Stockholm.

Um 15 Uhr machen wir auf Bredäng Camping, etwa 10 Kilometer südwestlich vom Zentrum Stockholms, fest [N 59° 17' 43" E 017° 55' 24"]. Insgesamt ließen wir heute 316 Kilometer schwedischer Straße hinter uns. Es ist etwas regnerisch mit Aufsonnungen, das alles mit wenig erfreulichen 13° C. Wir warten erst einmal ab, was der Wettergott heute noch vor hat und lehnen uns zurück, schreiben Chronik, dösen und lesen.

Reiseroute Västervik – StockholmReiseroute Västervik – Stockholm

Gegen 19 Uhr machen wir mit Fianna einen Spaziergang, weil der Wettergott keine klare Ansage macht; er kann sich noch immer nicht zwischen Sonne und Wolken entscheiden. Das tut er dann als wir unterwegs sind und entscheidet sich für Regen. Da muss Fianna einmal etwas kürzer treten. Wir haben es eilig.

Nach dem üppigen Fischeintopf mittags gönnen wir uns nur noch einen kleinen Snack, plaudern etwas herum, werfen immer wieder einen Blick aus den Fenstern, nur um festzustellen: Der Wettergott hat seinen Wankelmut begraben und bleibt bei Regen.

Unseretwegen. Tomorrow is another day.

 

Stockholm – Unden-See (Tiveden Camping), Donnerstag, 18. August

7 Uhr, 15° C, Seewind, viel Wolken und eindeutig zu wenig Sonne. Die Logistikerin flaniert, der Chauffeur richtet den Franz auf.  Wir lassen heute Morgen nicht viel Zeit liegen, stellen unserer Wächterin eine Schüssel Trockenfutter hin, wünschen ihr einen schönen Tag und gehen um 7:30 Uhr ein paar hundert Meter zur nächsten U-Bahn-Station.

Das Nobelmuseum in StockholmDas Nobel-Museum in StockholmWachwechselWachwechselUm 8 Uhr verlassen wir  die U-Bahn an der Haltestelle Gamla Stan, der Altstadt Stockholms, auf der Insel Stadsholmen. Wir streifen durch die wirklich alten Gassen, vorbei am Nobel-Museum, bleiben elektrisiert vor einem leider noch geschlossenen Plattenladen stehen, der altes Vinyl in der Auslage liegen hat, das der Chauffeur schon längst dem Untergang geweiht glaubte. In einer Espresso-Bar machen wir auf ein kleines Frühstück Halt. Wir gehen hinüber Das königliche Schloss in StockholmDas königliche SchlossStockholmer TristesseStockholmer Tristessezum Schloss, schauen uns den Wachwechsel an (die Reiseleiterin); der Chauffeur scannt tausend Fenster ab, ob nicht irgendwo Sylvia im Nachthemd steht und sich die Zähne zum Wachwechsel putzt. Aber nix da. Den Wachwechsel überzieht der schwedische Wettergott mit feinstem Sprühregen, der binnen Minuten zu einem so ekelhaften Niesel anwächst, der auch noch vom Wind quer dahergetrieben wird, dass uns die Lust auf eine Sightseeing-Fahrt mit dem Schiff gründlich vermiest wird. Selbst wenn man dabei unter Glas sitzt, kann man bei diesem Nieselnebel nichts, aber gar nichts erkennen. Ein bisschen treiben wir uns noch herum, in der Hoffnung, wir hätten es mit einer vorübergehenden Inkontinenz zu tun, aber unsere Hoffnung bleibt eine Hoffnung, und so steigen wir in Stockholms Generalstation wieder in die U-Bahn und fliehen hinaus, verlassen die U-Bahn wieder an der Station Västertorp und sind ziemlich un-amused, als wir um 11:30 Uhr wieder bei Fianna ankommen, die nichts versteht und sich den Schlaf aus den Augen reibt. Wir stöbern durch alle verfügbaren Wetterstationen im Internet und müssen einsehen, dass sich die Dinge nach Lage der Dinge für mindestens zwei Tage nicht sehr ändern werden. Zwei Tage Bredäng Camping und Stockholm bei Regen? Never! Wozu haben wir ein Reisemobil? Also Abfahrt.

Im Rekordtempo bringen wir den Franz in den Reisemodus und sind um 12 Uhr schon weg. 305 SEK hat uns dieses verstockte Holm auch noch gekostet. Aber warte nur: Noch ist nicht aller Tage, wir kommen wieder, keine Frage. Westwärts muss es gehen, dort scheint die Sonne, so hört man. Schon kurz nach Södertälje, etwa auf Höhe von Schloss Gripsholm bei Mariefred, kaum 50 Kilometer westlich, löst sich die undurchdringliche Wolkensuppe auf und zeigt wieder Strukturen. Mit jedem Kilometer wird es besser, die Wolken lassen einen Blick ins Blaue zu und vor unserer Nase, noch weit voraus, lockt ein blauer Himmel. Der Regen hört auf. Alles richtig gemacht. Wir fahren immer weiter Richtung Westen, lassen den Hjälmaren, Schwedens viertgrößten See südlich liegen und wenden uns in Örebro, nachdem wir dort für 67 € getankt haben, nach Südwesten. Wir tauchen in die Welt zwischen Schwedens große Seen ein. Linkerhand, also eigentlich südlich liegt Schwedens zweitgrößter Schotterpiste im schwedischen HinterlandSee, der Vättern mit rund 1.890 km2 und vor uns ahnen wir schon Schwedens größten See, den Vänern. Doch beide haben wir heute nicht zum Ziel, sondern den zwischen Vänern und der Nordspitze des Vättern gelegene Unden-See. Bis wir diesen erreichen, gönnt uns der Garmin wieder einmal eine echt schwedische Kiespiste, weil er offenbar ein Hinterwäldler-Gen eingebaut hat, das ihn magisch von den regulären Verkehrswegen abruft: hinein ins Unterholz und durch luftiges Kiefern- und Birkengehölz. Vielleicht möchte er uns ja nur einmal einen echten Elch präsentieren. Die letzten 15 Kilometer vor unserem Ziel beschert er uns dieses staubige und holprige Vergnügen.

Reiseroute Stockholm – Unden-SeeReiseroute Stockholm – Unden-See

Der Unden-SeeDer Unden-SeeUm 15:50 Uhr kommen wir wider Erwarten doch in Camping Tiveden an der Ostseite des Unden an [N 58° 47' 55" E 014° 32' 20"]. Unser Ziel gehört zur historischen Provinz Västergötland. Der Himmel ist weiß-blau, das Thermometer zeigt 18° C und der erste Eindruck sagt: ein Ort zum Verweilen. Schon die Begrüßung in der Rezeption ist ausgenommen freundlich, engagiert, offen, ohne sich anzubiedern. Die Betreiber, Hein und Marlies de Kort, kommen aus den Niederlanden und sprechen neben schwedisch und holländisch auch deutsch. Das brauchen wir zwar nicht, aber es lockert die Kommunikation. Wir finden einen schnuckeligen Platz und registrieren sofort, dass hier Zelte (und Holländer) die Szenerie beherrschen, was daran liegt, dass, wie wir bald sehen werden, die gesamte Infrastruktur auf Zelturlauber ausgerichtet ist: Große Küche mit einer Turbo-Spülmaschine, Speiseraum, Kinderräume, Fahrräder, Kanus, herrliche Wanderwege und einiges mehr, alles Dinge, die man mit kleinem Gepäck für einen Abenteuerurlaub zu schätzen weiß. 264 Kilometer sind wir heute gefahren, dem Ekelwetter Stockholms entkommen und im Paradies gelandet. Jetzt haben wir uns eine Tasse Kaffee und zwei süße Stückchen verdient. Und unsere Seelen baumeln, schon kaum dass wir da sind, neben uns und beglückwünschen sich und uns.

Der Unden-SeeDer Unden-SeeReh statt ElchWieder kein ElchGegen 17 Uhr machen wir einen Erkundungsspaziergang durchs Unterholz entlang des Sees und rund um den Campingplatz. Erster Eindruck: Beeren, Kiefern, Birken und Flechten – Trollrevier. Das passt zumindest für Fianna. Und wir meinen, dass das hier ein fabelhaftes Elchrevier sein müsste. Nach einer halben Stunde haben wir uns den ersten Eindruck verschafft, ohne einen Elch gesichtet zu haben, und kehren bei inzwischen markantem Wind und viel Wolken zurück. Kurz darauf setzt der Regen ein, und um 18:30 Uhr schüttet es. Da hätten wir auch in Stockholm bleiben können. Obwohl: Hier ist es schöner! Sogar bei Regen.

DoosieFarewell DoosieUm 20 Uhr erfahren wir, dass unsere Doosie aus Hohenpeißenberg nicht mehr ist, jene Doosie, die sich vor über einem Jahr durch einen Zeckenbiss eine Hirnhautentzündung einfing, komplett gelähmt war und es durch liebevollste und intensivste Betreuung wieder auf zwei Beine geschafft hat. Nun war sie austherapiert, nun wollte sie nicht mehr, nun litt sie selbst am Leben, und nun ist sie nicht mehr. Erlöst, ohne von uns noch einmal geherzt worden zu sein. Doch es ist wohl besser so. Für sie auf jeden Fall und wahrscheinlich auch für uns. Farewell, alte Storchenjägerin. Du hättest hier für uns wahrscheinlich sogar einen Elch aufgestöbert.

Um 21 Uhr gibt es aus dem Omnia Gemüse mit Reis und Hackfleisch. Der Appetit hält sich in Grenzen. Das Abendmahl wird schweigend gegabelt und gelöffelt. Und auch der Rest des Abends wird zum Taubstummenabend.

Um 23 Uhr gehen wir in uns und ins Bett. Schwere Wolken hängen über uns und in uns, aber der Regen hat aufgehört und übertönt die Grabgesänge nun nicht mehr.

 

Unden-See, Freitag, 19. August

Der Tag beginnt um 7:30 Uhr mit Nieselregen bei 14° C, und er fühlt sich an, als ob er einer würde, der sich jeder Chronik widersetzt; wir fühlen uns noch leer von Doosies Abschied, haben trotz Niesel Lust hängen zu bleiben und absolut keinen Bock, dem Regen davonzulaufen, um immer wieder feststellen zu müssen, dass er, wie der Igel, überall schon vor uns flüchtenden Hasen angekommen ist.

Der TurbospülerDer TurbospülerWir machen den Franz für Dauerbleibe sauber und fein, testen im Sanitärblock den Turbospüler, der einen ganzen Haushalt in drei Minuten wäscht und trocknet, frühstücken in Ruhe, bearbeiten unsere Fotos und schreiben Chronik. Wir trotzen dem Regen und betreiben stoisches Indooring.

Am späteren Vormittag stellt der Regen seine Gießarbeit ein, und wir bewegen uns und Fianna gegen 12 Uhr hinaus. Hinüber über die Landstraße, auf der wir gekommen sind, hinein ins schwedische Unterholz und südlich Richtung Sannerud, wo wir im Lanthandel, einem Dorfladen, wie man ihn sich nicht archetypischer vorstellen kann, einkaufen. Hier gibt es von Gebäck über Hundefutter und Menschenwurst, bis hin zum Betonmischer im Nebenraum alles, was Karlsson fürs Dach, Petterson für seinen Findus und Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf zum Überleben brauchen. Wir brauchen auch einiges, zum Beispiel Schwedens unvermeidbare Zimtschnecken, etwas Elchwurst und – Krebse, feuerrot gesottene Krebse, direkt aus dem See im Plastikbehälter. Hier ist die Zeit wirklich stehen geblieben. Auf dem Rückweg direkt neben der Straße entlang (das ist keine Belastung, hier fährt nichts) zeigt der Rucksack der Reiseleiterin seltsam feuchte Flecken. Es ist der Krebsbehälter, der nicht dicht ist und seinen Sud in den Rucksack träufelt. Also wird der Sack entwässert, die werte Ware gerettet und der Krebseimer unter die Arme geklemmt.

