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Urlaub mit Hund
- Sommer 2017 – La Route des Amis (Engadin, Auvergne, Bretagne)
Freunde zu haben wünschen sich viele, die keine haben. Aber Freunde haben kann auch zu äußerst seltsamen Reiserouten führen. In unserem Fall führte uns die Freundschaftsroute in die Bretagne aus dem Süden Bayerns erst einmal in die Schweiz. Warum auch nicht? Warum sollten denn nur alle Wege nach Rom führen? Auch ins bretonische Concarneau ist die Zahl der Routen ziemlich zahlreich. Wir nehmen den Weg über Samedan (Samaden) im Engadin. Der Freunde wegen.
Montag, 14. August 2017
Bei 23 °C starten wir unseren Franz II um 11:15 Uhr zur diesjährigen Sommerausfahrt. Der bayerische Himmel lacht weiß-blau, was ein gutes Omen sein dürfte, weil er uns in jüngster Vergangenheit den Abschied häufig genug mit Tränen quittierte.
Die plausibelste Anfahrt aus dem Mangfalltal ins Engadin führt über Kufstein und auf der Inntalautobahn bis Landeck, dann weiter auf der B 180 bis Pfunds, dort über die Grenze und weiter über die Schweizer B 27 bis Samedan. Allein: Wir sind äußerst knausrig hinsichtlich österreichischer Mautforderungen und meiden die österreichischen Autobahnen, wenn immer es mit Reiseziel und Reiseplan vereinbar ist. In diesem Fall macht es nach unserer Überzeugung Sinn, über Garmisch und den Fernpass beschwingt und völlig mautfrei anzureisen. Das läuft nicht ganz so fix, ist aber jeden Meter schöner als die endlose Fahrt durch den österreichischen Industrieschlauch Inntal. Und Zeit ist nicht der kritische Faktor in unserer Reiseplanung. Doch kurz vor der Anschlussstelle Hofoldinger Fost zur A8, die uns auf den rechten Weg nach München bringen sollte, geben uns die Verkehrsnachrichten zu bedenken, dass wir auf der A 95 zwischen Murnau und Kochel, sowie auf der B 2 bei Oberau jeweils mit einer etwa einstündigen Verzögerung zu rechnen hätten. Sack und Asche! Mit geballten Fäusten fragt man sich, wie weit der Arm des österreichischen Finanzministers und der ASFiNAG reicht? Und man fragt sich auch, ob man diesen Hinterhalt aussitzen und zwei bis drei Stunden später am Ziel sein will oder sich der geöffneten Hand ergeben soll? Wir ergeben uns zähneknirschend und fahren auf die A 8, nur eben nicht nach Norden in Richtung München, sondern nach Süden. Nach 45 Minuten und 42 Kilometern sind wir dort, wo wir schon kurz nach unserer Abfahrt hätten sein können: am Irschenberg. Flüssig geht es aber auch hier nicht voran, denn Baustellen auf der A 93 in Richtung Kufstein bremsen uns erwartungsgemäß aus, besonders zuverlässig in der Urlaubszeit, weil die Straßenbauplaner sich an den ehernen Grundsatz halten: Leut‘ reißt die Straßen auf, die Touris kommen.
Um 12:45 Uhr erstehen wir in Kiefersfelden das nun unvermeidliche „Pickerl“ und dringen nach Österreich ein. Von nun an geht es zügig durch das Inntal über Landeck bis nach Pfunds, wo wir Einlass in die Schweiz begehren. Hier sind wir die einzigen Einreisewilligen und bieten dem Grenzjüngling einen willkommenen Anlass, seine Langeweile durch staatsdienliche Geschäftigkeit zu unterbrechen: Wie lange unser Franz II sei, will er wissen. Die totbringende Mörderfrage eines Staatsinquisitors. Solange er nicht wissen will, wie viele Schrauben, Nägel und Nieten in ihm verarbeitet sind, soll es uns recht sein. "Siebenmeterdreißig" antwortet der Chauffeur zügig routiniert und darf mit einer in Amtsfalten gelegten Stirn passieren. Weiterer Inquisition sind wir sehr wahrscheinlich nur entgangen, weil unsere Hovawartdamen im Bauch des Franz unüberhörbar ihrem Unmut über die österreichische Mautschneiderei und den höchst unnötigen Schweizer Grenzstopp freien Lauf lassen, was ihm einen Blick in die Impfpässe als nicht zwingend notwendig erscheinen lässt. Jetzt sind wir im Engadin und es geht rauf und runter und hin und her, immer wieder gestoppt durch baustellenbedingte Blockabfertigung und halsbrecherische Motorradfahrer, die sich selbstverleugnend und den Fliehkräften trotzend in die Kurven schmeißen und uns auf unserer Seite entgegenkommen.
Hakunas Reich im SamadenUm 16:45 Uhr stoppen wir Franzens Maschine mitten im Wald oberhalb von Samedan vor einem alten Forsthaus am Waldrand. Unsere Blicke schweifen über die formatfüllende Kulisse der Engadiner Gipfel, deren, aus unserer Perspektive unscheinbarste, der mächtigste ist: der Piz Bernina. Und gleich nach diesen ersten Eindrücken landen wir an den Brüsten unserer Freunde und werden von Fiannas Tochter und Heddas Schwester Hakuna gewaltsam aber herzlich niedergeschmust. Es fächelt ein leichter Wind vom Tal in den Wald herauf und der Himmel gibt sich als aufmerksamer Gastgeber weiß-blau.
343 Kilometer haben wir zurückgelegt. Und die Parkposition behalten wir ganz eigen- und uneigennützig für uns. Geht ja niemanden etwas an, wo Hakuna ihre Sommer- und Winterfrische verbringt.
Der Rest des Tages sinkt bei Wein und Gaumenfreuden im steten Wechsel der Worte in die Nacht. Und wir verabschieden uns im geschmeidigsten Romanisch ins Bett: Buna not...
Dienstag, 15. August 2017
Der morgendliche Blick aus Hakunas WohnzimmerWo Hunde die Herrschaft über den Alltag übernommen haben, sind dessen Regularien weitgehend vorbestimmt: Der Tag beginnt immer mit einem Morgenspaziergang, der meist von den Hundehalterinnen abgeleistet wird, während die Hundehalter noch etwas im Bett haushalten und sich später um das Frühstück verdient machen, damit die fünf weiblichen Frischluftamazonen auch am folgenden Tag noch genügend Körner haben, ihren Frühdienst zu absolvieren. Die Aufrechterhaltung des Status Quo erfordert eine fürsorgliche Pflege desselben.
Nach dem Frühstück fahren wir alle zusammen zum Lago Bianco und stellen den Wagen am Parkplatz Ospizio Bernina ab; das sind rund 20 Kilometer, und so viele Minuten brauchen wir in etwa auch bis dorthin. Der Bahnhof Ospizio Bernina ist mit 2256 m ü. M. der höchstgelegene Bahnhof der Berninabahn, die St. Moritz (1775 m ü. M.) über den Berninapass mit dem italienischen Tirano (429 m ü. M.) verbindet. Zu unseren Füßen liegt der See in schillerndem Smaragdgrün, von Der Lago Bianco mit der Bernina-Bahnbianco kann keine Rede sein. Der Lago Bianco ist ein etwa drei Kilometer langer Stausee, der aus dem ursprünglichen Lago Bianco und dem Lago della Scala gebildet wurde. Seinen Namen hat der Smaragdgrüne vom milchweißen Abfluss des Cambrenagletschers. Derzeit wird am See ein 1000 MW-Pumpspeicherwerk errichtet, welches das Gefälle zwischen ihm und dem Puschlavsee (Lago di Poschiavo, 960 m ü. M.) nutzen und um das Jahr 2020 Strom liefern soll. An der Ostseite des Sees spazieren wir in südlicher Richtung und verlassen ihn bei seiner südlichen Staumauer mit Ziel Alp Grüm. Gemütlich geht es über die Bergmatten dahin, immer begleitet von der Berninabahn, die sich allerdings meist unter Lawinenverbauungen versteckt, sodass sie den Eindruck einer überirdischen Geisterbahn erweckt. Oder verbirgt sich unter dem Wellblechverschlag doch ein raffinierter Teilchenbeschleuniger, dem man ihn dieser majestätischen Landschaft nicht ansehen soll, dass in ihm all das
Hochalpiner Baustellenverkehrsteckt, was diese in Sekundenbruchteilen pulverisieren könnte? Weniger geheimnisvoll sind die im Minutentakt ins Cavagliasch-Tal fliegenden Hubschrauber, die kurz darauf mit einem Mörteltrog am Seil wieder herausfliegen, um ihre Fracht nahe des Bahnhofs Ospizio Bernina zu löschen; Bauarbeiten irgendwo im Hochgebirge, und ein Baustellenverkehr, der zwar lärmt, aber keinen Stau verursacht. Komische Vögel haben sie schon, hier im Engadin.
Um 12:20 Uhr kehren wir in einer Berghütte oberhalb des Bahnhofs Alp Grüm ein. Belvedere Albergo Ristorante trabt ihr Name hoch. Die Höhenangabe von 2150 m ü. M. gibt uns die Antwort, warum wir nach den etwa 7 Kilometern bergwandern noch immer nicht "Atemlos im Engadin" singen müssen und auch unsere noch nicht Fianna, Hedda und Hakuna auf dem Weg zur Alp Grümeinmal sechs Monate alten Hakuna und Hedda keine Anzeichen jugendlicher Erschöpfung zeigen: Wir sind, über die gesamte Strecke betrachtet, bergab gegangen, rund 100 Höhenmeter.
Das Hotel-Restaurant Belvedere ist eine aufgeputzte Berghütte und, wie sollte es anders sein, ein Magnet für Mountainbiker. Überall stehen, hocken und lehnen Bergradler in ihren quietschbunten Wursthäuten, die jedem Speckröllchen seinen prominenten Auftritt verschaffen, Profis und solche, die sich dafür halten und auch solche, die erkennbar die Muffe vor der steilen Abfahrt hinunter zum Bahnhof Alp Grüm haben, aber von den ersteren mit aufmunternden Klapsen auf den Rücken oder dessen Verlängerung zu Suizidversuch ermutigt werden. Wir suchen uns einen Platz an der Westseite des Belvedere, wodurch wir dem im Süden und Osten rumorenden Biker- und Hikeraufkommen etwas entgehen können. Hier hängen wir unsere Seelen bei 20 °C in die Engadiner Piz PalüBrise und füttern unsere Körper mit bündner und sondrinischen Spezialitäten. Über uns ein weiß-blauer Himmel, dessen Weißanteil jene Wolken sind, die standhaft versuchen, uns den Blick auf den Piz Palü zu verstellen. Doch unsere Geduld ist über jeden Zweifel erhaben, und die Wolken geben den Sumpfspitz (3900 m), wie der Piz Palü übersetzt werden müsste, immer mal wieder für ein paar Sekunden frei. Beim Anblick des schneebedeckten Riesen stellt sich dem Sprachverliebten natürlich schon die Frage, warum er der Sumpfspitz sein soll, wo doch die gern bemühte Variante als Bleichspitz augenscheinlich in die richtige Richtung weisen dürfte. Doch man lässt sich belehren und lernt, dass der Name von der etwas östlich gelegenen Alpe Palü übernommen wurde, die auf sumpfigem Grund liegt (lat. palus = Sumpf). Wie dem auch sei: Unsere Rückfahrt und ein noch vor uns liegender Tag verbieten es uns, dort oben, der Lokalität angemessen, zu versumpfen und so steigen wir die 400 Meter und etwa 60 Höhenmeter hinab zum Bahnhof Alp Grüm (2090 m ü. M.). In Hektik müssen wir dabei nicht geraten, denn die Berninabahn muss sich, vom Süden kommend, vom Bahnhof Stablini bis zum Bahnhof Alp Grüm auf einer
Blick auf den Lagh da Palü mit BerninabahnStrecke von 2,5 Kilometern stramme 157 Höhenmeter hochwuchten. Das meistert sie in langen Serpentinen und steilen Kehren, was nicht nur Zeit erfordert, sondern sich mit markantem Quietschen lange ankündigt, sodass es genügt, beim Klang der Kurvenmelodie hinabzusteigen und immer rechtzeitig da zu sein. Um 14:15 Uhr lassen wir uns in zehn Minuten von der Bahn zurück zum Ospizio Bernina bringen. 20 Minuten später sind wir wieder in unserem Refugium in Samedan. Der Rest des Tages ist der Sonne, dem süßen Nichtstun und leckerem Genießen gewidmet.