Durch den Wald nach SannerudDurch den Wald nach SannerudNach insgesamt acht Kilometern sind wir um 14 Uhr wieder beim Franz. Das Wetter hat gehalten: 18° C, weiß-blau. Aber ein bisschen feucht muss es heute schon sein, und wenn es nur der verkrebste Rucksack ist. Der wird gereinigt und zum Trocknen aufgehängt, und auch die Menschen werden gereinigt, aber nicht zum Trocknen aufgehängt. Bei dieser Gelegenheit machen wir die erste Erfahrung mit Tiveden-Sanitär: sehr sauber, in den Duschkabinen acht (8!) Kleiderhaken, die man sonst suchen muss wie die Nadel im Heuhaufen, und, kaum zu glauben, einen Schuhlöffel. Diese Fürsorge kommt ja gleich rechts hinter dem Paradies. Der Chauffeur wird immer fuchsteufelswild, wenn er diese hakenlosen Duschkabinen antrifft, wo man nicht weiß, wohin mit seinem Geraffel, als ob das ein Vermögen kosten und den Finanzrahmen eines Campingplatzes sprengen würde. Kein Haken ist Standard, acht Haken ist Tiveden. Der Chauffeur begeht ein inneres Hochamt und legt die van Korts dem Herrn an die Brust, nicht sofort, aber später, wenn es sich nicht mehr vermeiden lässt. Betrüblich ist das Wassermanagement, das nach wenigen Sekunden nur noch kalt aus dem Duschkopf rieselt, nach einer Erholungsphase statt der bezahlten fünf Minuten nur zwei Minuten temperiert kommt. Nun reißt der Chauffeur dem Herrn die van Korts wieder von der Brust. Obwohl: Sowas nennt man wohl Mischkalkulation mit Hilfe der Mischbatterie. Viele Haken und Löffel gegen eine zögerlich geizige Mischbatterie. Der Chauffeur hat seinen milden Tag und verzeiht. Ist ja sonst nichts auszusetzen, außer, dass man hier spielend holländisch lernen könnte vor lauter Holländer. Aber die sind ja auch alle freundlich, haben freundliche Fifis und sind nicht laut. Nur komisch, dass sie Gardinen an ihren Wohnwägen haben, wo sie doch so etwas von zu Hause gar nicht kennen. Wir machen Kaffeepause mit Zimtschnecken.

Um 19 Uhr feiern wir unser zweites Hochamt heute mit Krebsen und Sekt. 22 Krebse fingern wir aus dem Eimer, einer Würdige Zutaten für ein Hochamt für DoosieWürdige Zutaten für ein Hochamt für Doosieschmackhafter und frischer als der andere, und der Chauffeur muss mitzählen, sonst fallen für ihn höchstens acht ab, weil die Reiseleiterin in dieser Hinsicht kein Sozialverhalten kennt und mindestens so schnell futtert wie der Turbospüler spült und außerdem für den Zeitraum dieses Hochamts an einer akuten Dyskalkulie leidet. Der Chauffeur ist wachsam und bekommt seinen gerechten Anteil. Wir rufen dieses Krebsmahl als letztes Abendmahl für unsere Doosie aus und stoßen mit einem extratrockenen Rieslingsekt auf sie an. Eigentlich hätte es mindestens eine Magnumflasche Röderer sein müssen, aber mit so einem Anlass konnten wir nicht rechnen, und der Lanthandel von Sannerud ist mit diesem Wunsch überfordert. Möglicherweise der einzige, den er nicht erfüllen kann.

Dann sitzen wir und sinnen und trinken und lecken uns immer wieder die Finger und beschließen diesen ereignislosen und doch so unvergesslichen Tag um 22:30 Uhr bei freundlichen 14° C.

 

Unden-See, Samstag, 20. August

Wir starten bereits um 6:45 Uhr in den neuen Tag, gerade so, als ob wir mehr vorhätten als nichts. Wir haben uns nichts vorgenommen und kein schlechtes Gewissen darüber. Wir sind einfach da. Und könnten genauso gut irgendwo dort sein. Wir schlendern zum See und an ihm dahin, legen Fianna eine Fährte, testen, ob die Duschen heute Morgen mehr zum Verweilen laden als gestern, was uns zum Ergebnis bringt, dass sie heute zwar warm sind, aber schwedische fünf Minuten immer noch zwei deutsche Minuten sind.

Blauer Morgen am Unden-SeeBlauer Morgen am Unden-SeeUm 9 Uhr frühstücken wir bei wolkenlosen 17° C und teilen unser Frühstück mit zahllosen Wespen. Es sieht so aus, als ob wir dem Wettergott doch zu renitent erschienen waren, als dass er unsere Wetter-Indolenz weiter auf die Probe hätte stellen wollen.

So verbringen wir auch diesen Tag, wie den vergangenen, mit einem gehobenen Dolcefarniente unter Sonne und Wolken, machen nichts und zwischendurch mal Wäsche und stellen uns der traurigen Aufgabe, einen Nachruf für Doosie zu verfassen. Es gibt Beglückenderes an einem verträumten Urlaubssamstag. Gehen wir es an; vor 36 Jahren hat Reinhold Messner am 20. August als erster Mensch alleine den Mount Everest ohne Sauerstoff bestiegen, da wird uns doch wegen eines Nachrufs, auch wenn er ein sehr schmerzlicher ist, nicht gleich die Luft wegbleiben.

Zum Sortieren der schweren Gedanken schlendern wir noch einmal hinüber nach Sannerud in den Lanthandel und greifen den vorläufig letzten Eimer Krebse ab, dazu süße Stückchen und was man eben so braucht und sich einem in einem Kramerladen aufdrängt. Der Nachmittag unterscheidet sich vom Vormittag (waschen, lesen, schreiben, dösen) nur in der Unterordnungseinheit, die Fianna absolvieren darf und mit Eifer und Freude absolviert sowie der Kaffeepause mit Zimtschnecken und den Marzipantörtchen aus dem Lanthandel. Fianna versucht eifrig, uns die Wespen vom Gebäck zu halten und kämpft einen ebenso entschlossenen wie hoffnungslosen Kampf. Wir hatten in dieser Weltgegend eigentlich Stechmücken erwartet und uns dafür sehr reichhaltig mit einem speziell hier erprobten  und sündteuren Mittel eingedeckt und müssen uns nun nur den Wespen stellen, weil die Culicoiden offenbar von unserer Kampfbatterie erfahren haben und sich leichteren Opfern zuwenden. Wenn es auch so hilft, soll es uns recht sein. Was aber hilft gegen Wespen, außer einem kompromisslosen und äußerst geschickten Fiannagebiss?

Gegen 19 Uhr machen wir mit Fianna einen Spaziergang. Es ist bewölkt mit Neigung zum Regen, aber windstill, und es hat 18° C. Gegen 20 Uhr zelebrieren wir unser heutiges Abendmahl mit – nein, nicht mit den Krebsen – mit verlockend-lecker geräuchertem Fisch aus dem See (und natürlich dem Lanthandel), dazu Salat und Baguette.

Als wir um 22 Uhr den Tag beschließen, regnet es bei 15° C. Und die frisch geduschte Wäsche draußen bekommt eine Nachreinigung. Im Urlaub und im schwedischen Dickicht der Trolle ist das völlig wurscht.

 

Unden-See, Sonntag, 21. August

Um 7:45 Uhr treten wir in einen regenfreien Morgen, bedacht von einem weiß-blauen Himmel und umschmeichelt von hoffnungsvollen 16° C.

Der Der "Blaue Weg" Nach dem Frühstück machen wir uns um 10:45 Uhr auf den blauen Weg, einen Wanderweg östlich des Unden-Sees, der, wie man sich denken kann, blau markiert, nicht jedoch von Schnapsbuden gesäumt ist. An der Rezeption des Campingplatzes liegen einlaminierte Streckenpläne aus, die man sich kostenlos ausleihen kann. Und so macht man sich unbesorgt auf den Weg, zumal die Wanderwege in Schweden bestens Über Stock und SteinÜber Stock und Steingekennzeichnet sind; überall hängen Stoffstreifen in den entsprechenden Farben an den Bäumen, die Baumstämme tragen farbige Bauchringe und farbgetupfte Steine weisen uns den Weg. Wer sich hier verläuft, muss eine schwere Nacht gehabt haben – oder seinem Hund vertrauen, anstatt auf die Markierungen zu achten. Und so steht der Chauffeur plötzlich bis über die Knöchel im miefenden Modder einer schlammigen Anhöhe, weil sein Lieblingshund einen anderen Plan im Kopf, eine ausgefallene Idee oder einfach nur einen interessanten Geruch in der Nase hat. Quaaatsch... Da kann man mal sehen, wie schnell man feststeckt, wenn man sich vom rechten Weg abbringen lässt. Der ist schnell wieder gefunden, und der Chauffeur bewandert ihn forthin mit einer Fangopackung im rechten Stiefel. Die Strecke ist jedoch so abwechslungsreich und romantisch, dass das Missgeschick schon nach wenigen Metern Geschichte ist.

Am SeeÜber eine Anhöhe steigen wir hinab zum Badeplatz eines kleinen Sees, machen es uns an dem Picknickplatz gemütlich, lauschen den kleinen Wellen unter dem Steg und sind völlig allein. Es würde uns nicht wundern, wenn jetzt ein Elch um die Ecke böge. Auf weniger rustikalem Geläuf wandern wir zurück zum Campingplatz, wo wir gegen 15 Uhr wieder eintreffen. Etwas schwüle 20° C hat es, Wolken treiben sich herum, aber es ist absolut windstill. So können wir unseren Kaffee mit Zimtschnecken und Apfeltaschen mit den Wespen im Freien genießen. Fianna darf bei einer nicht ganz leichten Fährte im angrenzenden Wiesenstück noch zeigen, dass sie mehr kann als ihren Chef hinter die Fichte zu führen, und das erledigt sie mit Bravour und, wie jener meint, mit einem schalkhaften Blitzen in den Augen (der Schuh hängt zwischenzeitlich gereinigt zum Trocknen am Fahrradständer).

Krebse aus dem SeeKrebsessenUm 19 Uhr sitzen wir wieder über einem Gnadenteller voller feuerroter Krebse, an deren Resten sich auch Fianna mit Genuss beteiligt. Zum Nachtisch kommt Vanille-Eis mit Sahne und selbstgepflückten Heidelbeeren auf den Tisch, dazu reicht die Speiseleiterin einen Espresso Doppio, der sich gegen die langsam heraufziehende Abendfrische stemmt. Aber es ist noch zu früh, um den Rückzug anzutreten. Vanilleeis mit HeidelbeerenTopfschleckerNoch kleckst der Himmel mit zu vielen Farben herum, als dass wir uns unter Deck begeben könnten. Erst gegen 23 Uhr gewinnt die Nacht die Oberhand über uns, fährt uns mit feucht-frischen Fingern unter die Kleider und sorgt mit wolkigen 14° C für unseren willigen Abgang in den wärmespendenden Franz.

Es war das Wissen um den Abschied von Tiveden-Camping, der uns so lange aushalten ließ, einen unspektakulär freundlichen Ort, den wir bestimmt wieder aufsuchen werden, wenn wir wieder einmal in diese Gegend kommen sollten und das Bedürfnis verspüren, so ganz nebenbei etwas holländisch zu lernen. Europa ist eben doch Heimat für den, der Kraft und Glück aus seiner Stärke zieht.

 

 Tiveden Nationalpark, Montag, 22. August

Der Unden-See macht es uns mit wolkenlosen 13° C um 7:15 Uhr schwer, ihm den Rücken zu kehren. Aber es hilft ja nichts; wir wollen ja nicht so lange aushalten, bis die de Korts aufgeben und uns die Anlage überschreiben und wir aus der niederländischen Kolonie eine deutsche Aussiedelei machen. Nein, wir müssen weiter, wenn auch nicht weit heute.

Abreisetage sind immer gleich unsentimental, weil von notwendiger Routine bestimmt; da wird nicht viel geredet, da weiß jeder, was er oder sie zu tun hat, außer Fianna, die nicht so recht weiß, was ihre Aufgabe ist. Im Zweifel, den Franz bewachen, wenn das Personal noch einmal prüft, ob schwedische fünf Minuten immer noch deutsche zwei Minuten sind. Wir lassen 1.438 Kronen auf dem Rezeptionstisch der de Korts liegen, Strom, Frühstücksgebäck, und Waschmaschinennutzung inklusive, und verlassen Camping Tiveden um 11:15 Uhr. Schnell müssen wir noch beim Tante-Emma-Laden von Sannerud vorbeischauen, um uns mit ein paar überlebensnotwendigen Dingen einzudecken, wie etwa mit Zimtschnecken und Apfeltaschen, aber um 12 Uhr stehen wir bereits auf dem Parkplatz des Tiveden Nationalparks [N 58° 43' 51" E 014° 34' 24"].

Im Nationalpark TivedenIm Nationalpark TivedenKunst im SeeWir werden gleich freundlich in Empfang genommen und an einer Schautafel aufgeklärt, welche Wanderungen wir machen können, wie viel Zeit wir einplanen sollten und auf welche Bedingungen wir uns gefasst machen müssen. Wir bedanken uns bei der Rangerin mindestens so freundlich wie sie uns umsorgt hat und entscheiden uns für die Stenkälla-Runde, einem Rundweg mittlerer Länge, vor allem, weil der Himmel mit feuchten Überraschungen droht.

Tiveden ist aus den Wortteilen tyr (Gott) und ved (Wald) gebildet, bedeutet also Gotteswald. Der Nationalpark besteht schon heute zu einem beträchtlichen Teil aus Urwald und soll sich weiter, unbeeinflusst vom Menschen, zum Urwald entwickeln. Die Schweden sorgen demnach dafür, dass sich der menschliche Besucher auch ordentlich auf den für See im Tiveden Nationalparkihn gedachten Wegen bewegt, indem sie eine Markierung zur Verfügung stellen, die sogar das bisher Erlebte noch übertrifft; Fehltritte dürften hier sogar einem ferngesteuerten Chauffeur schwerfallen. Und dass sich der Mensch nicht aus Gründen der Notdurft gezwungen sieht, die Wege zu verlassen, sparen die Verantwortlichen nicht mit Klohäuschen. So stapfen wir also los, schwitzend unter schwülem schwedischem Laub- und Nadeldach. Es dauert auch nicht lange, bis wir eine saftige Dusche abbekommen, die allerdings nicht zur Abkühlung beiträgt, sondern das Waschhaus noch ein  wenig dampfiger macht. Wenn jetzt Brüllaffen und Orangs in den Ästen hingen, würden wir uns keinen Augenblick wundern.

Urwald im Tiveden NationalparkFianna im Nationalpark TivedenHier muss es Trolle geben, wo, wenn nicht hier? Nicht ohne Grund führt ein anderer Rundweg zu Trollkyrka, der Trollkirche, einem Felsen, auf dem bis ins 18. Jahrhundert heidnische Rituale vorgenommen wurden. Für Christen war diese Kirche absolut verboten. So jenseitig kommen wir uns in diesem verwunschenen Wald auch vor, was selbst die reichlich vorhandenen Wanderer nicht verhindern können. An vielen StenkällaStenkällaStenkällaStenkällaStellen fühlen wir uns tatsächlich in die Zeit der Wikinger zurückversetzt, in Waldwinkeln mit modrigem und pflanzenbedeckten Brackwasser oder auf Lichtungen, auf denen uns Moose und Flechten von tiefgrün über silberweiß bis phosphorgrün fast blenden. Und Stenkälla ist eine Felsformation, die bei der Bildung von Risstälern zusammengestürzt ist und von den Eismassen der Eiszeit verschliffen wurde. Diese übereinander gestürzten Felsblöcke erinnern uns an die zusammengestürzten meterdicken StenkällaStenkällaStenkällaMauern des ehemaligen Führerhauptquartiers Wolfsschanze in Polen. Nur, dass dieser Felsenhaufen Schauer der Ehrfurcht über den Rücken schickt, wogegen das Geröll des FHQs bestenfalls Häme auslöst; offensichtlich war der Irre, der dieses hier aufgetürmt hat doch von entschieden anderer Macht als die Irren von der Wolfsschanze. Wir kriechen und hangeln uns zwischen hautnahen Felswänden zum Aussichtspunkt von Stenkälla hoch – und halten Ende der Stenkälla-RundeVerschwitzt, zerzauselt und zufriedenden Atem an. Atemberaubend schön, der Blick von hier oben.  Herrgott, warum ist dir die Welt nur so selten so gut gelungen wie hier? Man fragt sich bei einem solchen Anblick, ob der Schöpfer dieses Wunders vor der Vollendung seines Werks dement geworden oder gar gestorben ist und sie einem inkompetenten Pfuscher überlassen musste? Ist unsere Welt das Fragment eines begnadeten Unvollendeten? Unwillkürlich denkt man an die alte bretonische Sage vom verzweifelten Kampf des Teufels, es in Sachen Schöpfung Gott gleichzutun. Wenn immer Gott etwas schuf, machte sich der Teufel daran, etwas Gleichwertiges zu schaffen, doch nichts bekam er auf die Reihe. So schuf Gott beispielsweise die edle Weinbergschnecke und der Teufel brachte nichts als die Wegschnecke in die Welt. Sind Zecken also nichts als verunglückte Werkversuche des Teufels? Und wenn der Mensch Gottes Werk ist, wie muss dann erst die Kreatur des Teufels sein? Oder ist der göttliche Mensch bereits auf der Strecke geblieben und wir sind die Imitate des Teufels? Wie tief man in sich blicken kann, wenn man weit ins Land hinausschaut! Antwort bekommt man von beiden Ein- und Ausblicken nicht.

Immer wieder einmal werden wir in diesem schwedischen Urwald von schwarzen Wolken und Schauern überfallen, aber wir nehmen es hin, weil dieser Wald uns einen Eindruck vom Beginn der Zeit vermittelt, zu dem noch viel wildere Wetterexzesse gehörten. Wahrscheinlich haben die Schweden auch das organisiert, wie sie hier alles organisiert haben, alles in Top-Zustand halten, nichts dem Zufall und Verfall überlassen und doch der Urgewalt dieses Urwaldes nichts nehmen. Um 15 Uhr sind wir wieder am Ausgangspunkt, verschwitzt, zerzauselt und durch und durch zufrieden mit der Welt. Mit dieser Welt des Gotteswaldes!

Endstation BadeplatzEndstation BadeplatzFianna am SeeGibt's hier etwa Wassertrolle?Wohin nun? Wir sehen uns an, nicken und fahren los. Nur wenige Kilometer und um ein paar Ecken – und sind an jenem kleinen und verträumten See, den wir auf unserer gestrigen Wanderung kennenlernten. Um 15: 45 Uhr legen wir uns vor den Grillplatz, den See im Blick und das Klohäuschen in beruhigender Nähe, für heute zur Ruhe. Satte 27 Kilometer haben wir heute dem Tacho aufgeladen; irgendwie treibt es uns noch nicht weg. Wir Schweden-DixiEinsamkeit mit Schweden-DixiAbendstimmung am Badeseegönnen uns einen Kaffee und die inzwischen unverzichtbaren Zimtschnecken und Apfeltaschen und verschwinden um viertel nach vier im Franz, weil uns ein Gewitter mit Platzregen vertreiben. Wenn es nicht unsere Neugier ist, dann könnte es das Wetter sein, das uns von hier verjagt, heute aber bestimmt nicht mehr. Es geschieht auch sonst nicht mehr viel, das übliche Indooring eben, und um 20 Uhr dampft ein zünftiges Gulasch aus der Heimat auf dem Tisch und mit ihm dampft ein Kartoffelbrei, nur der Salat dampft nicht, was ihm gut zu Gesicht steht. Um 21:45 Uhr machen wir für heute die Lichter aus. Draußen dampft der Wald und der See schmatzt leise auf den Kieseln.

 

 Tiveden Nationalpark – Villingsberg (Villingsbergsgårdens Camping), Dienstag, 23. August

Der Badesee im MorgenlichtDer Badesee im MorgenlichtFianna, die schwedische LoreleyFianna, die schwedische LoreleyDie Nacht ist bei wolkenlosen 14° C um 6:30 Uhr vorüber, nichts mehr zu sehen vom feuchtschwarzen Abendgespenst, das uns vom See vertrieben hatte. Wir bummeln am See entlang, doch eigentlich balancieren wir von Stein zu Wurzel und von Wurzel zu Stein, denn der Badeplatz hat zwar einen Steg, aber keinen Strand. Denn gehen wir ein bisschen in die Heidelbeeren, denn auch dieser Vorrat ist aufgebraucht. Der Chauffeur entlockt der MorgentoiletteMorgentoiletteGitarre noch ein paar wehmütige Akkorde, die über den See wehen und von seiner guten Morgenlaune zeugen, und gegen 9 Uhr lassen wir uns auf ein Müslifrühstück am Picknickplatz nieder; doch hier im Schatten ist es noch immer ziemlich frisch.

Um 10 Uhr reisen wir nun endgültig ab und lassen das kleine Seegrundstück hinter uns, ohne seinen Namen zu nennen oder die Koordinaten preiszugeben; man muss auch mal etwas für sich behalten können; und wer von Camping Tiveden aus die eine oder andere Wanderung unter die Beine nimmt, wird fast zwangsläufig auf den See und seinen Picknickplatz mit Plumpsklo stoßen. Die Reise geht stracks nach Norden, macht nur ganz zu Beginn einen letzten Abstecher in den Süden, zum Lanthandel in Sannerud, wo wir uns noch mit einem gefühlten Monatsvorrat Rentierwürste eindecken. Dann weht uns der Wind, der eigentlich gar nicht weht, nordwärts. In Laxå machen wir kurz Halt, um Milch und Zimtschnecken zu besorgen, die heute beim Lanthandel schon vergriffen waren, kommen aber dennoch mit einer ganzen Wagenladung aus dem ICA-Markt heraus. Gleich nebenan machen wir ein Systembolaget aus. Systembolaget ist jenes staatliche Unternehmen, welches das Monopol auf den Handel mit alkoholischen Getränken jenseits der 3,5 Volumenprozent hat, um den Alkoholismus in Schweden in seine Schranken zu weisen, was zwar gescheitert ist, aber dem Staat satte Einnahmen verschafft, auf die er nicht mehr verzichten möchte. Also hinein ins staatliche Alk-Paradies. Als wir das systemet, wie es kurz auch genannt wird, wieder verlassen, haben wir drei Erkenntnisse gewonnen: Standardbiere, auch jene bayerischer Herkunft, sind nur mit einer Handvoll Nuggets zu erstehen, selbst jene nahezu geschmacksneutralen Produkte von Spaten, Löwenbräu oder Franziskaner, die nach der Übernahme durch globale Braugiganten noch wässriger schmecken als zu ihren bayerischen Zeiten. Zweitens ist das Weinsortiment von so sensationell namenlosen Produkten geprägt, dass selbst der engagierte Weinliebhaber seinem Hirn Überstunden zumuten muss, um in dessen verborgensten Ecken Hinweise auf das eine oder andere Produkt zu finden. Wir leisten uns deshalb nur einen namenlosen Roséwein mit dem programmatischen Etikett "Perfect day", weil die Reiseleiterin neben einer guten Weinnase eine lebhafte Ader für kitschig-kultige Etiketten und blumige Namenskonventionen hat. Wir wissen zwar noch nicht, was der Tag noch bringt, aber warum sollte er nicht perfekt sein? Der letzte Sargnagel für einen weiteren Besuch beim systemet ist das Fehlen von Campari; da wird der Chauffeur hartherziger als die römischen Soldaten, die dem Nazarener am Kreuz für seinen Sterbensdurst Essigwasser reichten. No Campari, no mercy, no comeback. Man fragt sich beim Verlassen des systemet, womit sich die Schweden denn freiwillig besaufen? Mit dem belanglosen Angebot doch hoffentlich nicht. Das ist keinen Rausch wert.