Mittwoch, 16. August 2017
Es steht nichts an heute. Vormittags ist der Himmel im Oberengadin bedeckt und wir warten, ob der Nachmittag ein besseres Angebot machen wird. Die drei Damen mit den vier Beinen bekommen dennoch eine kleine Abwechslung, damit sie nicht aus Unterforderung auf charmante Ideen kommen: Sie dürfen im Zauberwald Fährten suchen, was sie ausnahmslos auf beeindruckende Weise meistern. Im Unterholz durch Gräben und Senken und über Stock und Stein ist nichts für unsensible Nasen, schon gar nicht, wenn der Wald durchwebt ist von frischen Wildspuren und -markierungen; Reh, Hirsch, Fuchs und Dachs geben sich hier quasi die Klinke zum Haus in die Hand.
Hundeschänke mit Blick auf SamadenGegen 13 Uhr knöpft sich der Himmel auf und um 14 Uhr fahren wir auf die Westseite Samedans zum Skilift. Bei nun schon merklich sommerlichen Temperaturen steigen wir schwitzend neben dem Lift steil bergan und wenden uns dann südlich Richtung Celerina, kehren wieder um und schlendern über Wiesen- und Feldwege zurück zum Ausgangspunkt. Übernehmen müssen wir uns dabei nicht.
Um 15 Uhr sitzen wir nämlich schon wieder im Wagen und lenken ihn nach Pontresina, Konditorei Kochendörfer, ein Muss in Pontresinaweil dort noch etwas Unaufschiebbares zu erledigen ist: Wir müssen ins Café Kochendörfer. Das Kochendörfer ist ein in die Jahre gekommenes Café mit dem ziemlich morbiden Charme der Wirtschaftswunderjahre, mit den für diese Etablissements typischen, ebenfalls in die Jahre gekommenen Kellner, deren Attitüde immer gleichermaßen servil und distanziert ist. Das Mobiliar ist nicht alt, aber ein wenig altbacken, unentschieden zwischen Bauhaus und postmodern, aber jedenfalls so zurückhaltend, dass seine Ästhetik keinem Geschmack viel Angriffsfläche bietet. Doch wenn man sich in zeitgenössischen Fauteuils aalen wollte, müsste man sich in eine Lifestyle-Bar begeben und nicht ins Kochendörfer. Hier gleicht das Angebot jeden spröden Charme des Personals und des Inventars aus. Und da das Küken unserer Viererbande auch schon einige Zeit die Lebensmitte überschritten
Kochendörfers unschlagbare Nusstortehat, harmoniert der sehr diskrete Charme des Cafés auffällig unauffällig mit dem unseren. Abgesehen davon lebt ein Café vom Ruf seiner Konditorei und des Kaffeeangebots. Und dieser Ruf schallt zurecht weit über das Oberengadin hinaus. Wer es im Café Kochendörfer versäumt, eine Engadiner Nusstorte ihrer Bestimmung zuzuführen, hat nichts anderes verdient, als sich über zeitlos langweiliges Mobiliar mokieren zu müssen. Wir sitzen auf den stabilen Sitzmöbeln der Terrasse im Freien, und geben uns genussvoll den vielen Kaffeevarianten und nicht ausschließlich der legendären Nusstorte hin. Dabei wächst das unstillbare Verlangen, auch den anderen Verlockungen der Kuchentheke nachzuspüren, was allerdings in die – möglichst nahe – Zukunft verschoben werden muss. Harmonisch abgefedert und im inneren Gleichgewicht rollen wir um 17 Uhr wieder vor Hakunas Waldheim. Die verbleibenden Stunden reiten auf den Worten des romanischen Dichters Randulin in die blauschwarze Nacht mit ihren flickernden Pailletten:
Eir las uras chi battan sül clucher pac davent, ün pa trembln in l'ajer e svaneschan cul vent. |
Auch die Stunden, die schlagen von dem Kirchturm im Wind, zittern leis in den Lüften und entgleiten geschwind. |
Nachts fliegen die Pailletten des Himmels in unser Schlafgemach, denn Hakunas Wald in Samaden summt und brummt unter dem Flügelschlag von Nachtschwärmern aller Art, die sich freudig und in Garnisonsstärke hereinschwingen, sobald wir ein Fenster nur einen Spaltbreit öffnen. Sie tanzen und drängeln um uns wie die Kaufrauschigen im Schlussverkauf und singen uns ihr Lied. Sollen wir uns beklagen? Niemals und never! Offenbar haben wir das Privileg, unser Bett in einer Art Arche Noah aufschlagen zu dürfen, im Refugium der Verschmähten und Verjagten, den Königen und Königinnen der Nacht, die sich sonst nirgends mehr sehen lassen wollen und können. Hier haben sie sich versammelt, um uns ein Lied zu singen von der Zeit, als die Nächte sangen und sirrten und nicht selten lauter waren als die um Luft heischenden Tage des Sommers.
Donnerstag, 17. August 2017
Der Donnerstag begrüßt uns mit rosigem Licht bei 7 °C und droht den Stubenhockern mit erhobenem Finger. Klagen über schmerzende Knie, displazierte Hüften, Promille-Jetlag oder multiple Allergieschübe werden von diesem Morgen mit Pastelltönen weggestrichen und als das entlarvt, was sie sind: faule Ausreden. Der Chronist und Chauffeur gibt sich diese Blöße nicht, weil er in Erfahrung gebracht hat, dass unser heutiges Ziel per Bahn zu erreichen sei und der Rest in einer Abwärtsbewegung zu bewältigen sein wird, also ganz nach dem Geschmack und Lebensmotto des eingebürgerten und umso überzeugteren Oberbayern: Berge von unten, Kirchen von außen, Wirtshäuser von innen. Ausnahme: Die Bahn nach oben.
Talstation Muottas MuraglUm 9 Uhr spazieren wir gemächlich hinüber zum Punt Muragl und lassen uns um 9:45 Uhr mit der Standseilbahn auf den 2456 Meter hohen Muottas Muragl chauffieren, den schon Friedrich Nietzsche als den "lieblichsten Winkel der Erde" bezeichnete. Für die etwas mehr als zwei Kilometer und 700 Höhenmeter braucht die Bahn 12 Minuten. Und dann stehen wir auf dem Hausberg von Samaden, für dessen Namen wir allen, die des romanischen nicht mächtig sind, hier sicherheitshalber die international gültige Lautsprache anfügen: [ˌmuə̯tɐsmuˈraʎ). Muottas bezeichnet im Romanischen einen Vorberg; demnach ist der Muottas Muragl der Vorberg des Piz Muragl. Der Blick trägt über Celerina bis nach St. Moritz und dem Silvaplaner See und linkerhand liegt uns Pontresina und das Café Kochendörfer zu Füßen, von rechts grüßt Samaden.Wer diesen Blick genießt, ahnt, warum dieses Geschenk der Natur gelegentlich auch als das Engadiner Seen-Collier bezeichnet wird.
Blick vom Muottas Muragl: Pontresina (li.), Celerina (Mitte), St. Moritz (Mitte hinten), Samaden (re.)
Ebenfalls zu Füßen liegen uns die drei Damen mit den vier Beinen, wobei ihre Liegeposition die Bereitschaft zum sofortigen Aufspringen und Gasgeben signalisiert. Der Berg ruft sie, das gilt überall auf der Welt, nicht nur für den Watzmann. Es ist als hätte man ihnen eine kleine Dosis Prosecco mit Quecksilber in die Adern gespritzt, was hier oben sicherlich eine stärkere Wirkung hätte als auf Meereshöhe. Sie schweben mehr, als dass sie lägen und so, als ob sie auf einem Nadelbett ruhten.
Wir haben uns die Augen und das Hirn bis auf weiteres zur Genüge mit alpinem Panorama angereichert und erlösen die Rastlosen. Drei Damen im kleinen Schwarzen auf kargem Fels tänzelnd und choreografierend. Bewegungsluxus und Ziellosigkeit in Dreierpotenz. Erst der Warnpfiff eines Murmeltiers synchronisiert die Blick- und Bewegungsrichtung der drei augenblicklich auf einen Punkt. Obwohl nur Fianna, die bergerfahrene Mutter, den Pfiff eindeutig interpretieren kann und die Quelle des Rufs mit schwerem Lid und vibrierendem Nasenschwamm absucht, sausen die Köpfe der beiden Halbjährigen zeitgleich herum und rasten auf der Position der Felsgruppe ein, aus der der Ruf kam. Sie müssen nicht wissen, dass dies der Ruf eines Murmeltiers war, ihnen genügt, dass ihr genetisches Erbe den Ruf als den einer lohnenden Beute erkennt. Zusammen mit der Jagdvorbereitung ihrer Mutter ergibt das eine in nächster Sekunde losschlagende Jagdgesellschaft, die keine Gefangenen zu machen gedenkt. Doch diese eine Sekunde haben sie zu lange fixiert, zu lange lokalisiert, zu lange intern organisiert. Noch bevor die Mama ihr Ready-Steady-Go beendet hat, haben wir die drei gedankenschnell am Halsband oder der Wolle und die Amazonen unter Kontrolle. Das unterscheidet uns von jenem italienischen Touristen, dem die lange Bückbewegung hinunter zu seinem Dackel nicht so schnell gelungen ist oder der im Panorama des Engadins schweifte, egal, der deshalb mit leichten Slippern hinter seinem Dackel her den Abhang hinunter stolpern und ihn unter einigen Mühen aus der wirren Felsformation zerren muss. Bei solchen Gelegenheiten ertappt man sich bei einer kleinen unfeinen Schadenfreude (hättest dir eben ein größeres Modell zulegen sollen, wenn der Rücken nicht mehr fix genug ist), verbunden mit dem Stolz des Geistesgegenwärtigen – und lernt dabei auch noch fließend italienisch fluchen. Das kling, wie dem Chronisten scheint, ein bisschen wie Muottas Muragl. Aber das kann auch täuschen.
Über Fels und Stock und SteinÜber
die obere und untere Alp Muragl, über Fels und dürres Grün, durch Wald und Bach steigen wir wieder langsam hinab ins Tal und sind um 12:45 Uhr wieder in Hakunas Ferienhaus. Rund elf Kilometer haben wir unseren kampfbereiten Amazonen aufgebürdet und können den Eindruck nicht wegdiskutieren, dass sie noch immer einsatzbereit wären, obwohl es für die beiden Nachwuchshoffnungen ein richtiger Gewaltmarsch war. Dementsprechend gibt es abends Frischfleisch, aber keines vom Murmeltier, sondern ganz traditionell vom Rind.
Bei 20 °C und durchgehend weiß-blauer Bestrahlung legen wir uns entspannt in den Tag und keinerlei weiteren Aktivitäten an denselben. Nur geistig rüsten wir uns für die morgige Abreise, die nur deshalb keinen Aufschub oder gar eine Absage erhält, weil andere Freunde demnächst in der Bretagne auf uns warten. Es muss also geschieden sein. Morgen. Immerhin noch eine Nacht Aufschub. Es geht ja auch nichts verloren von dem, was war. Bleibt alles. Hat alles Bestand. Und reichert sich an und putzt sich heraus. Ist alles auch Zukunft, was heut schon von gestern ist. Und wieder streicht ein Vers von Randulin über die schläfrige Stirn:
Minchatant il guitader sa chanzun fa dudir, e'l passa, in silenzi darcheu tuot tuorn' a gnir. |
Manchmal singt uns der Wächter fern ein Lied – nur ein Stück, und es kehrt, was gewesen, in der Stille zurück. |
Freitag, 18. August 2017
Über den Julierpass nach NordenUm kurz nach 11 Uhr verlassen wir Hakunas Paradies und dessen Wächter. Erstaunlicherweise steuern wir den Franz II exakt auf jene Route, die wir fahren müssten, wenn wir unser erstes Ziel im Finistère ansteuern wollten. Wollen wir aber nicht, weil wir ja auf einem Freundschaftstrip sind und nicht auf der Flucht. Deshalb erstehen wir in Samaden erst mal eine Vignette für die Schweiz und peilen über St. Moritz den Julierpass an, dessen Scheitelhöhe von 2284 m ü. M. wir um 11:45 Uhr passieren. Dann geht's wieder bergab, über Chur und Zürich bis an die deutsche Grenze bei Rheinfelden.