Um 11:45 Uhr schnüren wir weiter nach Norden, begleitet von grauschwarzen Wolken und 21° C. Hier und heute erleben wir wieder einmal eine Episode des Lustspiels "Digitale Intelligenz am Abgrund". Hartnäckig versucht unser Garmin-Navi, uns auf die abartigsten Strecken zu lotsen, nur weil wir seinen Routenvorschlag ablehnen und uns für eine etwas rustikalere Variante entschieden haben. Diesem Entschluss setzt der Garmin noch ein paar Ausschläge drauf, welche die Privatnavigatorin damit kontert, dass sie uns auf eine in den Karten gelb eingezeichnete Straße manövriert, die normalerweise gut zu befahren sind. Diese hier ist es nicht. Diese besteht aus bösartigstem schwedischen Schotter, was die Navigatorin blass um die Nase und den Chauffeur so gelb wie die Straße vor Zorn werden lässt. Der Zorn und die vornehme Sorgenblässe lösen sich in lebendiges Bäckchenrosa auf, als wir trotz dieser Schotterpiste 15 Minuten früher am Ziel sind als die von Garmin empfohlene Route vorhersagte. Ein dreifaches Hoch auf die Kompetenz digitaler Routiniers! Man könnte auch sagen: Lieber analog und weiblich als digital und unbeschreiblich.

Reiseroute Tiveden-Nationalpark – VillingsbergReiseroute Tiveden-Nationalpark – Villingsberg

Villingsbergsgårdens CampingVillingsbergsgårdens CampingDer Våt-SeeDer Våt-SeeSo stehen wir, mit der Welt einigermaßen befriedet, um 12:45 Uhr vor den Toren von Villingsbergsgårdens Camping, in Villingsberg, etwa 10 Kilometer südöstlich von Karlskoga in der Provinz Örebro (historische Provinz Värmland) [N 59° 16' 45" E 014° 40' 58"]. 85 Kilometer liegen heute hinter uns. Die Sonne spielt mit den Wolken und diese mit ihr, im Durchschnitt liefert sie 18° C bei uns ab. Und zu unseren Füßen liegt schon wieder ein See, der Våtsjö. Das muss die pure Seensucht sein.

Um 15 Uhr lassen wir uns auf Kaffee mit Zimtschnecken und Mandelkuchen an einem der Grillplätze nieder und lauschen dem wohligen Glucksen unserer Bäuche und des Sees. Der Campingplatz ist nahezu leer, aber unsere Nachbarn sind aus Ottobrunn, sind also auch im normalen Leben so eine Art Nachbarn. Von diesen lässt sich die Reiseleiterin die Schönheiten der näheren See bei KarlskogaBohlenwegUmgebung auftischen und schmackhaft machen, was dazu führt, dass der Chauffeur noch kurz vor sechs Uhr die Fahrräder vom Franzenheck wuchten und die Beine in Bewegung bringen muss. Mit Schwelg- Staun- und Fotopausen brauchen wir für die knapp 12 Kilometer doch fast eineinhalb Stunden. Wir kurbeln uns von einem See zum nächsten, streifen über Bohlenwege durchs Schilf und bleiben am nächsten Trollblick hängen. Nun haben wir doch schon reichlich Seeerfahrung gesammelt, aber dieses Land schafft es immer wieder, uns zu überwältigen, weil es uns zeigt, dass See nicht gleich See ist, und sogar ein See neben dem anderen völlig neue Gefühlwelten ansprechen kann. Der weiß-blaue Himmel, die 20° C und die sanfte Brise bringen den gesamten Skandinavienkitsch in uns zum Schwingen und Klingen. Da hadert sogar der Chauffeur nicht mehr wegen der, aus seiner Sicht, ursprünglich völlig unnötigen Erkundungshektik. In Schweden liegt hinter jeder Wegbiegung eine Perle verborgen.

Ein perfekter TagGitarrenklänge am VåtsjöUm 20 Uhr werfen wir den Grill an und Fleisch darauf, Kartoffelsalat gibt es dazu und den rosigen "Perfect day", was wir nun als zutreffend so in die Chronik schreiben können. Der Chauffeur schickt noch ein paar Gitarrenklänge über den See, bis ihn um 22 Uhr erstens die nächtliche Kühle die Finger sauer werden lassen und der erste Mückenstich der Reise den Tag zu einem geringfügig unperfekteren macht. 

Ein sehr schöner Tag geht zu Ende, störend sind nur die sonnenuntergang am Våtsjörumpelnden Explosionen in der Ferne, herüber von Karlskoga. Dort hat seinerzeit Alfred Nobel Versuche mit Dynamit gemacht, später brachte er seine letzte Zeit dort (ein sehr sehenswertes Nobel-Museum gibt es dort, wo er zuletzt lebte, auch), und noch heute ist in Karlskoga Rüstungsindustrie angesiedelt. Oder geistert der untote Nobel noch immer zwischen den Seen herum und lässt es krachen wie Opa Hoppenstedt an Weihnachten?

 

Villingsberg – Mellerud (Vita Sandar Camping), Mittwoch, 24. August

Um 8:15 Uhr liegt Hochnebel über dem schwedischen Perlenparadies, und schon sieht es genauso trübe aus, wie die Heimat unter grauer Nebelsuppe aussieht. 15° C wärmen zudem weder Herz noch Glieder. Während die Reiseleiterin nochmal aufs Rad steigt, um ihrer Lieblingshündin herzhaften Morgensport zu ermöglichen, stürzt sich der Chauffeur in die Morgenroutinen. Gegen 10 Uhr löffeln wir ein Müslifrühstück und sind, nachdem wir respektable 260 € bezahlt haben (Strom inklusive), wieder WikingerschiffWikingerschiffWikingerdorfWikingerdorfauf der Piste, die vorerst keine Schotterpiste ist, sondern die E 18, die uns über Karlskoga und Karlstad an der Nordspitze des Vänern entlang nach Westen führt, bis hinüber nach Nysäter, wo wir an "Värmlands Vikingacenter" einen Stopp machen [N 59° 17' 12" E 012° 46' 43"]. Wir sind die einzigen Besucher, die sich das Wikingerschiff und -dorf ansehen wollen, und tatsächlich gehört das hier nicht zu den Highlights einer Schwedenfahrt. Warum auf dem Gelände für die Besucher ein Plumpsklo wartet, obwohl sie in einem modernen Repräsentations- und Dokumentationsgebäude in Empfang genommen werden, in dem wir eine Toilette vermissen oder aber übersehen, bleibt das Geheimnis der Bertreiber. Vielleicht wollen sie sich die Putzfrau für die Handvoll Besucher, die zu Saisonende noch zu erwarten sind, sparen.

Um 13:45 Uhr ziehen wir weiter, den Wikingern die kalte Schulter zeigend. Nun fahren wir nach Süden, zuerst am Nordwestufer des Vänern-Sees vorbei und wenden uns dann auf Höhe von Tösse nach Westen, weg vom See, um im Landesinneren wieder nach Süden, in Richtung Håverud, zu schwenken. Wir sind uns sicher, nein: wir wissen, dass es nach Håverud eine achs- und gesäßfreundliche Strecke gibt, aber der Garmin hat entweder das Sightseeing- oder das Rallye-Modul aktiviert und entscheidet sich für eine Berg- und Talbahn, die den bayerischen Automobilisten in solches Verzücken versetzt, dass er ihm nicht nur nicht böse ist, sondern ihn geradezu fast heilig spricht. Was für eine Auf und Ab, was für kühne Kehren! Kein Wunder, dass sich hier Schwedens Mopedfahrer zu einem Stelldichein verabredet haben, ähnlich wie bei uns in Bayern am Kesselberg oder am Tatzelwurm, wo sich die Zweiradakrobaten nicht nur in die Kurven werfen wie die Sau in den Sumpf, sondern gleich auch noch in Serie aus dem Leben katapultieren. Gerne würde der Chauffeur den Bikern Paroli bieten, ihnen zeigen, was eine bayerische Bergfahrersozialisation zu bieten hat, aber der gemeine schwedische Autofahrer (Homo sapiens suedicus turbomobili) fährt mit 35 km/h den Berg hoch und runter, der hundsgemeine schwedische Autofahrer (Homo sapiens suedicus dormimobili) schafft gerade mal 25 km/h und steigt vor jeder Kurve aus, um einen Blick um die Ecke zu werfen. Da ist den Motorrädern kein Hinterherkommen, da ist nur ein Hintendranhängen und ein zwischen den Gängen hängen. Aber wenn der Chauffeur seine Chance sieht, hetzt er seinen 3,5-t-Franz mit 60 Sachen an den schwedischen Gravitäten vorbei und jauchzt dabei wie Luis Trenker am Gipfelkreuz. Fianna müssen wir bei diesen Manövern fast im Bett des Chauffeurs fixieren, damit sie sich kein Schleudertrauma holt. Um 14:55 Uhr ist der Traum vom Fliegen vorbei und wir stellen uns auf einen Parkplatz von Håverud [N 58° 49' 25" E 012° 24' 47"]. Es ist bewölkt bei 20° C.

Modell der Schleusenanlage in HåverudModell der Schleusenanlage in HåverudDie SchleuseDie SchleuseUnser Ziel ist der Dalslandkanal, der den Vänern mit einer Reihe von Gewässern im Norden Schwedens verbindet. Der Kanal wurde zwischen 1864 und 1868 gebaut, wobei die Schlucht mit den Stromschnellen bei Håverud eine besondere Herausforderung darstellte. Der Erbauer Nils Ericson löste das Problem genial mit einer Trogbrücke über die Stromschnellen hinweg. Diese Trogbrücke und die anschließende Schleusentreppe sind eine technische Meisterleistung und beindrucken noch heute. Leider ist es uns nicht vergönnt, auch nur ein Schiff die Passage befahren Die TrogbrückeDie Trogbrückezu sehen, weder einer der Ausflugsschiffe noch ein Segler; hier ist schon Nachsaison und die "Nils Ericson", die eigentlich um 15:30 Uhr hier ankommen sollte, lässt sich nicht blicken. Nichts ist hier los, so tot ist das hier, dass wir nicht einmal unsere Fragen loswerden, weil die Touristeninformation auch verwaist ist. Endzeit in Schweden. Hier brummt der Bär bereits im Winterschlaf. Nachdem wir auf keine Besserung hoffen dürfen, fahren wir, zwar von der technischen Leistung dieses Aquädukts beeindruckt, aber mit einem enttäuschten Touristenherzen, um 16:10 Uhr weiter.

Vor den Toren von Vita Sandar CampingVor den Toren von Vita Sandar 25 Minuten später sind wir bei Vita Sandar Camping in Mellerud, am Westufer des Vänern [N 58° 41' 21" E 012° 31' 0"]. Hinter uns liegen heute 222 Kilometer. Ein Womo, soweit das Auge reicht, und es steht auf der Warteplatte des Platzes, wohin auch wir beordert werden; kein Grund, den Platz wegen einiger verspäteter Touristen zu öffnen. Die Sanitäranlagen sind noch in Betrieb, auch der Laden scheint noch nicht komplett im Urlaub zu sein. Wir nehmen uns vor, den Gedenkstein des Hundes zu suchen, der hier begraben liegt. Weit muss man vermutlich nicht gehen. Aber der Himmel über dem Vänern kleidet sich weiß-blau und schickt 22° C zu uns herab.

Reiseroute Villingsberg – MellerudReiseroute Villingsberg – Mellerud

Der VänernDer VänernKurz nach 17 Uhr machen wir uns zu einem Erkundungsspaziergang in der Nachbarschaft auf, durch schwedischen Wald und eine Feriensiedlung zu einem spektakulären Aussichtspunkt am See. Der Vänern liegt zwischen den historischen Provinzen Dalsland, Värmland und Västergötland. Mit einer Fläche von 5.519 km² ist er der größte See der Europäischen Union, hinter dem russischen Ladogasee und Onegasee ist er auch der drittgrößte See Europas. Zum Vergleich: Der Bodensee misst 536 km², die Müritz 112 km².