Eigentlich ist unser Ziel heute Basel, einer Freundin wegen, die dort in einer Klinik die letzten Wochen ihrer Arztausbildung absolviert. Unbedingt müssten wir noch kommen und mit ihr Basel besichtigen, bevor sie sich von hier verabschiedet. Basel ist allerdings, so hören wir, in Sachen Camping- und Stellplätze etwas unterversorgt (überprüft haben wir das nicht), deswegen steuern wir den Stellplatz Gutenau in Efringen-Kirchen an, nur knapp zwei Kilometer von der Schweizer Grenze auf deutschem Boden und rund zehn Kilometer vom Zentrum Basels. Wir würden dann mit der Bahn zu Verena, so heißt die Freundin, nach Basel fahren.
Fahrtstrecke Samedan – Efringen-Kirchen
Um 15:30 Uhr rollen wir auf den Stellplatz (N 47° 38' 39.8'' E 007° 33' 51.8''), dessen aktuelle Belegung man über eine Webcam im Internet prüfen kann. Wir haben geprüft und deshalb einen Platz nach 301 Kilometern und bei 28 °C bekommen. Für die kommende Nacht stecken wir 11 € in ein bereitliegendes Kuvert und werfen es in einen Blechkasten. Ver- und Entsorgung gibt es hier, Müllentsorgung sowie Sitz- und Grillplätze. Charme hat der Platz nicht, aber es ist alles da, was man braucht. Einen Sitzplatz im Freien und einen Grillplatz brauchen wir heute allerdings eher nicht. Nicht nur weil wir nach Basel wollen, sondern weil sich der Himmel so verfinstert, dass man gut daran tut, zu prüfen, ob alle Luken im Womo dicht sind. Es sieht alles nach Weltuntergang aus. Und der Weltuntergang kommt und tobt sich aus: Heftige Gewitter, schwerste Regengüsse. Der Blick aus dem Franz gleicht dem aus einem U-Boot. Ein Telefonat mit Verena macht klar, dass die Besichtigung Basels heute buchstäblich ins Wasser fällt. Doch Verena bleibt unverdrossen: Wenn wir nicht zu ihr kommen, kommt sie eben zu uns, mit der Bahn und mit ihrem unverzichtbaren Fahrrad, mit dem sie nachts wieder nach Hause strampeln will, weil so ein Wetter ja nicht ewig hält. Na denn...
Das schwere Wetter zieht sich bis gegen 19 Uhr hin, lässt dann zwar deutlich nach, hinterlässt aber im gesamten Südwesten Deutschlands eine Spur der Verwüstung. Wir kommen unbeschadet davon, und Verena beeindruckt so etwas gleich gar nicht. Sie kommt mit der Bahn und ihrem Fahrrad und wir verbringen einen entspannten Abend im Gasthof "Zum Anker". Der "Anker" ist ein reelles badisches Gasthaus ohne Chichi und Sterneambitionen, dafür umso ehrlicher und geschmacksecht, in dem man getrost vor Anker gehen kann. Das Personal ist freundlich und aufgeschlossen, immer aufmerksam und nie aufdringlich. Mehr braucht man nicht, zumal der "Anker" nur wenige Gehminuten vom Stellplatz entfernt liegt. Verena schwingt sich auf ihr Fahrrad und verschwindet in der Nacht am Rhein entlang in Richtung Basel, was für sie, die einmal quer durch und rund um Deutschland als Naherholung begreift, nicht mehr als eine kleine Verdauungsfahrt ist.
Efringen-Kirchen und der Stellplatz Gutenau
Sie kommt trocken nach Hause und wir sind um 22:45 Uhr zurück bei Franz und seinen Wächterinnen. Es ist jetzt trocken und sehr bewölkt bei 10 °C. Nur wenige Kilometer von hier schöpfen sie Wasser aus den Kellern und zerlegen umgeworfene Bäume. Das Glück ist mit den Dummen, sagt man. Manchmal kann man gut damit leben.
Samstag, 19. August 2017
What next? Unsere Freunde, mit denen wir die Bretagne befahren wollen, stoßen erst in einer Woche im Finistère zu uns. Wir haben es also nicht eilig und beschließen, die Bretagne über die Auvergne anzusteuern, also quer durch Frankreich – zumal dort, im Zentralmassiv, noch ein Freundschaftstermin auf der Agenda steht. Moulins soll unser heutiges Ziel sein.
Moulins liegt in der Region Auvergne-Rhône-Alpes im Département Allier und wird wegen seiner façettenreichen Geschichte auch als Ville d’Art et d’Histoire bezeichnet. Mal sehen; die Tourismusmarketiers aller Länder scheuen ja bekanntlich kein noch so hohles Wortgeklingel.
Die natürliche Anfahrt nach Moulins von unserem derzeitigen Standpunkt würde uns ein paar Kilometer nach Norden führen, dort bei Mühlhausen über die französischen Grenze und dann immer in Generalrichtung Südwest nach Moulins. Da summierten sich etwa 435 Kilometer zusammen. Doch wenn eine natürliche Schwäbin für die Reiseplanung zuständig ist und sich ganz natürlich erinnert, erst gestern eine Schweiz-Vignette für 40 Franken gekauft zu haben, verbietet es sich, diese zu ignorieren und dafür den Franzosen jede Menge Maut zu berappen. Nein, dann muss der Chauffeur seinen Franz II bis zum letzen Mautrappen über Schweizer Autobahnen steuern. Auch wenn das über 100 Kilometer mehr sind. Aber, wie bereits erwähnt: Wir sind ja nicht auf der Flucht.
Morgenbad im AllierUm 7:45 Uhr verlassen wir den Stellplatz Gutenau bei Regen in Richtung Basel und nun geht es immer die A 1 entlang südwestlich durch die Schweiz. Um kurz vor 9 Uhr machen wir einen Stopp am Rasthof Deitingen-Nord für ein kleines Frühstück und den Morgenspaziergang für Fianna und Hedda, die sich noch in der Nachtstarre befinden. Gleich hinter dem Marché führt ein kleines Tor aus dem Rasthofgelände hinaus in den Waldsaum der Aare, in dem man dem Fluss kilometerweit folgen kann. Heute ist es noch etwas nass hier und die Folgen des Unwetters liegen noch überall herum, aber wir genießen diesen Morgenspaziergang in der frisch gewaschenen Luft und die Mädels haben ihren Spaß. Nur: kilometerweit und stundenlang können wir uns heute nicht leisten, und so verlassen wir Deitingen-Nord gegen 10 Uhr wieder, weiter auf der A 1 immer in Richtung Frankreich und überqueren um 11:45 Uhr bei Genf die Grenze.
Ab jetzt sind fahren wir ohne den Schutz der Schweizer Autobahnvignette und müssen französische Mautomaten füttern. Und ab jetzt geht es nach Nordwesten. Bei Mâcon verlassen wir um 13:15 Uhr die Autobahn, zahlen dafür 27.80 € Péage und cruisen über Land in Richtung Moulins. Irgendwo auf dem Weg spenden wir dem Franz II für 109 € eine Tankfüllung und kaufen uns ein erstes, französisches Thunfisch-Baguette, das wir uns mit strahlenden Augen teilen: irgendwie zu Hause, angekommen in Frankreich. Heute ist es ein Thunfisch-Baguette, ein andermal ist es eine saftige Waffel (goffre) oder ein unwiderstehliches Schokocroissant. Sie muss durch unsere Mägen gehen, unsere Ankunft in Frankreich, das Wiedersehen und das Kribbeln im Bauch.
Kurz nach 15 Uhr sind wir in Moulins, suchen aber zuerst ein Zeitungs- oder Schreibwarengeschäft, wo wir für 29.99 € eine mobile WLAN-Karte kaufen. Um 15:45 Uhr steuern wir den Franz auf den Stellplatz Aire Camping Cars Flot Bleu Park (N 46° 33' 25,1'' E 003° 19' 31,7''). Es ist sehr angenehme 25 °C warm, der Himmel gibt sich einladend weiß-blau, und der Stellplatz liegt am linken Allier-Ufer, nur wenige Meter von der Brücke, die in die Altstadt führt. 547 Kilometer sind wir gefahren und nun machen wir erst mal ein kleines Nickerchen.
Fahrtstrecke Efringen-Kirchen – Moulins
Gegen 18 Uhr schlendern wir am Allier entlang zum Intermarché (10 min ohne Eile) und füllen unsere Stauräume und um 19:30 Uhr lassen wir es uns draußen vor der Tür schmecken. Allein: Dem Chauffeur will es nicht so recht munden, er fühlt sich malade. Für ihn endet deshalb der Tag schon um 20:30 Uhr mit seltsamen Zuständen. Das Thunfisch-Baguette will er dafür nicht verantwortlich machen, denn die Reiseleiterin fühlt sich pudelwohl. Es liegt was in der Luft, irgendetwas, das den Franzenbändiger malträtiert und mit nächtlichen Durchfällen aus der Koje zwingt.
Sonntag, 20. August 2017
Blick über den Allier auf MoulinsAls der Chauffeur kurz nach 10 Uhr ins Freie tritt, wünscht ihm ein azurblauer Himmel, wohl geruht zu haben. Hat er aber nicht, und er könnte die Frage, wie es ihm ginge, nur unzureichend beantworten. Jedenfalls fühlt er sich weit jenseits seiner Bestform. Die Reiseleiterin spaziert mit den ausgeschlafenen Mädels am Allier entlang hinüber zum Intermarché, um Frühstück zu besorgen. Er beschließt, ihnen entgegenzugehen und seinem Kreislauf etwas Gutes zu tun. Das Ufer des Allier ist gut besucht an diesem Sonntagvormittag, überall sitzen plaudernde Menschengruppen, spielen Kinder, und Halbwüchsige treiben sich auf den Kiesbänken des Flusses herum. Sie geben ihm und seinen wenig einladenden Ufern ein freundliches Alibi; der Fluss macht auf mehr Leben als eigentlich in ihm steckt und sich an seinen Flanken ausbreitet. Der Allier macht hier einen vernachlässigten Eindruck, was sicher auch den verdorrten Rasenflächen zuzurechnen ist. Aber für den Müll können wir diese nicht verantwortlich machen.
Um 11:45 Uhr wird gefrühstückt, worauf der Chauffeur wieder zügig in der Koje verschwindet, um seine Wiederherstellung voranzutreiben. Kurz vor 15 Uhr fühlt er sich in der Verfassung, Moulins einen Besuch abzustatten. Wir nehmen die zwei Vierbeinerinnen an die Leine, überqueren den Allier und sind schon in der Altstadt von Moulins. Die Stadt der Kunst und der Geschichte, wie sie sich selbst etwas zu marketinglastig nennt, ist auf den ersten Blick eine Ville fermée mit hochgeklappten Bordsteinen, hinter denen sich reichlich Müll sammelt. Sonntags ist hier die Hose tot, einige Brasserien und Bars warten auf Kundschaft, alles andere hat die Rollos heruntergelassen. Mag sein, dass sich das gegen Abend ändert, doch jetzt begegnet uns Moulins sehr zugeknöpft. Kenner Frankreichs werden jetzt einwenden, dass die Franzosen doch immer ihren Mittagsschlaf bis mindestens 15 Uhr pflegen, womit sie natürlich recht haben. Die Moulinesen aber, so viel sei vorweggenommen, halten sich nicht an diese Regel, jedenfalls nicht, solange wir ihnen unsere Aufwartung machen: sie halten sich weiterhin bedeckt. Vielleicht liegt das ja an uns: Schotten dicht, wenn die boches kommen. Knapp 20.000 Moulinesen schlafen derzeit, soviel Einwohner hatte die Stadt jedenfalls bei der letzten Die Ruine des Bourbonenschlosses und Notre DameErhebung 2015, und wenn der Trend sich treu geblieben ist, sind es vermutlich bereits weniger, denn seit Mitte der 70er Jahre, als Moulins noch 26.000 Einwohner hatte, ging es stetig bergab. Was Wunder, denn Moulins goldene Jahre lagen im 14. Jahrhundert, als hier die Herzöge von Bourbon residierten und einige Klöster geistigen und geistlichen Glanz über die Region breiteten. Heute zeugt von jener Zeit nur noch die Kathedrale Notre Dame de Moulins und die Ruine des Bourbonenschlosses La Mal Coiffée. Wer möchte, kann sich im Maison Mantin einen Eindruck verschaffen, wie reiche Franzosen Ende des 19. Jahrhunderts lebten, im Centre National du Costume de Scène Originalkostüme von Rudolf Nurejew bestaunen oder sich im Musée de la Visitation in die Geschichte des hiesigen Karmeliterklosters vertiefen und sich vom Prunk sakraler Ornate beeindrucken lassen. Wir möchten das nicht, auch weil unsere Begleiterinnen wenig Begeisterung an den Tag legten, als wir ihnen das Touristenprogramm zur Abstimmung vorlegten. Wir begnügen uns mit der Kathedrale, abwechselnd, weil der Herr zwar die Schöpfung geschaffen hat und inniglich liebt, aber nicht, wenn sie mit vier Beinen durch sein Haus trampelt. So ist das im Christenland. In Südostasien, bei den Buddhisten, dösen Hunde, Katzen, Affen und Schweine in den Tempeln und Buddha scheint daran keinen Anstoß zu nehmen.