Der Strand bei Vita SandarDer Strand bei Vita SandarUm 18:45 Uhr sind wir wieder beim Franz, und die Abendsonne taucht den Strand des Vänern, den Schilfgürtel und die Bäume in ein Zauberlicht. Um 19:45 Uhr hat die Speiseleiterin Rigatoni al forno im Omnia gezaubert, dazu gibt es einen formidablen, zehn Jahre alten Roten vom Chateau Canorgue. Den Abschluss bestreitet ein Blaubeereis mit Sahne. Der Tag hinterlässt gemischte, vor allem unerfüllte Gefühle, aber das Abendmahl reißt alles wieder raus. Sehr lange halten wir es jedoch nicht im Freien aus, weil uns der schwedische Frühherbst kräftig unter die Kleider kriecht. Und um 23 Uhr machen wir die Lichter aus.

 

Mellerud – Hamburgsund (Rörviks Camping), Donnerstag, 25. August

Um 7:45 Uhr steigt der Chauffeur aus der Koje, die Reiseleiterin bleibt noch liegen, weil ihr der Kopf wie ein Bienenschwarm summt; am Roten von Canorgue kann das nicht liegen, sonst müsste der Chauffeur mindestens so viel leiden. Vielleicht ist es einfach nur die morbide Stimmung dieses Platzes, der eigentlich einen offenen und freundlichen Eindruck macht, aber wegen seiner Verlassenheit und Leblosigkeit auf die Stimmung drückt. Das erfährt der Chauffeur, als er eine Dusche sucht. Die erste, die er betritt, ist so spartanisch, dass sogar die Spartaner den Tag ungeduscht begonnen hätten; auf halber Wandhöhe, im Spritzbereich der Dusche ist ein Kleiderhaken über einem an der Wand befestigten Mülleimer angebracht. Wie soll man seine Klamotten, das Duschzeug und das Handtuch hier aufhängen? Gottlob hat der erfahrene Camper immer mobile Kleiderhaken, die man über die Zwischenwand oder die Duschtüren hängen kann – aber nicht bei Vita Sandar. Hier gibt es keine Zwischenwand, sondern nur kompakte Duschen mit Wänden, die in die Decke übergehen; nicht schlecht eigentlich, aber sehr unpraktisch. Und an der Tür bleibt auch nichts hängen, weil sie außen am Rahmen satt anschlägt. Der Chauffeur sucht weiter, weil er sich gestern schon mal kurz umgesehen hat und eine weitere im Restaurant- und Ladenblock erspähte, und zwar eine geräumige in Lokaleinheit mit einer Toilette. Jetzt ist sie besetzt. Kein Mensch auf dem Platz, aber die Duschtoilette ist besetzt! Also: Morgengeschäft in einer anderen Toilette erledigen. In der Toilette, die er findet, lommelt die Brille auf der Schüssel, dass Absturzgefahr droht. Hilft aber nix, was muss, das muss. Nun, als er sitzt und sinnt, fliegt ihm der Deckel ins Kreuz. Endzeit nicht nur in Håverud, sondern auch in Mellerud. Nach Erledigung der Geschäfte ist die Duschtoilette drüben im Ladenblock immer noch belegt. Ja, zefix! Dann eben nicht! Handwäsche muss reichen. Der Laden ist fast ausgeräumt, es gibt nur noch Ciabatta und Mini-Baguettes, und man ist fast froh, dass sich noch jemand zur Bedienung der Kasse findet. Es ist schon klar, dass ein gut frequentierter Campingplatz zu Saisonende verlebt und verschlissen ist, aber dann sollte man ihn auch schließen und sich keine solche Blöße geben. Das hier kommt uns vor wie ein deutscher Supermarkt um 19 Uhr: Man hat zwar noch eine Stunde geöffnet, aber räumt und putzt schon mal die Wurst- und Käsetheke, dass man pünktlich die Kurve kriegt. Service fatal, hier muss man sagen: Sverige fatal.

FelsritzungenUm 11:30 Uhr verlassen wir Vita Sandar, es ist bedeckt und regnet etwas, allerdings bei 21° C. Bei ICA in Mellerud legen wir noch einen kurzen Einkaufsstopp ein und fahren um 12 Uhr weiter. Wegen der vielen Seen müssen wir uns auf unserem Weg vom Vänern nach Westen einen großen Schlag über Nord machen, bis wir um 13:15 Uhr auf dem Parkplatz des Vitlycke Museum in Tanumhede ankommen [N 58° 42' 1" E 011° 20 ' 26"]. Wir wollen hier die berühmten Felsritzungen ansehen, die bis in die Bronzezeit zurückreichen und deren früheste etwa auf 1800 vor unserer Zeitrechnung datiert werden. 1994 wurden sechs solcher Fundstellen ins UNESCO-Welterbe aufgenommen, Vitlycke ist eine davon. Doch bevor wir uns den bronzezeitlichen Bilderbüchern widmen können, legen wir uns aufs Ohr, weil es draußen schüttet. Auf dem Parkplatz herrscht ein sehr reges Kommen und Gehen, und als wir uns zwei Stunden später bei nur noch leichtem Regen aus dem Franz wagen, sind wir wahrscheinlich die einzigen, die von der 13:15 Uhr-Belegung noch über sind; der Franz steht wie ein Fels in der Brandung von Vitlycke. Da empfiehlt es sich, mal nachzusehen, ob ihm nicht ein moderner Ritzkünstler eine Deko in die Außenhaut geritzt hat. Doch der Franz ist unversehrt, und wir schauen uns erst einmal im Museum um, erstehen für den Chauffeur ein schickes T-Shirt mit einem FelsritzungenFelsritzungenbronzezeitlichen Kopulationsmotiv und gehen dann hinüber zu den Zeichnungen. Nach diesem Regen und den 21° C zuvor, kochen wir unter unseren Klamotten wie die Krebse, die neulich auf unseren Tellern lagen. Die Ritzungen sind wirklich beeindruckend und decken so ziemlich alle Bereiche des Lebens ab, von der Hochzeit über die Jagd und die Landwirtschaft bis – wie könnte es anders sein? – den Krieg. Um 16:15 Uhr fahren wir nur wenige Meter weiter zu den Felszeichnungen von Aspeberget [N 58° 41' 45" E 011° 20' 15"], die wir auch noch in Augenschein nehmen, um uns um 16:40 Uhr wieder auf die Straßen der Neuzeit zu begeben.

Das Skagerrak bei FjällbackaDas Skagerrak bei FjällbackaUm 17 Uhr halten wir in Fjällbacka an und werfen einen ersten Blick auf die zerklüftete Inselwelt des Skagerraks, haben allerdings keine Hoffnung, noch Überreste von Ingrid Bergmanns Asche zu finden, die hier, vor Fjällbacka, in die Ostsee gestreut wurde.

Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bis Hamburgsund, wo wir um 17:25 Uhr bei Rörviks Camping um Einlass bitten und einen Stellplatz zwei Meter vom Wasser entfernt bekommen [N 58° 32' 26" E 011° 16' 57"]. Es ist bedeckt bei 20° C. Unser heutiges Etmal beträgt 123 Kilometer. Die Nachbarn aus Recklinghausen erweisen sich als ergiebige Plauderpartner, weil die Bestückung mit zwei Malinois und einem Terrier gar nichts anderes zulässt, als unverzüglich alle grundlegenden wie speziellen Positionen bezüglich Hund, Hundeerziehung und Hundesport auszutauschen und abzuklären, um zufrieden festzustellen: gleiche Wellenlänge. Der Redequell wird nicht versiegen. Das garantiert dem Chauffeur die für seine Fahrleistungen vorgeschriebenen Ruhezeiten.

Reiseroute Mellerud – HamburgsundReiseroute Mellerud – Hamburgsund

Um 19:45 Uhr, nachdem wir bis dahin nichts anderes gemacht haben, als geplaudert und einen Ankerschluck genossen zu haben, gibt es Gulasch aus dem Glas, das eigentlich ein Rinderbraten hätte sein sollen, aber fehlerhaft etikettiert worden war, Rörviks Camping in HamburgsundRörviks Camping in Hamburgsundals Gulasch mit Bratkartoffeln allerdings ebenso mundet wie der avisierte Rinderbraten. Mit dem Hintern direkt über den schmatzenden Wellen des Skagerraks ist es auch weidlich egal, ob das Abendmahl aus Gulasch, Rinderbraten, Fischstäbchen oder Matze besteht, weil die Kulisse vor der langsam dahinsiechenden Abendsonne den Geschmacksnerven sowieso die Relevanz nimmt. Wir sitzen noch eine ganze Weile, schweigend, sinnend und lauschend, weil die Nachbarn ausgegangen sind, lassen die Nacht in uns gleiten und schließen die Luken um 21:30 Uhr.

 

Hamburgsund, Freitag, 26. August

Wer früh ins Bett geht, kommt auch früh aus den Federn, in unserem Fall um 6:30 Uhr. Wie schon längst etabliert, führt die Reiseleiterin Fianna aus und der Chauffeur kümmert sich um den Franz und das Frühstück. Es ist wolkenlos bei 17° C.

Morgens in HamburgsundMorgens in HamburgsundUm 8:30 Uhr frühstücken wir im Freien und werden, was unsere weitere Reiseplanung angeht, nachdenklich, als wir den Aufdruck auf den Papierförmchen der Frucht-Schokomuffins lesen: Inspired by nature. Ist dieser Marketingquatsch etwa ein leichter Schlag auf den Hinterkopf, der unser Denkvermögen anregen, also inspirieren, soll? Wir gehen in uns und folgen kurz darauf der Weisung aus dem Off und legen Göteborg zu den Akten. Wir bleiben am Wasser, in den Schären und zeigen Göteborg die kalte Schulter: Gegend statt City. Wir hatten bisher schon reichlich Gegend, aber dies hier ist die Gegend, die dem Seefahrer das Herz explodieren lässt: die Inseln, die Klippen, die Wellen, der Wind, die Möwen, das Salz in den Haaren und der modrige Geruch. Zwar ist das Skagerrak nicht mehr als eine Badewanne als Vorgeschmack auf das richtige Meer, der Blinddarm der Nordsee. Doch, je nach Messung, weiß man nur 200 Kilometer da draußen schon die Nordsee selbst, die Mordsee, den Atlantik. Und hat sich mit der Welle, die soeben Fiannas Fesseln umspült, nicht vor wenigen Tagen noch ein Troll in Island die Zähne geputzt? Wie weit es doch ist, das Meer! Vor seinem Antlitz wird die Seensucht zur unstillbaren Sehnsucht. Was kann Göteborg dagegenhalten? Oder Malmö? Wir bleiben, wohin wir gehören, am Meer und in der Gegend, die es erschaffen hat und immer noch gestaltet.

Ansicht von Hamburgsund und UmgebungAnsicht von Hamburgsund und UmgebungFast ein wenig befreit von der Last des City-Tourismus', folgen wir um 10:45 Uhr dem Rat der Nachbarin, nach Hamburgsund zu gehen und auf die vorgelagerte Insel Hamburgö überzusetzen. In den Ort sind es nur eineinhalb Kilometer, allerdings immer an der Straße entlang, was das Vergnügen deutlich schmälert. Um 11:20 Uhr setzen wir mit der Fähre kostenlos über, obwohl Die SeilzugfähreDie Seilzugfähreman die rund 70 Meter auch schwimmen könnte. Allerdings müsste man sich dann damit abfinden, binnen Minuten in die Schären hinaus gespült zu werden, so heftig ist in diesem Kanal die Strömung. Die Fähre ist eine Seilzugfähre, die mittels eines Seil, das sich auf einer Rolle auf dem Schiff aufrollt, gezogen wird, während ein weiteres Seil die Fähre auf Kurs hält. Das ist eine äußerst smarte, weil auch kostengünstige Lösung für eine Strecke von nicht einmal hundert Metern, allerdings fragt man sich, ob es noch langweiligere Jobs auf der Welt gibt, als Fährmann auf einer solchen Fähre zu sein, die im Grunde auch ohne menschliche Hilfe hin- und herfahren könnte. Eigentlich ist der Fährmann nur dazu da, andere Schiffe zu warnen, wenn sie der Fähre zu nahe kommen, denn selbst ausweichen könnte er auch nicht.