Reisen heißt rastenGegen 17 Uhr kehren wir der Altstadt von Moulins wieder den Rücken, in der Überzeugung, dass es für eine Stadt der Kunst und der Geschichte schon etwas mehr sein dürfte als eine Kathedrale, eine Bourbonenruine und verlotterte Straßenzüge, die nichts mit historischer Patina zu tun haben. Moulins ist ähnlich angeschlagen wie der Chauffeur, der immer noch mit Durchfall und seltsamen Anwandlungen in Hals und Kopf kämpft, was, wie die Reiseleiterin diagnostiziert, zumindest für den Kopf nichts Ungewöhnliches sei. Zum Trost ist wenigstens der Himmel über Moulins weiß-blau und umschmeichelt die zwölfbeinige Touristengruppe mit 23 °C.
Abends gibt es für uns nur ein Stück Baguette auf die Faust, weil dem Chronisten nicht nach Abendmahl ist, was allerdings für unsere alte Katze Jamie bald anstehen dürfte, wie wir von zuhause erfahren. Mit 21 Jahren ist sie nicht mehr die Jüngste und vollzieht seit Monaten zielstrebig ihren eigen Zerfallsprozess. Körperlich fragil, aber sonst noch klar bei Sinnen, geht sie ihrem Ende entgegen, das jetzt nicht mehr fern sein dürfte. Dieses hat ein anderer heute schon hinter sich gebracht: Jerry Lewis, der König des Kinoklamauks aus den 60er Jahren. Mit 91 ist er jedenfalls nicht mehr dem frühen Kindstod zum Opfer gefallen. Trotzdem: Da regt sich die verschüttete Jugend wieder, die Kinogänge mit den frühen und, wie Jerry, noch reichlich unfertigen Bräute. Der Geruch dieses Jahrzehnts des Aufbruchs und des Aufbegehrens streicht plötzlich über den Campingplatz von Moulins und in die angegriffenen Nüstern des kranken Chauffeurs. Vielleicht läutet er ja seine Gesundung ein. Vorerst führt er nur zu Ohrenschmerzen, die er aber den überhaupt nicht angemessenen Hip-Hop-Klängen aus der Nachbarschaft zuschreibt. Er diagnostiziert für sich eine Unverträglichkeit der Zeitalter und legt sich um 22 Uhr aufs schmerzende Ohr. Über Moulins zeigt sich der Himmel ungetrübt bei 17 °C. Wenigstens er...
Montag, 21. August 2017
8 Uhr, keine Wolke und für die Jahreszeit zu frisch: 10 °C. Die Reiseleiterin legt Fianna eine knackige Morgenfährte und geht mit ihr anschließend spazieren. Hedda kommt mit dem gleichen Programm etwas später dran.
Und der Chauffeur steigt wie nix und Phönix aus dem Bett und aus der Asche der Jahrzehnte, beschwingt und frohgemut, Lewis Jerry im Gedenken und Mungo Jerry im genesenen Ohr:
In the summertime when the weather is hot
You can stretch right up and touch the sky
When the weather's fine
You got women, you got women on your mind
Have a drink, have a drive
Go out and see what you can find
Touch the sky ... women on my mind. Ja, so war das, damals. Was sonst? Heute denkt der leise Sänger mehr an die Versorgung des Wohnmobils. Have a drink, have a drive ... heilx Blechle, das traut sich heute keiner mehr zu sagen, der würde sofort von einer Einsatztruppe der Blaukreuzler eingesammelt, dem Verkehrsminister vorgeführt und erst einer Blut- und dann einer Gehirnwäsche unterzogen. Wie sich die Welt in 50 Jahren verändert. Man muss ja heute sogar beim Fahrradfahren einen Helm auf dem Schädel tragen (zumindest ist der blanke Radlerkopf gesellschaftlich geächtet), auf demselben Schädel, mit dem wir vor 50 Jahren noch auf dem Fahrradsattel kopfüber balanciert und genauso oft auf denselben gefallen sind. Hat's geschadet? Die Reiseleiterin meint: ja.
Aber: Go out and see what you can find. Genau das haben wir heute vor. Darin sind wir uns einig.
Der Weg in die Bretagne, unserem eigentlichen Reiseziel, führt nach Nordwesten. Und wer die seltsamen Schnittmuster unserer Reiserouten kennt, ahnt, dass wir diese Richtung nicht einschlagen werden. Im Gegenteil: Wir fahren nach Südosten; weiterer Freunde wegen. Was sonst?
Nach dem Frühstück wird der Franz II ver- und entsorgt, und um 12 Uhr verlassen wir Moulins bei einem cyanblauen Himmel und 25 °C. Zuerst geht es stramm nach Süd, aber nur etwa 30 km bis St-Pourçain-Rathaus von St-Pourçainsur-Sioule. Was führt uns in dieses 5000-Seelen-Nest? Nichts, außer, dass es am Weg liegt und von manchen Leuten als einigermaßen malerisch bezeichnet wird. Wir machen einen Stopp und sehen uns um. Der Name des Ortes geht auf den Hl. Portian zurück, der sich hier im 6. Jahrhundert verdient gemacht haben soll. Bei Kennern ist er allerdings eher wegen seines Weines bekannt, dem Saint-Pourçain. Was darf man sich demnach von St-Pourçain-sur-Sioule erwarten? Das, was man immer erwarten darf: Ein mehr oder minder charmantes Rathaus und eine Kirche, hier die Heiligkreuzkirche (Église Sainte-Croix), eine ehemalige Benediktinerabtei und einen Uhrturm (Beffroi) aus dem Jahre 1480. Dazu gibt es noch ein
Beffroi und Kirchturm von Sainte-CroixWeinbaumuseum, dem wir uns aber nur von außen widmen. Und dann fließt da noch die Sioule, ein in manchen Abschnitten romantisches Flüsschen, das etwas weiter nördlich in den Allier fließt. Dort führen wir Fianna und Hedda spazieren, lassen sie schwimmen und rennen und kommen zu der bedauerlichen Erkenntnis, dass die Natur gar nicht so schön sein kann, dass sie nicht verschissen wird. Als Besitzer eines Junghundes weiß man, was das bedeutet: Hedda bekommt ein zusätzliches Bad. Und Fianna versteht die ganze Aufregung nicht, schließlich sind Kinder doch immer und überall verschissen. Da hat sie wohl recht, unterschlägt aber, dass es einen Unterschied darstellt, ob diese Kinder in einer Wurfbox liegen oder in einem Wohnmobil. Am Ende sind wir sechs Kilometer an dem Flüsschen und einem Totarm entlang spaziert, bevor wir kurz nach 15 Uhr die Stadt des Hl. Portian wieder verlassen. Das Thermometer steht inzwischen auf 27 °C.
Nun geht es noch ein bisschen weiter weg von unserem Ziel Bretagne. Über Vichy kurven wir auf charmanten und romantischen Straßen über Aronnes, Ferrières-sur-Sichon, Saint-Priest-la-Prugne und Saint-Jean-la-Vêtre in Richtung Südost bis nach Chalmazel. Es gäbe auch bequemere Routen, sehr wahrscheinlich auch schnellere, aber diese ist in ihren besten Abschnitten von atemberaubender Schönheit. Kein Wunder, schwingen wir uns doch bei unserer Anreise auf über 1100 Meter hoch und bekommen dabei ständig ein neues Panorama vor die Nase unseres Franz II, das uns die Kurverei zum Vergnügen macht. Um 17:30 Uhr stellen wir den Franz nach 136 km auf dem Stellplatz von Chalmazel ab (N 45° 42' 10,1'' E 003° 51' 11,9''). Der späte Nachmittag grüßt hier in immer noch 850 m ü. M. mit 22 °C. Der Stellplatz hat acht eingefasste und gekieste Plätze in fünf Minuten Fußweg vom Ortskern. Strom kann mit Jetons von Flot Bleu bezogen werden.
Fahrtstrecke Moulins – Chalmzel
Doch Chalmazel ist nicht unsere eigentliches Ziel: Wir wollen unsere Nachbarn aus der Heimat besuchen, die in dem kleinen Flecken Diminasse, etwa einen Kilometer östlich von Chalmazel, ein Ferienhaus besitzen. Allerdings müssen wir zu ihnen hinauf noch einmal rund 100 Höhenmeter überwinden, bis wir mit ihnen, hoch über dem Tal, mit einem grandiosen Blick in die Berge des Zentralmassivs eine französische Brotzeit machen können: Käse, Chalmazel bei NachtOliven, Wein. Was braucht man mehr unter einer mächtigen Linde?
Um 21:50 Uhr sind wir wieder in Chalmazel, nicht ohne unsere Handy-Akkus einigermaßen erschöpft zu haben, um uns den Weg ins Tal zu erleuchten, der so finster ist, dass selbst der ungetrübte Sternenhimmel nichts ausrichten kann. Hinunter ins Tal ist es stockfinster, nur Chalmazel am Gegenhang erstrahlt im Glanz der Scheinwerfer.
Dienstag, 22. August 2017
Die Burg von ChalmazelUm 9 Uhr spazieren wir bei 11 °C unter einem kobaltblauen Himmel zum Bäcker. Chalmazel bietet auch nicht viel mehr, sich umzutun, als einige hundert Einwohner, die von einer Burg aus dem 13. und 14. Jahrhundert bewacht werden. Da entscheiden wir uns lieber für ein strahlendes Frühstück im Freien mit Blick auf die Burg.
Um viertel vor 11 Uhr verlassen wir Chalmazel bei wolkenlosen 19 °C in westliche Richtung, was uns dem Ziel Bretagne eindeutig näher bringt, und bereits um 11 Uhr haben wir den Gipfel des Col du Béal erreicht und stellen die Maschine auf 1390 Metern schon wieder ab. Wir nehmen die Blick vom Col de Béal auf den Puy de Dôme z
Noch eine schöne Aussichtwei Pelzträgerinnen und stapfen mit ihnen auf eine der umliegenden Anhöhen in nördlicher Richtung hoch, um von hier oben auf 1440 Metern einen Blick ins Land und über das Zentralmassiv zu werfen. Ganz drüben können wir sogar den Puy de Dôme erkennen, immerhin etwa 65 Kilometer weiter im Westen. Der Ausblick ist grandios, und die Wettervorhersage auf einem handgeschriebenen Zettel an der Auberge Gîte du Béal ist es nicht weniger: Blitzblaue 33 °C werden uns da prognostiziert und morgen auch noch einmal 32 °C.
Wir haben genug gesehen und setzen uns um 11:45 Uhr wieder in Bewegung. Allerdings wieder nicht in Richtung Bretagne, sondern schnurstracks südlich. Um 12:30 Uhr machen wir einen Einkehrschwung bei Carrefour in Ambert und kommen dort erst nach über einer Stunde wieder heraus, wie das bei unserem innigen Verhältnis zu Carrefour meist ist; unter einer Stunde geht da nichts. Dafür sind wir jetzt für alle kulinarischen Eingebungen der nächsten Zeit gewappnet und könnten vermutlich auch einen längeren Streik der Lebensmittelindustrie ohne großen Gewichtsverlust überstehen. Bei unserer Weiterfahrt strahlt das Zentralgestirn über dem Zentralmassiv tatsächlich mit 32 °C von einem zügellosen Himmel.