Blick auf HamburgsundBlick auf HamburgsundWir machen einen ausgedehnten Spaziergang über die Insel, von deren Höhen wir einen herrlichen Blick in die Wasserwelt um uns herum genießen. Um 12:40 Uhr nehmen wir die Fähre zurück, versorgen uns im ICA, beim Bäcker und im Fischgeschäft und schaffen es gerade noch am Ortsausgang von Hamburgsund in ein offenstehendes und von allen verlassenes Fußball-Vereinsheim zu stürzen, bevor uns ein rabenschwarzer Sturzregen wegschwemmen kann. Um 13:30 Uhr signalisiert uns ein lichter werdender Himmel, dass wir uns an die eineinhalb Kilometer Rückmarsch wagen können, aber er durchwirkt sich immer wieder tiefschwarz, bläst uns den Sund-Blues um die Ohren, knurrt und grummelt seine ganze schlechte Laun über uns aus. Doch wir schaffen es, äußerlich trocken, aber inwendig vom Schweiß durchnässt, um 13:35 Uhr wieder bei unserem schutzbietenden Franz zu sein. Nun schreit alles in uns nach Kaffee, Zimtschnecken und Apfelplunder und anschließend erholen wir uns bei einem horizontalen Vital-Checking, weil es draußen schon wieder zappenduster ist und der Wind den Franz durchschüttelt. An einem solchen Tag, kann man nicht einmal mehr auf ein anregendes Gespräch mit der Mali-Nachbarin hoffen, sondern muss sich in seiner rollenden Schutzhütte arrangieren. Zwar klart es zwischendurch immer wieder auf, aber der Wind gibt den Blockwart, der die Ausgangssperre überwacht.

Gegen 19 Uhr servieren wir uns ein Resteessen und hocken uns anschließend vor den Fernseher, der unter unserer Herrschaft ein sehr unerfülltes Leben hat. Bis 23:30 Uhr zappen wir uns durch den Restmüll einer ehemaligen Bildungsgesellschaft, bevor wir desillusioniert ins Bett fallen.

Der Wind jedoch erzählt uns noch die ganze Nacht ein Lied und schüttelt dem Franz das Kleingeld aus den Taschen.

 

Hamburgsund – Herrestadsfjäll (Parkplatz Medsjö), Samstag, 27. August

Blick von der Hornborg auf den Sund und den Campingplatz (rechts)Blick von der Hornborg auf den Sund und den Campingplatz (rechts)Um 6:45 Uhr ist es immer noch stürmisch, aber wolkenlos bei 17° C. Den Morgenspaziergang machen wir zur Schlossruine Hornborg, rund einen Kilometer südlich von Rörviks Camping. Diese Ruine ist der Namensgeber für Hamburgsund und Hamburgö, das mit Hamburg nichts zu tun hat. So hat sie wenigstens noch eine gewisse Bedeutung in der Jetztzeit, weil von der Burgruine selbst nur noch ein paar klägliche, grasüberwachsen Reste erhalten sind. Aber von hier oben hat man einen großartigen Blick über die Schären, was der Grund dafür war, auf diesem höchsten Punkt der Gegend eine Festung zu errichten. Man nimmt an, dass der Felsen schon zur Wikingerzeit befestigt war. Ihre Blütezeit erlebte die Burg etwa zischen 1450 und 1530 und verlor ihre Bedeutung nach dem Roskilde-Frieden von 1658, der die Provinz Bohuslän Schweden zusprach. Während ihrer Blütezeit hatte sie jedoch eine große Bedeutung für die Sicherung des Sunds, der von ihr aus mit Pfeilen beschossen werden konnte.

Heute darf Fianna eine morgendliche Unterordnungseinheit mit dem Sund zu ihren Füßen absolvieren, Platz ist reichlich und kein Mensch stört hier oben. Um 8 Uhr sind wir zurück und um 8:15 Uhr gibt es Frühstück.

Fianna auf dem FahrersitzWann geht's denn endlich weiter?Um 10:15 Uhr zahlen wir 270 Kronen und können uns über Rörviks Camping nicht beklagen; alles ist vorhanden, alles ist sauber, die Betreiber freundlich – was will man mehr?

Blick auf SmögenBlick auf SmögenEs geht nach Süden, unser Ziel ist Smögen, eine Insel im Skagerrak, immer noch in der historischen Provinz Bohuslän, der heutigen Provinz Västergötland. Die Reiseleiterin hat gelesen, dass Smögen sehr schön sei, sodass die Insel eine Besichtigung wert wäre. Tatsächlich schweift der Blick von der 500 Meter langen Brücke, die Smögen mit dem Festland verbindet, über eine moderne Siedlung mit vielen kleinen, weißen Häusern. Am Sund reihen sich riesige Fisch- und Lagerhallen aneinander, weil Smögen mit 2,3 Millionen Tonnen Fisch einer der Hauptumschlagplätze für Fisch in Schweden ist. Auf Blick auf SmögenSmögenSmögen angekommen, können wir allerdings nur eins sicher konstatieren: Der Ort ist voll und überlaufen. Wir steuern einen Womo-Stellplatz an und werden von Schweden darauf hingewiesen, dass man hier umgerechnet 10 € berappen muss. Da wird sogar der bayerische Chauffeur zum Schwaben, während die schwäbische Reiseleiterin nach Wegen sucht, der Womo-Ausbeutung ein Schnippchen zu schlagen. Aber der Chauffeur SmögenSmögenhat die besseren Argumente, nämlich den Autoschlüssel, auf seiner Seite und ordnet die Weiterfahrt an. Die Weiterfahrt führt uns durch ganz Smögen, durch hautenge Gassen und um schaurig-scharfe Ecken. Nichts! Keine Lücke für den Franz, alles zugeparkt. Es geht hier zu, wie auf einem Volksfest, dabei ist es nur Samstag, aber alle Welt strebt offenbar zum Smögen Outlet-Center. Nun hat der Chauffeur die Nase voll und richtet die seines Franz' wieder Richtung Brücke. Kurz nur lässt er sich überreden, eine Lücke auf dem ICA-Parkplatz anzufahren, und noch ein paar dringende Einkäufe zu erledigen, dann geht es wieder auf die Brücke und hinüber aufs Festland: 'S mögen ihn doch alle hier gern haben. Und tschüss. Sogar der Reiseleiterin sind die Shopping-Neuronen verödet, auch sie drängt es fort.

Herrestadsfjäll NationalparkHerrestadsfjäll NationalparkUm 12 Uhr sind wir bereits wieder auf dem Festland und  fahren zurück nach Norden, biegen dann auf die 171 nach Osten ab. Um 13:10 Uhr stellen wir den Franz auf einem Parkplatz des Herrestadsfjäll Nationalparks, nördlich von Uddevalla ab [N 58° 24' 40" E 011° 50' 21"]. Das schwedische Wort fjäll bezeichnet ein Gebirge, davon kann hier Herrestadsfjäll Nationalparknatürlich keine Rede sein, aber der Nationalpark erstreckt sich über ein über 20 Kilometer langes Hochplateau und Heidemassiv, das bis hoch ins südliche Dalsland reicht. Der Nationalpark ist ein Naherholungsgebiet direkt vor den Toren von Uddevalla: kilometerlange Heideteppiche Herrestadsfjäll Nationalparkzwischen unzähligen Seen und Tieflandvegetation wie in Lappland. Gäbe es hier nicht bestens markierte Wanderwege, würde man sich schnell im Niemandsland des Nordens Herrestadsfjäll Nationalparkauf Nimmerwiedersehen verabschieden müssen. Trotz der Stadtnähe und dem Erholungstourismus ist Schweden hier noch wild und vermittelt einen Eindruck von dem, wie ein Urwald hier sein könnte. Um 13:30 Uhr machen wir uns auf den Weg und folgen der blauen Herrestadsfjäll NationalparkRoute, die uns in einem steten Hin und Her und Rauf und Runter minütlich neue und großartige Ausblicke gewährt. Wir balancieren über Bohlenweg durch Sumpfgebiete, bewältigen steile und rutschige Anstiege, indem wir uns an Ästen und Seilen hochhangeln, wir lassen Fianna immer wieder zu Wasser und sammeln Heidelbeeren Herrestadsfjäll Nationalparkfür mindestens weitere zehn Desserts. Menschen begegnen wir kaum, obwohl die Stadt so nah ist. Wahrscheinlich sind die gerade beim Shopping auf Smögen. Irgendwann folgen wir nur noch Fianna, die vorangeht, die offenbar alle Wege der Welt kennt, die blauen Markierungen, die es auch hier so reichlich gibt, dass man nicht verloren geht, korrekt interpretiert und von den gelben und roten zu unterscheiden weiß. Sie führt keinen von uns heute in den Morast, sondern schnürt wie ein Trapper mit sicherem Schritt vor uns her. Nur an unübersichtlichen Weggabelungen wartet sie auf uns und lässt sich beraten, wo es Herrestadsfjäll Nationalparkweitergeht. Etwa auf der halben Strecke passieren wir das Nordende eines lauschigen Med-Sees (Medsjö) mit Steg und Freisitz über dem Wasser und einem geeigneten Parkplatz: Das wird unser heutiges Nachtlager, sind wir uns spontan einig. Um 17:25 Uhr sind wir wieder bei unserem Franz zurück, 14 Kilometer schönste Gegend in den Beinen, und das alles bei stetig weiß-blauem Himmel und Temperaturen um 19° C. Wir fühlen uns wie nach einer Frischzellenkur und beglückwünschen uns für die Entscheidung, diese Wanderung Smögen vorzuziehen. Da war heute alles drin, was einen zufrieden macht (außer einem Elch, der in unserer Chronik noch immer einen weißen Fleck hinterlässt).

Reiseroute Hamburgsund – Herrestadsfjäll MedsjöReiseroute Hamburgsund – Herrestadsfjäll Medsjö

Freisitz über dem MedsjöFreisitz über dem MedsjöUm 17:45 Uhr verlassen wir den Parkplatz und steuern den See an, der uns schon nach fünf Minuten zu Füßen liegt. Motor aus, 99 Kilometer und die Koordinaten ins Logbuch eintragen [N 58° 25' 36" E 011° 50' 40"]. Fertig für heute. Stille rundum. Wir setzen uns an den Picknickplatz auf den Freisitz über dem See, lassen uns eine kleine Brotzeit schmecken und unsere Augen über die kleinen Wellen gleiten, die vom Südwestufer herübertippeln. Wir schmökern ein wenig in den Abend hinein ("Lieber schmökern als smögern") und gehen schon gegen 9 Uhr ins Bett, weil auf deutschen Fernsehkanälen am Samstagabend nur Quiz, Verstehen Sie Spaß, die 300. Wallander-Adaption oder eine fetttriefend-süßliche Rosamunde Pilcher zu erwarten ist, die nur mit einem Glas Essiggurken und viel Salz genießbar wäre. Dann doch lieber Innenbeschau und eine Vertiefung der heutigen Eindrücke.

Kurz danach ist es damit vorbei. Ein Auto rollt die Schotterzufahrt heran. Langsam. Tastend. Und knirscht im Schritttempo hinter Franzens Heck vorbei. Was ist das? Wir werfen einen Blick hinaus und sehen den Wagen unten, beim Freisitz, um die Ecke biegen und aus unserer Sicht verschwinden. Dann tastet er sich wieder zurück und bleibt schräg hinter uns, auf dem auf der anderen Wegseite markierten Behindertenparkplatz stehen. Die Scheinwerfer sind an. Seltsame Lichtreflexe dringen aus dem Inneren des Wagens, die man mit etwas Phantasie als Monitor- oder Handydisplay identifizieren könnte. Stimmen dringen herüber, unterdrücktes Geplauder, männlich und weiblich, aber wir schaffen es nicht herauszuhören, wie viele männliche und weibliche Plauderer es sind. Die Szene ist gespannt. Wer kommt nachts um 21 Uhr hierher, stellt sich auf einen Parkplatz und unterhält sich, steigt aber offensichtlich nicht aus? Hat also nichts vor oder weiß nicht, was er vorhaben soll. Wir sind nicht nur mit unseren angespannten Nerven beschäftigt, sondern vor allem damit, Fianna zu erklären, dass sie die Klappe hält, denn im Zweifelsfall sollte man noch einen Trumpf im Ärmel haben. Wer sein ganzes Waffenarsenal schon vor dem Waffengang preisgibt, hat schlechte Karten. Fianna hält mit pumpenden Backen und flatternden Lefzen an sich, nur gelegentlich entfährt ihr ein dumpfes Wmpf, jederzeit bereit, mit dem Vollton ihres Kriegsgeheul wie der Hund von Baskerville über die Zudringlinge zu kommen. Nach einer Viertelstunde rollt der Wagen genauso schleichend und tasten davon wie er gekommen war. Was war das? Holen die jetzt Verstärkung, haben sie etwa doch etwas von unserer Wunderwaffe mitbekommen?