Ab in den Süden, der für uns heute um 15 Uhr in Le Puy-en-Velay erreicht ist. Im Camping Bouthezard, zu Füßen des Heiligen Michael, legen wir uns für heute nach 108 Kilometern zur Ruhe (N 45° 02' 58,6'' E 003° 52' 45,6'').
Fahrtstrecke Chalmazel – Le Puy-en-Velay
Die Ruhe findet nach dem Kaffee um 17 Uhr ein Ende, um uns diese Stadt, die als Touristenmagnet bekannt ist, aus der Nähe zu betrachten. Le Puy-en-Velay hat rund 19.000 Einwohner und liegt auf 625 Metern im südlichen Zentralmassiv in einer bizarren Vulkanlandschaft, die dieser Stadt ihr Gesicht gibt.
Saint Michel und Roche Corneille (im Hintergrund)Den größten Anteil des Touristenaufkommens haben die Pilger des Jakobswegs nach Santiago de Compostela, denn Le Puy, wie die Stadt noch bis 1988 hieß, ist einer der Ausgangspunkte auf diesen Pilgerweg. Es scheinen sich gerade ziemlich viele auf den Weg machen zu wollen, denn Le Puy ist ziemlich voll.
Direkt vor uns, nein über uns, ragt eine dieser Basaltkuppen 80 Meter auf und trägt auf seiner Spitze die Kirche Saint-Michel d’Aiguilhe (Heiliger Michael auf der Nadel). Auf diesen erloschenen Vulkanschlot hatte schon zur Römerzeit ein Tempel gestanden, der vermutlich Merkur geweiht war, was uns einerseits zeigt, dass nicht nur das christliche Establishment verstand, sich in Szene zu setzen, aber andererseits verdeutlicht, dass die frühen Christen keinerlei Skrupel hatten, den kulturellen Bestand zu okkupieren und für ihre Zwecke zu nutzen. In dieser Hinsicht waren sie höchst anpassungsfähig: Wenn man nur einen Gott hat statt zwei Dutzend, wie sie die Römer hatten, macht man einen ziemlich armseligen Eindruck und nicht viel her. Aber die frühen Christen waren sehr geschmeidig und um eine Lösung selten verlegen: Hatten die Römer nicht auch noch jede Menge kleiner Hausgötter? Die könnte man sich doch einverleiben und umfunktionieren. Und schon hatte man die Heiligen erfunden, die alle für irgendeine Not zuständig waren wie die römischen Hausgötter. Und prompt fühlen sich die zu missionierenden Römer ein wenig wohler und wurden zugänglicher. So geht das. Und so ging das auch mit dem Michael auf der Nadel. Was bereits da ist, wird umgewertet und einverleibt. Und so steht sie seit dem 10. Jahrhundert da oben, die Kirche der Christen, die anfangs nur eine bescheidene Kapelle war, und schickt die Pilger mit ihrem Segen auf die Reise.
Notre Dame de France bei NachtNur ein paar Schritte entfernt ragt der Vulkankegel Rocher Corneille stolze 132 Meter über uns auf. Er hält sich nicht mit einer Kirche als Krönung auf, sondern trägt die Statue der Notre-Dame de France, eine Art französischer Bavaria. 16 Meter ragt sie über dem Gipfel auf und wurde 1860 aus dem Metall von 213 Kanonen aus dem Krimkrieg errichtet. Eine wahrhaft eiserne Lady, gegen die Maggie Thatcher bestenfalls eine verbeulte Blechschachtel war. Heute ist die martialische Madonna rosa angemalt, was ihr vor allem während der nächtlichen Bestrahlung einen bonbonnierefarbig-kitschigen Chic verleiht. Aber darunter ist eben doch nichts als knallharter Stahl, möglicherweise ein hilfreicher Hinweis für alle Männer, sich nicht vom schönen Schein blenden zu lassen.
Die Altstadt ist zweifellos einen Bummel wert, obwohl das Touristenaufkommen manchmal etwas sperrig im Weg liegt. Aber wir sind ja auch Touristen, allerdings logischerweise die besseren. Treffender als Thomas Hobbes es getan hat, kann man diesen Zustand kaum beschreiben: Homo homini lupus. Der Mensch ist des Menschen Wolf. Und der Tourist ist des Touristen Wolf. Man treibt sich herum und möchte überall gerne alleine sein. Doch leider sind die Verhältnisse nicht so. Hier sind sie sogar bumsvoll, die Verhältnisse, nicht die Touristen, und dazu brütet die Sonne noch jetzt, am späten Nachmittag, lustvoll zwischen den Häusern der Altstadt.
Und wofür ist Le Puy noch berühmt? Jetzt sind die Kulinarier gefragt. Genau: Für die berühmtesten und feinsten Linsen, La Lentille Verte du Puy A.O.C. Eine Delikatesse, der man sich nicht enthalten sollte, wenn man Linsen auf den Tisch bringen will.
All you need: Nudelteig und eine FlascheDas
Die Schätze aus Küche und Keller – außer Linsenwollen wir aber heute nicht. Die Reiseleiterin und Speiseleiterin hat sich aktuell für eine Pizza Calzone aus dem Omnia entschieden. Punkt. Und so machen wir uns um 19 Uhr an die Arbeit, die unvergleichliche Pizza Calzone "Le Puy" zu kreieren, mit einer Füllung aus Tomatensoße, Emmentaler, Zwiebel, Zucchini, Paprika, Oliven, Schinken, Sardellenfilets, Mozarella und einer französischen Kräutergewürzmischung. Zusammengerollt kommt der Pizzaschlauch in den Omnia, wird mit fünf Minuten Vollgas auf Betriebstemperatur gebracht und a
In den Omnia mit der Pizzanudelnschließend 40 Minuten gar geschmurgelt. Gegen Ende der Zubereitungszeit noch etwas Tomatensoß
Omnia, der Tausendsassa für die Reisee drüber und ein bisschen Käse – und fertig ist die Calzone Le Puy. Allerdings ganz ohne Linsen. Eine Leckerei und noch mehr Spitze als die zwei Basaltnadeln über unseren Köpfen.
Voilà – Pizza Calzone Le PuyNach der Calzone treibt es uns um 21:15 Uhr noch einmal hinaus und hinüber in die Altstadt. Diesmal nehmen wir Fianna und Hedda mit, damit sie eine abendliche Erleuchtung erfahren mögen: Zwischen dem 12. Mai und dem 30. September findet hier täglich zwischen der Abenddämmerung und Mitternacht die Lichtershow Puy de Lumières statt, eine der Fête des Lumières in Lyon nachempfundene Bestrahlung der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt mit allerhand Lichteffekten und Lichtzauber. Bei einem eineinhalbstündigen Spaziergang kann man all die bestrahlten Sehenswürdigkeiten der Stadt abwandern und sich
Die beleuchtete Kathedrale verzaubern
Die zaubernden Lichter der Nacht und inspirieren lassen. Der Heilige Michael auf der Nadel wird dabei ebenso in allen Farben des Spektrums getaucht wie die berühmte Kathedrale von Le Puy, die zum Welterbe der UNESCO gehört, und natürlich die eiserne Lady auf dem Rocher Corneille. Bei den dreien lassen wir es aber bewenden, weil sich heute Abend, wie es scheint, alle Pilger durch Zellteilung geradezu explosionsartig vermehrt haben müssen, so proppenvoll sind hier die Gassen der Altstadt. Wir nehmen die Eindrücke der Lichtershow gerne und beeindruckt mit nach Hause, aber nach einer Stunde brechen wir die Visite lieber ab und ziehen uns auf den Campingplatz zu unserem Franz II zurück. Bei noch immer 24 °C sitzen wir unter dem sternenklaren Himmel der Auvergne und träufeln uns angesichts eines chamäleonartigen Michael einen Nightcup auf unsere zufriedene Seele: Blau, rot, gelb, grün, blau ... blau … Nein, so weit lassen wir es nicht kommen.
Mittwoch, 23. August 2017
Im warmen Morgenlicht von Le Puy thront der Heilige Michael recht farblos auf seiner Nadelspitze und die französische Mama steht wie ein Gummibärchen auf ihrem Felsen. Wir frühstücken, registrieren dabei die erste lästige Wespe dieses Urlaubs, machen den Franz in allen Belangen fertig und verlassen Le Puy und seine erlösungsdurstige Pilgerschar gegen halb zwölf bei immerhin schon 26 °C. Franzens Nase drehen wir in Richtung Nordwest, nach Clermont-Ferrand, um dem Puy de Dôme einen Besuch abzustatten. Der Puy de Dôme gehört zu einer Vulkankette, der Chaîne de Puys, und ist deren höchster Gipfel. Der mächtige Vulkankegel ragt 1465 Meter hoch und überragt, das nur 15 Kilometer entfernte Clermont-Ferrand dabei um rund 1000 Meter.
Gegen 13:45 Uhr liegt er vor uns, linkerhand, ohne sein Haupt zu bedecken, wie er das wegen der hier häufig vorkommenden Inversionswetterlage gerne tut. Das ist ja eine unangenehme Eigenschaft vieler Sehnsuchtsberge, sich unsichtbar zu machen; der Fuji zeigt sich meist zugeknöpft, der Kilimandscharo verhüllt sein Haupt meist auch, und der Puy de Dôme tut es ihnen gleich. Unsere Annäherung scheint sie aber wenig zu erschrecken, denn der Kili hat sich seinerzeit bei unserem Vorbeiflug im Safariflieger völlig ungeniert gezeigt (den Der Puy de DômeFuji haben wir bisher nicht konsultiert) und der große Vulkan der Auvergne scheint auch keinen Grund zu sehen, sich vor uns zu verhüllen. So liegt er also an unserer Backbordseite in einem sehr luziden Licht, wie wir es all die Tage nicht hatten und winkt uns zu sich, als ob er die Gailtalerin engagiert hätte, um uns zu sich hinauf zu locken: 'Aufi, aufi, muascht'. Aber wir sind zögerlich. Was haben wir von seiner Besteigung heute zu erwarten? Ein mindestens 90-minütiger Aufstieg zu Fuß mit zwei Hunden bei knapp 30 °C in der prallen Sonne? Oder eine Bergfahrt mit der Zahnradbahn Panoramique de Dômes? Das wäre möglich, aber was würde uns dort oben erwarten? So sehr das Licht hier unten schimmert, so dunstig ist es für einen Blick über das Zentralmassiv, das wir im Übrigen schon vom Col de Béal ausgiebig in Augenschein genommen hatten. Wir fahren eine Parkbucht an, sehen lange zu ihm hinüber und entscheiden uns: Nix mit Berg heute! Wir gehen nicht hoch und wir fahren nicht hoch, weil wir von dort oben nur Gegend in der flirrenden Mittagshitze zu sehen bekämen. Wir besuchen auch nicht das Vulcania, ein rund fünf Kilometer nordwestlich liegender Themenpark für Vulkanismus mit Kratern, Geysiren und viel Spektakel und Attraktionen rund um den Vulkanismus. Um dem Angebot gerecht zu werden, muss man mehrere Stunden einplanen, die unsere zwei Damen im heißen Franz ausharren müssten. No way! Wir steuern jetzt sofort die Bretagne an, nicht ganz hinauf, aber so weit, dass wir morgen nicht die ganz lange Kante vor uns haben. Besprochen, beschlossen, getan – und tschüß. Der Chauffeur chauffiert, wie sich das gehört und die Reiseleiterin navigiert und sucht einen Hafen auf der Strecke.
Um 14 Uhr verlassen wir den Puy de Dôme und mit ihm die Auvergne in Richtung Nordwest, das Meer bereits in den Nüstern, den Sand gedanklich schon im Fell und im Womo und den Besuch unserer Anouk im sehnsüchtig traurigen Herzen.