Fünf Minuten später rollt wieder ein Auto heran und stellt sich direkt rechts neben uns. Diese Belegschaft ist deutlich weniger konspirativ als ihre Vorgänger und steigt laut parlierend aus. Wieder sind es männliche und weibliche Stimmen. Ein weiterer Wagen parkt zu unserer linken Seite – jetzt werden wir also in die Zange genommen –, wieder vielstimmiges Konversieren, diesmal mischt auch ein Kind mit. Kinder bei einem Mordkomplott? Nichts ist unmöglich. Noch ein Auto, wieder mehrfach besetzt, jetzt mit Hund, der anscheinend sofort Fiannas Blume in die Nase bekommt und um den Franz herumwinselt und -fiemt. Nun ist es auch mit Fiannas Beherrschung vorbei. Mit voller Dezibelzahl schreit sie dem nächtlichen Streuner aus ihrem Kom-Fort heraus ihre Meinung entgegen, was diesen Abstand nehmen lässt. Nach 14 Kilometern Pfadfinderei ist Fianna noch in bester Verfassung, einen schwedischen Nachtstreuner verbal in die Knie zu zwingen, und wir haben keinen Zweifel, dass sie ihn nicht nur verbal aufreiben würde, wenn wir jetzt die Tür öffneten. Das menschliche Komitee schert sich nicht um unsere Türsteherin, sondern setzt ihren endlosen Redeschwall fort. Wir kommen uns vor wie ein Butler, in dessen Anwesenheit die geheimsten Dinge ausgeplaudert werden, weil er für die Herrschaften schlicht nicht existiert. Nur verstehen wir die Heimlichkeiten nicht, was uns erst recht in die Ecke der Bedeutungslosigkeit drängt. Nun beginnt ein reger Fußverkehr um uns herum, wohl hinunter zum See, vermutlich auch weiter um die Ecke herum, in dessen Folge die Stimmen in der Ferne verklingen, sich wieder nähern und in anderer Richtung verhallen. Gelegentlich hasten schnelle Schritte zu den Autos, dann ist wieder für längere Zeit nichts mehr zu hören. Wir haben uns arrangiert und sind über dem Hin und Her eingeschlafen, bis plötzlich eine Ballerei einsetzt und der Himmel leuchtet. Ja, ist denn schon wieder Silvester? Kommen die Wikinger über den Medsjö? Oder ist jemand auf dem See in Seenot geraten? Leuchtspurmunition eignet sich nicht für Kriegseinsätze, dürfte auch zwischen konkurrierenden Mafiabanden kein erprobtes Mittel sein. Was ist da draußen los? Wir tippen auf Nachtfischer. Als Nichtfischer kennen wir uns weder mit Tag- noch mit Nachtfischen aus, meinen aber gehört zu haben, dass man beim Nachtfischen grelle Lichtquellen an der Angelstelle vermeiden soll. Aber ist eine Leuchtrakete hoch über dem Wasser eine grelle Lichtquelle für die Fische? Oder finden die Sportler ihren Weg nicht mehr zurück, wenn sie nicht gelegentlich das Licht anknipsen. Irgendwann ist uns das alles egal: Wir schlafen ein und bekommen den Betrieb rund um unser lauschiges MedsjöSeegrundstück nur noch im Halbschlaf mit. Von dem Hund hören wir auch nichts mehr, entweder, weil Fianna ihm den Kampfzahn beizeiten gezogen hat, oder er ist ein Retriever, der so viel halbtote Fische aus dem Wasser zerren musste, dass ihm schon speiübel ist. Vielleicht ist auch alles ganz anders.

Um 4:45 Uhr am Sonntag, den 28. August verlassen uns die letzten Nachtschwärmer vom Medsjö und wir sind auf unserem lauschigen Seeplätzchen endlich ganz allein. Wir verfallen in einen komatösen Tiefschlaf. Fianna schnarcht. Das hat sie noch nie gemacht.

 

Herrestadsfjäll – Falsterbo (Ljungens Camping), Sonntag, 28. August

Nach fast zwölf Stunden Bettruhe und nur etwa vier Stunden Schlaf, treten wir um 8:30 Uhr in einen sehr trüben Tag; es liegt Hochnebel über dem See, aus dem es nieselt, und 12° C lassen die übernächtigten Körper zittern. Wir sehen uns um, nach Zeugen des nächtlichen Geschehens, finden aber nur auf dem Tisch des Freisitzes eine leere Dose Pepsi Max und ein quietschgrünes Leuchthalsband des Fischtrievers. Laute Menschen reden nicht nur viel Müll, sondern machen ihn auch. Das ist in Schweden nicht anders. Die Dosen im Uferbereich des Sees sind vielleicht auch von den heutigen Besuchern oder von ihren Vorgängern. Einen Mülleimer gibt es hier auch nicht, und wo es nicht zum Mülleimer reicht, reicht es zum Klohäuschen schon zweimal nicht. Das alles macht diesen schnuckeligen See nicht zu einem Sehnsuchtsort, von der Nachttouristik ganz abgesehen. Und deshalb gaben wir die Koordinaten, im Gegensatz zum Lagerplatz in Tiveden, auch anstandslos heraus. Es kann ja auch besser werden. Man muss es nur versuchen.

Um 10:15 Uhr reisen wir bei Regen ab. Ein kurzer Tank- und Einkaufsstopp bei LIDL in Uddevalla, weil wir dringend Kaffeekapseln für die Maschine brauchen, und dann geht es nach Süden, weil sich dort, so sagt das Wetterradar, das mitteleuropäische Hoch, das auch Deutschland mit über 30° C beglückt, noch auswirkt. Also ein wenig durch die Schären tingeln, Insel-Hopping betreiben, doch von einem mitteleuropäischen Hoch weiß hier keiner etwas. Das Regenwetter drückt auf Lust und Laune. So lassen wir die Inselziele Orust und Tjörn rechts liegen, verschwenden auch keinen Gedanken daran, doch noch einen Abstecher nach Göteborg zu machen, zumal der Wochenend-Homerun das Vorankommen schwierig macht. Wenn alle Schweden nach Göteborg wollen, wird uns dort niemand vermissen, abgesehen davon, dass ein schwedisches Rögensborg auch nicht verlockender ist als ein bayerisches Regensburg. Das abgebrochene Stockholm, das ausgelassene Göteborg, die verschmähten Schäreninseln – genug Gründe, Schweden bald wieder zu besuchen, obwohl der Chauffeur auch dann wieder Gründe anführen wird, doch lieber nach Frankreich zu reisen. Aber er räumt ein, dass Schweden es ihm schon angetan hat, obwohl die Restaurant-Kulinarik alle seine Befürchtungen bestätigte.

Borrås SkåraBorrås SkåraNachdem wir einiges haben rechts liegen gelassen, machen wir um 13 Uhr Halt in der Gemeinde Varberg, um dort eine berühmte Schlucht zu besichtigen: Borrås Skåra [N 57° 15' 54" E 012° 14' 22"]. Die Schlucht ist etwa 100 Meter lang, 10 Meter tief und ein bis zwei Meter breit. Berühmt ist sie wegen des seit Jahrtausenden in ihr eingeklemmten Felsbrockens. Der Regen hat eine Pause eingelegt, aber aus dem Blätterdach des Waldes tropft es wie aus einer Dusche. Trotz der 14° C sind wir durchgeschwitzt. Wir schauen uns diesen kuriosen Felsen an, steigen noch ein bisschen durch den Wald und zwischen den Felsen herum und fahren um 14 Uhr weiter.

Um 15 Uhr rollen wir bei Grimsholmen auf einen Stellplatz am Meer [N 56° 51' 31" E 012° 32' 59"], eventuell um dort die Nacht zu verbringen ZimtschneckenZimtschnecken gegen den Regenund zu sehen, was der nächste Tag bringt. Es regnet, 17° C. Wir machen uns einen Kaffee und vertilgen Zimtschnecken. Es regnet ohne Unterlass. Das Regenradar zeigt noch viel Sonne im äußersten Süden, auf Falsterbo. Um 15:45 Uhr nimmt der Chauffeur Kurs und Fahrt auf, aber die Reiseleiterin ist, gelinde gesagt, nicht überzeugt; sie trägt noch Hoffnung im Herzen, Hoffnung auch auf das Gute in den schwarzen Wolken. Doch der Chauffeur sitzt am Steuer und entscheidet kraft Amtes: Falsterbo – und kein Blick zurück, weder im Zorn, noch in schwiemelnder Hoffnung. Doch die Wolken haften sich an unsere Fersen, bei Malmö wickeln sie uns in ein Gewitter ein, das sich gewaschen hat. Vor uns die Sonne und direkt über und hinter uns das meteorologische Ungemach. In Falsterbo, man kann es sehen, herrscht eitel Sonnenschein, doch als wir um 18 Uhr dort ankommen, haben wir den Regen mit eingeschleppt. Wir hoffen, dass uns das niemand übelnimmt. Der Kreis schließt sich in Ljungens Camping, wo unsere Schwedenreise begann. 415 Kilometer waren wir heute auf der Flucht und sind dennoch nicht davongekommen.

Reiseroute Herrestadsfjäll Nationalpark – FalsterboReiseroute Herrestadsfjäll Nationalpark – Falsterbo

Wir hätten natürlich auch in Malmö abwettern können oder Schweden gleich verlassen, denn viel Unverzichtbares und Unvergessliches wird sich hier nicht mehr abspielen, doch wir haben die Hoffnung, noch ein bisschen vom Vogelzug erleben zu dürfen. Dieser südwestlichste Zipfel Schwedens stellt die kürzeste Verbindung zu Dänemark dar, deshalb versammeln sich ab Ende August Zigtausende von Zugvögeln hier, bevor sie übersetzen, darunter sind natürlich alle nordischen Zugvogelarten, besonders spektakulär sind jedoch Tausende von Greifvögel, die im nordischen Winter keine Überlebenschance haben: Bis zu 14.000 Mäusebussarde sind hier zu beobachten, 7.000 Wespenbussarde und gar bis zu 20.000 Sperber. Seltener sieht man Falken, Milane, Merline und Stein-, See- oder Fischadler. Wenn wir da ein wenig Glück hätten ... Doch als wir nach einem Gewitter gegen 20 Uhr die Gelegenheit nutzen, Fianna ein wenig durch die Heide und ans Wasser zu führen, lässt uns die völlige Abwesenheit der Birdwatcher schon ahnen, dass wir zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Alles dampft und es ziehen überall weitere Gewitter herum, aber keine Zugvögel.

Wir fassen uns deshalb heute kurz, machen nur eine kleine Brotzeit und ziehen es bald vor, uns zurückzuziehen. Das Ende, so scheint es, kommt immer ein bisschen zu plötzlich.

 

Falsterbo, Montag, 29. August

Wir steigen um 7 Uhr aus den Betten und werden durch die Dachluken von Himmel und Wolken begrüßt. Immerhin. Und 17° C ist auch nicht ganz schlecht. Wir trödeln unschlüssig herum, bis die Reiseleiterin mit Fianna über die Dünen und am Strand entlang nach Falsterbo spaziert, um Frühstück zu besorgen, weil die Versorgung auch auf diesem Campingplatz eingebrochen ist: Fin de Siècle. Nix geht mehr. Nur die Vögel kommen irgendwann noch. Vorüberziehende Gäste wie auch wir.