Fahrtroute Le Puy-en-Velay - Marçon, Camping du Lac des Varennes
Um 18:35 Uhr klopfen wir an die Tore des Camping du Lac des Varennes in Marçon im Centre-Val de Loire (N 47° 42‘ 53,4‘‘ E 000° 29‘ 46,4‘‘). 540 Kilometer hat uns der Franz heute herumkutschiert. Über uns ein leicht diesiger Himmel bei 24 °C. Unser erster Eindruck: See und viele Zeltnomaden, jede Menge Mobile Homes und Dauercamper. Das ganze Ambiente lässt auf Familienurlaub mit Kindern schließen. Soll uns auch recht sein, wenn wir auch von den Kinderbelustigungen nicht Gebrauch machen werden. Laufkundschaft wie wir dürfte hier eher Camping du Lac des Varennesselten sein. Zweiter Eindruck: Die Betreiber sind ausgesprochen nett, aber mindestens genauso chaotisch. Wir bekommen den Platz mit der Nummer 253 zugewiesen, finden den aber bereits von einem mächtigen Zelt in Beschlag genommen. Hätten wir auf einen Teil dieses Stellplatzes Anspruch erheben wollen, hätten wir über Kopf am Hang stehen müssen, weil das Gelände dort nichts anderes zulässt. Nächster Versuch. Jetzt soll es die Nummer 255 sein. Dieser Platz ist aber nicht zu finden, zumindest nicht von der Zufahrtsstraße aus, weil die Nummernschilder einfach nicht auszumachen sind. Also machen wir uns zu Fuß auf die Suche und werden von den Anliegern rund um „unser“ Grundstück eingewiesen. Der Lohn der Mühen ist ein wirklich geräumiges Fleckchen Erde. Aber so richtig scheint hier keiner durchzublicken oder es nicht zu wollen. Egal.
Um kurz nach 19 Uhr haben unsere Ladys es verdient, ihre Knochen bewegen zu dürfen. Also wandern wir mit ihnen einmal um den ganzen See und lassen sie baden und toben, so viel sie wollen. Auf der Halbinsel, die vom Osten her breit und bräsig in den See ragt, haben wir ein Restaurant entdeckt, das sich Seebar nennt. Das suchen wir nun auf. Es gibt Pastis und Mojito vorab, dann Entrecôte mit Pommes und Fish & Chips, dazu Wein und belgisches Leffe brune. So kann man es aushalten. Die Damen hängen derweil gelangweilt die Köpfe von der Terrasse und luren den Fischen hinterher.
Marçon, Camping du Lac des Varennes
Um 21:30 Uhr sind wir zurück, hängen bei lauschigen 18 °C noch ein bisschen vor dem Franz herum und machen dann die Schotten dicht.
Donnerstag, 24. August 2017
Der Tag geht ja gut los! Schon die Nacht war eine Tortur, weil Hedda, der hoffnungsvolle Nachwuchs, darauf besteht, im Bett des Chauffeurs zu nächtigen. Das kennt der schon und bringt ihn weder aus der Fassung, noch um den Schlaf. Aber ein hechelnder, ächzender und sich wälzender Hund raubt jedem den Schlaf. Und Hedda pumpt und hechelt und strampelt die halbe Nacht. Und weil das süße Gift des Schlafes auch dem Geistesgegenwärtigen die nötigen Einsichten vorenthält, dauert es bis tief in die Nacht und den anbrechenden Tag, bis er merkt, dass alle Fenster geschlossen sind. Es war die Reiseleiterin, die aus einem luftigen Heim eine stickige Muffbude gemacht hatte und Hedda schier um den Verstand brachte, so sehr, dass sie sich andauernd herumwälzte, sich gegen ihren Bettgenossen stemmte und zuletzt auch noch gegen die Jalousien seines Schlafzimmerfenster. So sehen sie jetzt auch aus, von vier, aus Atemnot herumfliegender Hedda-Beine gefleddat. Als der Chauffeur endlich die Fenster öffnet, kommt für sie, die Jalousien, schon fast jede Hilfe zu spät, aber für Hedda ist es noch nicht zu spät. Sie überlebt und schmiegt sich dankbar an ihren Lebensretter. Doch der Tag geht so weiter wie die Nacht vorgab: Der Chauffeur muss zur Kenntnis nehmen, dass er in Le Puy seine Duschhaken vergessen hat, jene hilfreichen Haken, ohne die man in den meist sehr spartanisch ausgestatteten Duschkabinen der Campingwelt kaum etwas findet, woran man seine Siebensachen versorgen kann, während man unter der Dusche steht. Nun sind sie weg, die Haken, und der systemimmanente Haken der Duschkabine bietet gerade mal Platz für ein Handtuch oder einen Kulturbeutel oder eine Hose, ein Hemd und eine Unterhose. Für alles zusammen reicht der Platz vorn und hinten nicht. So wird Camping Bouthezard in Le Puy-en-Velay als „Platz der vergessenen Haken“ in die Annalen des Bairischen Blues eingehen. Die Fortführung der Reise steht dadurch fast auf der Kippe, weil der Chauffeur in solchen Dingen empfindlich ist wie die Prinzessin auf der Erbse.
Der Himmel um 7:30 Uhr empfindet die Stimmung des Chauffeurs untertänigst nach und kleidet sich taubengrau bei 14 °C. Die Reiseleiterin, völlig unbelastet von den Mühen der Nacht, ist bereits mit den Damen schwimmen gegangen.
Stellplatz Bois du Poète in TréguierNach dem Frühstück geht es um 9:30 Uhr weiter in Richtung Bretagne, und zwar so direkt, wie möglich, über Rennes und Saint-Brieuc nach Tréguier. Um 13:40 Uhr stellen wir uns dort auf den Stellplatz Bois du Poète, direkt über dem Guindy, einem Nebenarm des Flusses Jaudy, nur wenige Fußminuten vom Ortskern entfernt (N 48° 47‘ 22,6‘‘ W 003° 13‘ 5,7‘‘). Das waren heute 363 Kilometer, und wir werden mit wolkenlosen 20 °C empfangen; die raue Nordsee gibt ihre Visitenkarte ab. Auf 30 °C und mehr dürfen wir so schnell nicht mehr hoffen. Der Stellplatz ist eigentlich eine Sackgasse mit nichts außer Bäumen und einem prächtigen Blick auf den Guindy und das gegenüberliegende Ufer. Jetzt gibt es für die Hunde eine kleine Pinkelrunde und eine ganz kurze Stippvisite ins Herz von Tréguier, das eigentlich schon den ganzen Ort darstellt; Tréguier hat nur zirka 2500 Einwohner, macht aber deutlich mehr her. Nach nur einer halben Stunde sind wir wieder zurück beim Womo, weil wir die halbwüchsigen Hedda noch dreimal täglich füttern, und dafür wird es langsam Zeit.
Fahrtstrecke Marçon – Tréguier
Die PoissonnerieJetzt sind wir dran, und zwar alleine, weil unsere Mission jetzt keine Hunde verträgt. Unsere erste Anlaufstation ist der Fischladen (La Poissonnerie) in der Rue Ernest Renan, weil wir dort eine Kleinigkeit naschen wollen, mais: Die Poissonnerie hat geschlossen. Bon, dann erinnern wir uns eben an einen Eintrag in irgendeinem Chat im Internet, in dem einer mit typisch französischer Gelassenheit konstatiert: Trau keiner Öffnungszeit, die öffnen und schließen nach Laune. So ist das. Doch warum am Fischladen verzweifeln, wenn das Gute liegt so nah? Direkt hinter unserem Rücken lädt uns das Restaurant „Le 5“ ein, was wir nicht jetzt aufsuchen wollen, sondern für abends reservieren.
Von hier sind es nur wenige Schritte zur imposanten Basilika von Tréguier, La Cathédrale Saint-Tugdual aus dem 14. Jahrhundert. Sie haben wir 2015 als letzten geistigen und geistliche Ort für unsere Anouk ausgewählt, unweit ihrer geliebten Dünen von Keremma und ihren Freunden, den Kaninchen. Hier haben wir, als wir sie in der Normandie fliegen lassen mussten, ihr Herz begraben und ihr geschworen, wenn immer wir in der Nähe Eine Kerze für die unvergessene Anouksind,
ihr einen Besuch in ihrer Basilika abzustatten und ein Lichtlein aufzusetzen. Denn noch immer klebt die stolze Dame des Bairischen Blues wie Pech an unseren Herzbeuteln und beschwert sie, wenn wir ihren Namen nennen. Sie ist so nah – doch gerade jetzt nicht da, hat vermutlich nicht mit uns gerechnet oder unseren Schwüren aus langer Erfahrung nicht geglaubt. Vielleicht feiert sie gerade ein Strandfest mit ihren Langohren drüben in Keremma. Aber ihre Aura schwebt wie Citronella durch dieses gotische Gemäuer und lässt uns wissen, dass sie sich hier zuhause fühlt. Für ihre Rückkehr zünden wir ihr am Altar von St-Yves jeder eine Kerze an und verlassen die Kathedrale mit einer frohgemuten Schwere im Herzen. Wir kommen immer wieder. Immer wieder. Bis wir dich einst in die Arme schließen werden. Hier in Saint Tugdual.
Kathedrale Saint-TugdualGe
In der "Patisserie du Trégor"genüber der Basilika und mit stetem Blick auf sie, immer in der Hoffnung, Anouk könnte bald nach Hause kommen, lassen wir uns vor der "Patisserie du Trégor" nieder, leisten uns zwei Kaffee, ein Erdbeerstückchen und eine Karamellbombe (Dôme de Caramel) und lassen den Geist der Bretagne in uns sinken. On est dahoam. Anschließend streifen wir durch die umliegenden Gassen und decken uns mit ein paar Mitbringseln ein, die für die kulinarisch notleidende Landsleute vor allem aus Karamellcrème und Cidre-Gelee bestehen.
Um 16 Uhr sind wir wieder bei unseren beiden Wachhabenden und legen eine Siesta ein. Draußen ist es weiß-blau sonnig und windig, bei immerhin 24°.
Restaurant "Le 5" in TréguierUm 19:15 Uhr finden wir uns im Restaurant "Le 5", Rue Ernest Renan 5, ein und fühlen uns augenblicklich wie in einer Stammkneipe. Wir tasten uns mit einem Amuse-Gueule aus Sushi und Kartoffelschaum mit Sellerie ans kulinarische Glück heran. Wenn das so weitergeht, dann legen wir uns nur eine Armlänge von Anouk hier zum Sterben nieder. Die Vorspeise besteht in einem Fall aus sechs Austern und im anderen aus Entenleber. Die Ahnung auf ein baldiges Wiedersehen mit Anouk bleibt stabil. Die Reiseleiterin entscheidet sich anschließend für St. Petersfisch als Hauptspeise, der Chauffeur hält es mit Perlhuhn. Die Begleitung der Speisenfolge übernimmt ein Weißwein, der für sich alleine schon den Gang hierher gerechtfertigt hätte. Und als Nachspeise gibt es für beide eine Mojitocrème und Kaffee. Mit dem unvermeidlichen Wasser lassen wir alles zusammen 102 € im "Le 5" liegen und erwähnen ernsthaft, unserer Anouk hier auf ewig Gesellschaft zu leisten.
Nach dem Festmahl zu Anouks Ehren und unserem Wohlgefallen schlendern wir noch einmal hinüber zur Basilika, weil es dort heute noch ein bretonisches Konzert gibt: Gesang und Harfe. Die Kirche ist voll, und wie Pailletten aus Perlmutt flirrt die Stimme der Künstlerin durch das Kirchenschiff, gestützt vom schwebenden Klang der Harfe. Ach, Anouk, wie schön du es hast! Gut haben wir sie untergebracht.
Freitag, 25. August 2017
Blick vom Bois du Poète auf den GuindyEin taubenblauer Morgen liegt über dem Bois du Poète. Der Abend wirkt noch nach und schmeichelt unserer Seele. Nach einem kurzen Müsli-
MorgenspaziergangFrühstück und dem Pinkelspaziergang für Fianna und Hedda gehen wir um 10 Uhr noch einmal die wenigen Schritte ins Zentrum; die Reiseleiterin hat's in den Ohren und braucht etwas aus der Apotheke. Die Poissonnerie hat auch geöffnet und animiert uns, ein paar Schalen- und Krustentiere zu kaufen. Wie wir gerade aus dem Laden treten wollen, zwängt sich ein Wohnmobilist aus Andorra so durch die sehr enge Rue Ernest Renan, dass wir uns schleunigst wieder in den Fischladen zurückziehen müssen, um nicht unserer Nasenspitzen beraubt zu werden. Was ein Idiot! Muss sich mit seiner überdimensionierten Seifenkiste ausgerechnet durch diesen Schlauch zwängen! Touristen eben! Ja, manchmal ärgert man sich schon über seinesgleichen, zumindest geben sie ausreichend Grund zum Fremdschämen. Kopfschüttelnd und brabbelnd streben wir zurück zum Franz II und verlassen Tréguier um 10:45 Uhr in Richtung Norden.
Das Haus zwischen den FelsenUnser erstes Ziel ist eines der begehrtesten Fotomotive der Bretagne: Das Haus zwischen den Felsen (La maison entre deux rochers) auf der Halbinsel Ploucrescant. Um kurz nach 11 Uhr stellen wir den Franz auf dem Touristenparkplatz (N 48° 47' 22,6'' W 003° 13' 54,7') nahe des skurrilen Eigenheims bei wolkenlosen 18 °C ab und machen einen Rundgang, wie zu erwarten, nicht alleine, aber bei weitem nicht so überlaufen, wie wir es befürchtet hatten. Die Touristensaison haucht hier oben offenbar schon langsam ihr Leben aus. Diese bizarre Küstenlandschaft mit seinem wilden Granitblöcken nimmt den Besuchern unweigerlich gefangen und zieht ihn in den Bann wie man vom Moorgeist ins Unglück gelockt wird. Wir reihen uns ein in die Schar der Fotografen dieses seltsamen Anwesens, das angeblich einer älteren Dame aus Paris gehört, die hier nur wenige Tage im Jahr verbringen soll. Das Auto vor den Haus (aus ästhetischen Gründen auf dem Bild eliminiert) lässt nur drei Schlüsse zu: Entweder ist sie ausgerechnet heute, anlässlich unseres Besuchs, hier oder ein Hausverwalter, Gärtner, Klempner geht seinem Auftrag nach oder die Geschichte stimmt nicht (mehr) und das Haus hat den Besitz gewechselt. Um kurz vor 12 Uhr verlassen wir diesen spleenigen Ort wieder, der auch als La maison de gouffre bekannt ist, das Haus am Höllenschlund, das den mächtigen Felsspalt hier bezeichnet, in den das Wasser donnert und brodelnd kocht.
Und es wallet und siedet und brauset und zischt,Wilde Felsen
Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
Und Flut auf Flut sich ohn Ende drängt,
Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.
Schiller muss seinen "Taucher" angesichts dieses Gouffres ersonnen haben. Und der König, der den Becher in den Schlund wirft, saß vermutlich bräsig im steinigen Garten des Hauses zwischen den Felsen...
Wir ziehen weiter gen Westen. Man könnte von hier auf der D 31 ziemlich direkt nach Lannion und von dort weiterrollen, aber der Garmin entscheidet sich für den behäbigen Weg südlich, zurück über Tréguier und von dort nach Westen. Ist ja egal. Zeit ist nicht, woran es uns mangelt. Von Norden kommend, fahren wir über die Pont Noir wieder in die Stadt, werfen einen letzten Blick auf den von uns verlassenen Stellplatz Bois du Poète zur Rechten – und befinden uns unversehens auf dem Boulevard Anatole Le Braz, oberhalb des Stellplatzes, anstatt auf der Rue du Port linkerhand, das heißt: Wir sind auf direktem Weg in den Ortskern unterwegs, nicht auf der geschmeidigen Route am Hafen entlang. Es gibt kein Zurück. Umdrehen unmöglich. Jetzt gleicht sich der Anblick des Chauffeur dem eines zürnenden Gockels an, es stellt sich der Kamm steil auf, fast bis unter das Dach des Franz II, der nichts dafür kann. Wir sind auf dem Weg mitten durch den Ort, schnurstracks durch die Knopflöcher und Miederhafteln von Tréguier. Es bleibt uns keine Wahl: Da müssen wir jetzt durch. In dem Maße, wie die Erkenntnis reift, dass wir uns durch die Angströhren der Stadt zwängen, leisten wir dem Andorraner von heute Morgen, der sich am Fischladen entlang drückte, Abbitte; er war vermutlich ebenfalls ein Opfer des stockdoofen Garmin. Der Garmin ignoriert großzügig die eingegebenen Routenoptionen, die in unserem Falle "schnellste Strecke" heißen und entscheidet sich kurzerhand für "kürzeste Strecke". Doch nicht genug: Der legasthenische Navigator ignoriert auch die eingegeben Fahrzeugmaße und steuert uns durch ein Tor mit 2,80 m lichter Höhe. Wir haben sicherheitshalber 3 m eingegeben. Der Garmin interpretiert solche Angaben flexibel. Da gibt es kein Zurück, da müssen wir durch, weil wir angesichts des Verkehrsschildes "2,80 m" schon direkt vor dem Tor stehen. Wir ziehen die Köpfe ein, obwohl wir wissen, dass der Franz keine 3 m hoch ist. Aber woher weiß das der Garmin? Es knirscht nicht. Aber es scheppert und kracht gewaltig im Verhältnis zu unserem Roadie. Dem TomTom haben wir schon die Gefolgschaft aufgekündigt, und jetzt dieser Volltrottel. Wir vermuten, dass sie beide einst von Le Gouffre ausgespien wurden, weil sie selbst ihm, dem Höllenschlund, zum Kotzen waren. Schließlich schaffen wir es ohne Blessuren hinaus aus Tréguier und glauben kurz, dass es Anouks verschmitzter Geist gewesen sein musste, der uns noch zu einer kleinen Stippvisite bei ihr eingeladen hat. Dieser Glaube erlischt aber schon in der nächsten größeren Ortschaft, in La Roche-Derrien, als wir auf Anweisung des Garmin beinahe in einer Endlosschleife aus Einbahnstraßen verenden und uns nur durch die Logik analogen menschlichen Denkens dem Labyrinth entziehen können. Wir verweigern Garmin die Gefolgschaft und drehen ihm den Saft ab. Wer immer noch an den Segen digitaler Verkehrslotsen glaubt, sollte besser eine aktuelle Karte zur Hand und eine Reiseleitung zur Seite haben, die diese zuverlässig lesen kann. Der Chauffeur ist in dieser Hinsicht bestens ausgerüstet. Fazit: Bei Garmin regiert statt eines Algorythmus' der Alkorhythmus!
Mithilfe der traditionellen Navigationsmethodik kommen wir um 14 Uhr in Plouescat an und steuern ohne Umwege den uns wohlbekannten Intermarché an. Wir brauchen noch ein paar Kleinigkeiten. Um 15:15 Uhr sind wir mit unseren Besorgungen durch, und um 15:30 Uhr gehen wir in Camping Ode Vraz von Plounevez-Lochrist vor Anker (N 48° 38' 52,6'' W 004° 14' 03,6''). Es ist leicht diesig bei 24 °C. Das waren 128, nicht immer entspannte, Kilometer. Doch hier bemächtigt sich unser fast augenblicklich eine tiefe innere Ruhe. Schon zweimal waren wir hier, einmal 2010 noch ohne Womo; dabei hätten wir um Haaresbreite unsere Franzi an einen Virus verloren, und einmal 2015, wo wir uns nach dem Abschied unserer Anouk hier wieder sammelten. Irgendwie hat dieser Platz für uns etwas Morbides, dem wir uns nicht entziehen können und das uns dennoch in ein größtmögliches inneres Gleichgewicht bringt.
Fahrtstrecke Tréguier – Ode Vraz
Wir richten uns häuslich ein, denn hier werden wir erst einmal bleiben und auf die Freunde warten, die letzten auf dieser Freundschaftsroute. Wir setzen uns vor den Franz, blicken über den schütter belegten Platz und lassen uns einen Kaffee mit Petits Fours munden. Hier im Finistère, dem Ende der Welt (lat. finis terrae), beginnt bei uns das Leben. Hier tanken wir gerne Kraft, hier versammeln wir uns in unserem Schwerpunkt, hier entrümpelt die Weite den Geist. Hier ist nichts los. Ode Vraz in ein liebenswerter und irgendwie ausgefallener Campingplatz, der nur rund zwei Monate im Sommer geöffnet hat und vor allem so spät in der Saison kaum frequentiert ist, weil auch den Franzosen der Weg bis ans Ende der Welt meist zu weit ist. Sie verhocken in der Normandie oder schaffen es vielleicht bis Roscoff. Danach trennt sich die Spreu vom Weizen.
Fianna kommt die Gegend bekannt vorUm
Hedda betreibt Bewegungsluxus18 Uhr steigen wir über die Dünen hinunter zum Strand und sind fast allein. Wir halten nach Anouk Ausschau, befragen die Karnickel und den Wind und bekommen keine Antwort. Blowing in the wind... Die Mädels panieren sich derweil mit bretonischem Sand, mit dem sie uns nun auf längere Sicht beglücken werden.
Farewell Jamie, du wirst uns fehlenUm 19 Uhr gibt es als Vorspeise ein Dutzend Austern und danach ein Kilo Muscheln Marinière, begleitet von einem kraftvollen Weißen. Während wir so sitzen, erfahren wir, dass heute unsere alte Katze Jamie eingeschläfert werden musste, was sich ja schon angekündigt hatte. In Ode Vraz treibt sich der Sensenmann herum. Aber hier können wir ihm besser trotzen als irgendwo sonst. Wir begraben Jamies Herz in der Baie de Kernic. Mit 21 Jahren hast du kein Stück des Lebens versäumt, liebe Jamie Lee.
Um 22 Uhr legen wir uns flach; draußen wird es gerade erst dunkel. Es ist leicht bewölkt bei 15 °C.
Samstag, 26. August 2017
Fußlaufen am StrandAsterix
Hedda macht auch schon eine gute Figurwar gestern und vorgestern und vorvorgestern. Heute ist Obelix; wir drehen uns langsam, sehr langsam, und schleppen Hinkelsteine aus Zeit. Erst gegen 10 Uhr kommen wir in die Puschen und machen unseren Morgenspaziergang am Strand und in den Dünen. Um 11 Uhr gibt es Frühstück und danach nicht mehr viel: Lesen, dösen, Zeit vertreiben und zwischendurch die Waschmaschine von Ode Vraz beschäftigen. So wie sich das Wasser seit 11 Uhr vom Strand macht, einfach so wegläuft und durch die Felsen gen Norden flutscht, bis hinaus, wo die Erdkrümmung einsetzt, so gleiten wir durch das Zeitraster dieses Samstags und rutschen über die Zeitkrümmung.
Der Tag ist überwiegend wolkig aber sehr angenehm bei 20 °C.
Um 20:15 Uhr treffen die erwarteten Freunde aus Oberschwaben mit Fiannas Tochter und Heddas Halbschwester Gundel ein. Sie haben sich ein Wohnmobil gemietet, um in unserem Windschatten zu testen, wie ihnen das planlose Vagabundenleben schmeckt. Da uns ihre Ankunftszeit dank moderner Kommunikationsmittel längst bekannt war, ist der Grill bei ihrer Ankunft schon auf Betriebstemperatur und wartet, dass er loslegen kann. Das Abendmahl, soviel steht fest, schmeckt schon mal, wie es mit dem Vagabundenleben sein wird, stellt sich die nächsten Tage heraus. Für den Augenblick macht sich jedenfalls große Freude auf beiden Seiten breit, auch weil wir uns, nach gegenseitiger Einschätzung, schon viel zu lange nicht mehr gesehen haben. Es gibt viel zu erzählen, viel zu kauen, viel zu schlucken und wieder zu erzählen.
Um 22 Uhr machen wir alle zusammen in der sterbenden Sonne einen Strandspaziergang, bei dem Fianna, Hedda und Gundel zu großer Form auflaufen und wir kaum noch einen Blick für das Sonnensterben haben, weil das Hundeleben so viel herzerfrischender ist als das schwermütige Rotlicht. Auf dem Rückweg über die Dünen erbricht sich Hedda, und sie erbricht sich noch einmal und sie erbricht sich wieder. Uns wird ganz blümerant (franz: bleumourant) in der sterbensblauen Nacht der Dünen von Keremma. Genauso hat es vor sieben Jahren mit unserer Franzi begonnen, dann kam blutiger Durchfall dazu und schließlich hing sie am Tropf und ihr Leben am seidenen Faden. Doch die Namenspatronin unseres Franz war damals sechs Jahre, Hedda wird morgen gerade mal sechs Monate. So einen Angriff würde sie nie und nimmer durchstehen. Wir hoffen, dass es vom Salzwasser kommt, glauben aber nicht ernsthaft daran, weil Hedda Salzwasser gegenüber sehr skeptisch ist, es zwar zum Toben nutzt, nicht aber zum Trinken. Da ist sie jedenfalls klüger als es damals ihre Oma war, die das Salzwasser geschaufelt hat wie ein Pelikan einen Fischschwarm. Wir sehen einer unruhigen Nacht entgegen, was die Leichtigkeit des Abends schwer belastet.
Sonntag, 27. August 2017
Man schläft auf Nägeln wie ein Fakir in solchen Nächten. Hedda ist unruhig, gespenstert durchs Womo, hechelt, stöhnt, bleibt aber bis 3 Uhr stabil. Dann will sie raus, dann schwallt es wieder aus ihr heraus. Danach wird sie ruhiger und schläft. Wir lassen sie nicht aus den Augen, hören auf ihren Atem und fühlen ihren Puls. Sie stabilisiert sich und kommt wieder zu Kräften. Und auch wir finden langsam in den Schlaf.
Viel Platz für zwei in Ode VrazUm 9 Uhr ist der Himmel über dem Meer blau, über Land wolkig und windig bei 16 °C. Hedda ist wieder voller Tatendrang. Sie ist durch, also war es definitiv kein Virus. Wir vermuten, dass sie an den Hecken des Campingplatzes genascht hat, gestern Abend, als sie, wie die anderen beiden, wegen der Kaninchen an der langen Leine ausharren musste und Langeweile verspürten. Da kaut man schon mal am Grünzeug, das man besser ignorieren würde, vor allem, wenn man noch halbwüchsig ist. Wir beschließen, sie in Zukunft lieber einem Karnickel den Garaus machen zu lassen als sich selber. Heute werden wir die drei so festmachen, dass die Hecken unerreichbar sind.
Gut angekommen: Gundel und ihr PersonalNach einem üppigen Frühstück steht wieder der Strand auf dem Programm, und wie von Geisterhand ist das Meer zurück, kurz nach 11 Uhr sogar auf seinem Höchststand. Es umspült unsere Füße, es weht uns Salz in die Nasen und musiziert in unseren Ohren. Wir spazieren nach Osten, hinüber zum Einlauf in die Baie de Kernic und wandern über die Dünen wieder zurück. Was für eine wilde und ungezügelte Natur ist das! In allen Fasern spürt man, wie sehr sie uns überlegen ist, wie wenig wir sie bändigen können und wie schnell sie sich uns einverleiben könnte. Wenn sie nur wollte. Heute will sie definitiv nicht. Heute packt sie für die Neuankömmlinge ihren ganzen Charme aus und umschmeichelt sie. Und man sieht es ihnen an, dass sie Wohlgefallen an ihr und dieser ersten Begegnung mit der rauen Bretagne finden. Für uns ist diese Bucht mit ihren Salzwiesen, diese Dünen mit ihrem brusthohen, scharfen Gras und diesem Strand mit seinen Granitfelsen ein Rendezvous mit uns selbst. Längst haben wir unsere Herzen in diesen Dünen und dieser Bucht begraben, wie wir vorgestern Jamie hier zur letzten Ruhe gelegt haben.
So, wo samma? Spaziergang im DünengrasUnd welch ein Glück, dass Hedda hier und heute bei komplett wiedergewonnener Gesundheit ihren halben Geburtstag feiern kann: Mit Mama und Halbschwester "So-wo-samma?" im hohen Dünengras spielen, meterhohe, fast senkrechte Sandwände hinunter kugeln und hinauf hetzen, den Mädchenleib erst panieren, dann einsalzen und wieder panieren, sich in morschem Tauwerk verheddan, tote Krabben knacken und Seetangschläuche durch die Luft wirbeln. Wer möchte da mit den armen Ludern tauschen, die mit Ronald McDonald feiern müssen? Kindergeburtstag wie Backe-backe-Kuchen im Altersheim! Hier im Finistère, am Ende der Welt, fängt das Leben erst an und tobt sich gleich richtig aus. Halleluja, und der Wind singt ihr ein Lied dazu, so stramm, dass ihr die Ohren zu Berge stehen. Deine Mama strahlt in sich hinein, ist stolz auf ihre nimmermüde Göre; ja, auch sie hat sich gestern Sorgen gemacht. Doch nun schubst sie dich aus Erleichterung und schierem Übermut über die Dünenkante. Kindergeburtstag nach Hovi-Art. Gut, dass wir an deinem ersten Geburtstag im Mangfalltal sein werden, wo es keine Dünen gibt und keine Flut, in die sie dich zur ersten Volljährigkeit tauchen könnte.
Hugo und Gundel: Klettersteig am StrandUm 13 Uhr sind wir wieder in Ode Vraz. Es ist wolkenlos inzwischen bei 22 °C. Die nächsten Stunden plaudern wir weg und mäandern durch die Reiseplanung, nur durch eine Kaffeepause um 15 Uhr unterbrochen. Um 17 Uhr geht es wieder hinaus, diesmal erst gen Westen über die Dünen und zurück über den Strand. Eineinhalb Stunden, schlendern, toben, Bälle jagen, fotografieren und die Seele in den Seewind werfen.
Gegen 20 Uhr brutzelt eine Pizza Calzone im Omnia, diesmal nicht mit dem Zusatz "Le Puy", sondern namenlos, ohne Anspruch auf Erinnerungswert. Hauptsache sie schmeckt. Und das tut sie. Um 22 Uhr treibt es uns in die Liegewagen, weil es nun schon sehr feucht wird, fast schon herbstlich frisch, obwohl es noch 15 °C hat.
Montag, 28. August 2017
Tag des Abschieds von Anouk und ihren Kaninchen, von Jamie Lee und den Dünen von Keremma. Wir kemma wieder!
Morgens in den Dünen von Ode VrazDer Tag macht sich um 7:30 Uhr leicht wolkig und mit 15 °C auf die Reise und schickt uns noch ein paar Tränen zum Abschied. Nach dem Frühstück ver- und entsorgen wir die Womos und verlassen Ode Vraz kurz vor High Noon, nicht ohne in der Rezeption hoch und heilig versprochen zu haben, dass wir wieder kommen werden.
Zuerst fahren wir kurz zurück nach Plouescat, um bei Intermarché günstig zu tanken und die Vorratskammern zu füllen. Um 12:45 Uhr wird es dann ernst mit dem Abschied von den Dünen von Keremma und der Baie. Es geht nach Westen. Es ist wolkenlos bei 23 °C.
Die Reiseleiterin möchte dem Aber Wrac'h einen Besuch abstatten. Abers sind, ähnlich den norwegischen Fjorden, tiefe Landeinschnitte, die den Gezeiten unterworfen sind, weil sich in der Eiszeit der Boden senkte und so dem Meerwasser Zutritt bis tief ins Land gewährte. In der Region gibt es drei Abers, den Aber Benoît, den Aber Ildut und eben den Aber Wrac'h. Der Aber Wrac'h ist der größte der drei Abers und bedeutet Hafen der Fee oder auch Hafen der Hexe. Er reicht etwa 12 Kilometer ins Land, seine Mündung ist zwei Kilometer breit. All diese Abers sind grün und still und bilden so einen starken Kontrast zur wilden und rauen Küste. Deswegen will die Reiseleiterin den Hexenhafen ansteuern.
Gegen 13:45 Uhr stoßen wir südlich von Lannilis auf den Aber – aber irgendwie finden wir keinen richtigen Zugang zu ihm, kurven ein wenig hin und her und beschließen dann dem Hexenhafen den Rücken zu kehren. Es fehlt uns ein wenig der Antrieb, ihn intensiver auszukundschaften. Und offenbar verzichtet auch die Initiatorin auf weitere Annäherungsversuche.
Der leere Strand von Corn-ar-GazelWir
Gundel im Glückhalten uns nun westlich, immer am Südufer des Aber Wrac'h entlang und wenden uns dann nach Norden zu den Dünen von Corn-ar-Gazel, wo wir um 14 Uhr ankommen und die Womos abstellen (N 48° 34' 30,4'' W 004° 37' 51,8''). Es hat 22 °C und es ist wolkenlos, also steht jetzt für Hund und Mensch ein Dünen- und Strandspaziergang auf dem Programm. Auch dieser herrliche Sandstrand ist weitgehend menschenleer, weshalb wir die Mädels hemmungslos toben lassen können. Klatschnass und wohlpaniert bringen wir sie zurück in die Reisekutschen und verlassen die Dünen von Corn-ar-Gazel um 15 Uhr wieder. Schon wenige Minuten später ist uns nach Kaffeepause, die wir an einem Rastplatz am Weg zelebrieren.
Auf dem Weg nach Saint-MathieuÜber Ploudalmézeau geht es hinüber an die Westküste, dorthin, wo die Welt, zumindest die europäische wirklich fast zu Ende ist, lassen Portsall nördlich liegen, weil es nicht viel mehr bietet als den berühmten Anker der Amoco Cadiz, die hier am 16. März 1978 im Sturm sank und 360 Kilometer bretonischer Küste mit über 200.000 Tonnen Rohöl verpestete. Ihr mächtiger Anker erinnert im Hafen von Portsall an die Katastrophe. Einen Umweg lohnt er nicht, das wissen wir, weil wir ihn schon einmal in Augenschein genommen haben. Wir ziehen zügig nach Süden und machen erst wieder um 17:15 Uhr am Leuchtturm von Pointe-Mathieu Halt (N 48° 19' 51,5'' W 004° 46' 12,2''). Der Himmel strahlt und hüllt
Abtei und Leuchtturm Saint-Mathieuuns in lauschige 25 °C, nicht unbedingt die Standardtemperatur in dieser ausgesetzten Gegend. Hier schauen wir uns um, lassen uns den Atlantik um die Nase wehen und schütteln die Beine aus. Kurz erwägen wir, uns hier zur Nacht hinzulegen, beschließen dann aber doch, einen anderen Stellplatz anzufahren. Dort, am Stellplatz Berthaume in Plougonvelin (N 48° 20' 15,3'' W 004° 42' 21,8''), kommen wir um 18:20 Uhr an und sind für heute genug gefahren: 111 Kilometer. Hier hat es immer noch 25 °C, gegen die allerdings der Wind kräftig anbläst. Der Stellplatz ist geräumig, ohne Schatten, dafür mit Meerblick. 8 € muss man dafür pro Tag zahlen.
Fahrtstrecke Ode Vraz – Plougonvelin
Es gibt Spaghetti Bolognese mit Salat und Rotwein, und später macht der Chauffeur noch ein bisschen Hausmusik; Leute bei Laune halten, Aufgabe aller Chauffeure der Welt. Meistens erzählen sie billige Witze, dafür hat er keinen Sinn. Lieber ein paar windige Töne auf der windigen Klippe. Klappe zu um 22 Uhr. Que sera sera?
Dienstag, 29. August 2017
Fährtenarbeit auf der KlippeDer
Frühstück mit RoutenplanungTag startet ziemlich windig bei wolkenlosen 15 °C. Für Fianna und Hedda steht vor dem Frühstück noch ein Stückchen Arbeit auf dem Programm: Fährte suchen, was bei diesem schnittigen Wind auf der Klippe und dem salzigen Bewuchs wieder einmal eine neue Herausforderung ist. Aber sie machen es, jede nach ihrem Ausbildungsstand, wirklich prima. Und danach gibt es für alle ein Frühstück, das auch einen langen Tag mit Energie versorgt.
Um 11:30 Uhr verlassen wir die Klippe bei bewölkten und windigen 19 °C. Wir haben gestern beschlossen, dass die Bretagne nicht nur aus Waser, Strand und Dünen besteht, sondern auch innere Werte hat. Wir fahren also nach Nordost, Brest an unserer rechten Seite, bis Landivisiau, wo wir uns nach Südost wenden. Wir fahren durch eine teilweise atemberaubend ruppige bis abweisende Landschaft, die nach ein paar Kurven im Handumdrehen auf lieblich umschalten kann. Es sind vornehmlich solche Landschaften, welche das mystische Grundrauschen der Bretagne befeuern, die den Geistern, den sagenumwobenen Landherren und ihren Wiedergängern, den zauberhaften Feen und raubeinigen Dörflern Heimat geben. Wo sonst als hier unter diesen Farnwäldern und Strauchheiden hätte Obelix seine Wildschweine jagen können? Wo, wenn nicht hier, musste Camping Huelgoat – Viel Raum zum Wohlfühlenjeder minderbemittelte römische Centurio völlig irre werden und in die Irre gehen? Die inneren