Gewitterstimmung über FalsterboDie Sonne kämpft einen schweren Kampf mit fetten Wolken, die ihr ein kompromissloser Wind immer wieder vors Antlitz treibt. Um 10:15 Uhr sind die beiden zurück und es gibt ein entspanntes Frühstück, weil heute wirklich nichts Zeitgebundenes auf der Agenda steht. Danach lassen wir uns treiben wie das Wetter: Regen, Wolken, Wind und keine Sonne. Wir lesen, dösen, schreiben, laden und Die Kirche von FalsterboDie Kirche von Falsterbobearbeiten Bilder. Heute vor elf Jahren schlug der Hurrikan Katrina die amerikanische Golfküste kurz und klein, da darf man sich über das unfreundliche Schwedenwetter nicht Fianna in der Ostseebeklagen, zumal im Laufe des Nachmittags das Grau immer öfter dem Blau weichen muss. Um 16:15 Uhr nutzen wir die Gelegenheit und spazieren noch einmal nach Falsterbo hinüber, um die Zutaten für ein letztes Grillmenü zu kaufen. Wir sind sicher, der Wettergott wird uns das nicht verwehren. Als wir um 18:30 Uhr In den Dünen von FalsterboGewitterstimmung in den Dünen von Falsterbowieder zurück sind, pfeift es jedoch wieder sehr respektabel und der Himmel bezieht sich blauschwarz. Um 19:30 Uhr bauen wir den Grill Gruppenbild in den Dünen von FalsterboHej då! Vi kommer igen ...auf, legen Schwein und Wurst darauf, eine Schüssel Salat  und eine Flasche Wein daneben und wissen: Das wird heute klappen. Und es klappt. Der Himmel zeigt uns viele seiner Sterne und schickt die Wolken in die Garage. Es herrscht Abschiedsstimmung. Komisch, dass wir am letzten Tag noch die Mückenabwehr in Form von Räucherspiralen aufbauen müssen, die eine ganze Schwedenreise lang ein Leben in Untätigkeit fristeten. Es wird früh dunkel hier im Süden, fast vier Breitengrade weniger lassen das Himmelslicht schon vor 21 Uhr erlöschen. Um 22:30 Uhr erlöscht auch das Licht im Franz.

 

Falsterbo – Sewekow, Dienstag, 30. Augus

Um 6:30 Uhr ist die Nacht vorüber, draußen hat der Wind alles fest im Griff und treibt die Wolken über den Himmel. Der letzte Tag in Schweden beginnt mit den bekannten Routinen: Hundespaziergang, Duschen, Franz versorgen, Frühstück.

Um 9:20 Uhr verlassen wir Ljungens Camping gen Norden. Kaum sind wir losgefahren, ziehen die ersten Gänseformationen über unsere Köpfe hinweg südwärts. Um 9:45 Uhr passieren wir die Öresundbrücke und entscheiden uns, auch diesmal über Rødby und Fehmarn zu fahren und nicht über Gedser. Zwar ist die Gesamtstrecke über Gedser rund 200 Kilometer kürzer, dafür fährt die Fähre nach Rostock dort erst um 13 Uhr ab. Was sollen wir uns dort herumtreiben? Die Fähre Rødby - Puttgarden verkehrt halbstündig, sodass man zu jeder Ankunft eine passende Fähre findet. Den 200 Kilometer mehr stehen 12 € weniger beim Fährpreis gegenüber. Wir entscheiden uns also für die Flexibilität. Die 11:45 Uhr-Fähre können wir schaffen, und mit ein paar Motivationssprüchen für unseren Franz schafft er es auch, obwohl ihm vom strammen Gegenwind fast die Puste und der Sprit ausgeht. Mit der 11:45 Uhr-Fähre sind wir um 12:30 Uhr in Puttgarden und verschwenden keinen Gedanken daran, noch eine Nacht im Wulfener Hals zu verbringen. Wir fahren weiter und legen den Franz um 16 Uhr im Landresort und Hundehotel im brandenburgischen Sewekow an die Leine [N 53° 14' 54" E 012° 39' 26"]. Bei Freunden übernachten ist immer besser als sich einen dicken Hals im Wulfener Hals zu holen. 522 Kilometer liegen hinter uns und ein erfrischendes Bad für Fianna im See vor uns.

Reiseroute Falsterbo – SewekowReiseroute Falsterbo – Sewekow

 

Sewekow – Vagen, Mittwoch, 31. August

Wir verlassen Sewekow bei wolkenlosen 21° C um 10:15 Uhr. Nach einem Stopp und einem Treffen mit einer lieben Freundin bei McDonalds auf dem Rastplatz Dessau-Ost endet unsere Schwedenreise um 19:20 Uhr in Vagen. Nur ein Stau wegen eines Unfalls bei München zwang uns auf einige unerfreulichen Schleichwege durch und um München, die natürlich alle verstopft waren. Nach 723 Kilometern sind wir zu Hause und das Mangfalltal begrüßt uns mit herzlichen 21° C.

 

Epilog

5046 Kilometer hat uns Franz II durch Deutschland, Dänemark und Schweden getragen. Was bleibt?

Die Skepsis bezüglich der schwedischen Küchenkultur hat sich bestätigt, vor allem, wenn man nicht sein gesamtes Urlaubsbudget in einem einzigen Restaurant liegenlassen will. Dafür bekommt man überall die Früchte aus dem Meer und den Seen, die vieles wettmachen.

Schwedische Supermärkte sind dagegen auf dem Niveau von ALDI, LIDL und NETTO. Feinkosttempel, wie wir sie aus Frankreich, Polen oder Spanien kennen, sind hier Mangelware, jedenfalls außerhalb der Metropolen. Auch Restaurants, wie wir sie kennen, bürgerliche Wirtschaften, haben wir nirgends gefunden. Die schwedische Restaurantszene setzt sich aus Fast-Food-Buden, Pubs, Cafés und Thai-Küchen zusammen. Auch Metzger findet man kaum, Fleisch kauft der Schwede im Supermarkt, was ein Fingerzeig auf die Zukunft deutscher Metzger und Bäcker sein kann, wenn wir weiter die Billigware im Supermarkt kaufen, anstatt zum Bäcker und Metzger unseres Vertrauens zu gehen. Die schwedischen Bäcker, auch das muss gesagt werden, haben allen Grund, sich vor dem Jüngsten Gericht zu fürchten; schwedische Backwaren sind mitunter ein Angriff auf den guten Geschmack. Das gilt nicht für Feinbäcker und Konditoren, die das Herz des Leckermauls zu Rhythmusstörungen verleiten können. Diese Zunft hat keinen Grund, sich vor den französischen und belgischen wegzuducken. À la bonne heure!

Der ausgestopfte Quotenelch von HåverudDer ausgestopfte Quotenelch von HåverudSchweden ist groß und vieles in Schweden ist groß. Natürlich die großen Seen, aber es sind auch die großen Hunde, die uns hier aufgefallen sind, vor allem Dobermänner, Rottweiler, Wolfshunde oder Barsois, die im deutschen Straßenbild keine Rolle mehr spielen. Groß sind auch die schwedischen Autos, vornehmlich die Ami-Schlitten, die die Schweden offenbar besonders lieben. Und groß sind natürlich die Elche, von denen wir nur zwei zu Gesicht bekamen: einen ausgestopften in der Touristeninfo am Dalslandkanal und einen toten neben der Straße nach Västervik. Groß sind auch die Preise, vornehmlich die Camping- und Stellplatzpreise, aber warum sollte sich ausgerechnet auf diesem Geschäftsfeld Preisdumping durchsetzen.

Viel Freud hat uns die Liebe der Schweden zum Minigolf gemacht; ein echt schwedischer Campingplatz ohne Minigolf ist schwer denkbar. Die Ausnahme war der holländisch geführte in Tiveden. Minigolfanlagen gibt es in allen denkbaren Varianten, nur die, die wir aus der Vergangenheit in Deutschland kennen, gibt es kaum, den ganz gewöhnlich langweiligen. Auf Dragsö gibt es ein Abenteuer-Minigolf mit Grotten und Höhlen, die begehbar sind, in Vita Sandar, wo alles außer den Sanitäranlagen in bisschen getunt ist, tut die Minigolfanlage, als wäre sie eine richtig große Golfanlage mit Greens, Bunkern und allem Chichi. Und vor Rörviks Camping fanden wir einen Minigolfplatz, der eigentlich ein Mikrogolfplatz ist, weil er tatsächlich auf die Fläche eines Womo-Stellplatzes passt. Und alle diese Minigolfanlagen werden unentwegt bespielt und sind mit engagierten Sportlern bevölkert.

Die exzellente Markierung der Wanderwege haben wir schon lobend erwähnt, ebenso die überall verfügbaren Klohäuschen, die meisten auch mit Klopapier, was im Übrigen auch für die Toiletten auf den Campingplätzen und Stellplätzen gilt. Man muss in Schweden nicht wildpinkeln, man ist eher sanitär überversorgt.

Und für den Womo-Fahrer ist besonders wichtig: Autofahren in Schweden ist ein Gleiten und Cruisen, kein Hauen und Stechen, das beschert dem Urlaub die beschauliche und erholsame Grundschwingung. Allerdings, und dafür können die Schweden nun überhaupt nichts, war das Erholsamste an unserem Urlaub, dass wir den Fernseher nur zweimal in Betrieb hatten, was zur Folge hatte: kein Horst, kein Sigi, keine Mutti und keine Petri! Kein Lollergelaber mausgrauer Wichtigtuer, nur das Schweigen der Wälder und das Gebrabbel der Seen – wie schön! Danke dafür – Wir kommen wieder (Tack! Vi kommer igen.)

Dass wir die Reise nach unseren Vorstellungen zu Ende bringen konnten, haben wir vor allem aber den feinsinnigen Computerdoktoren von Datoraffären in Karlskrona zu verdanken. Es ist kaum anzunehmen, dass die Reiseleiterin ohne ihren geistigen Rollator bereit gewesen wäre, sich in die Abgründe Schwedens zu stürzen; sie hätte sich vermutlich gefühlt wie ein Lahmer ohne Krücken und den Rückzug angetreten. Es ist anders gekommen, dafür sagen wir Dank. Wer jemals einen Computerblues in der Nähe von Karlskrona erleiden sollte, ist bei Datordoktoren in besten Händen.  

Und auch dem Franz II wollen wir danken, der seine erste wirkliche Bewährungsprobe bestanden hat. Wir können und wollen es nicht verheimlichen: Die explosionsartige Entwicklung auf dem Reisemobilmarkt von rund 30 % Zuwachs pro Jahr, sorgt dafür, dass die Hersteller ihre Womos mit sehr heißen Nadeln zusammensticheln. Auch unser Franz zeigte Mängel in der Verarbeitung und in der Konzeption: Plastikverkleidungen und -abdeckungen waren nicht ordentlich befestigten und ratterten Fianna im Bettund klapperten und mussten mit Leimklemmen befestigt werden, die Schrauben einer Schranktür wurden locker, sodass der Chauffeur plötzlich die ganze Tür in Händen hielt. Auch hatte die Reiseleiterin plötzlich die Griffschiene einer Küchenschublade in der Hand, deren Schräubchen durch den Franz kullerten. Das sind nur einige Mängel, die behoben werden konnten, andere müssen vom Fachmann beseitigt werden. Trotzdem hat der Franz seine Schuldigkeit willig getan, für Schlampereien machen wir ihn nicht verantwortlich. Bis zur nächsten Reise wird er ein Qualitäts-Lifting über sich ergehen lassen müssen, und dann werden wir sehen, was er uns bisher vorenthalten hat.

Die letzte Huldigung geht an Fianna, unsere geduldige, ausdauernde und hinreißend charmante Hovawarthündin, die sich in vielen Dingen unverzichtbar machte und nicht mehr aus unseren Reisen wegzudenken ist. Vor allem der Chauffeur hat ihr für seine jederzeit vorgewärmte Schlafstatt zu danken, was die natürlichste Vorkehrung gegen Reise-Rheumatismus ist – die unbedingte Voraussetzung für weitere Reisen.

 

 Impressionen von unserer Reise: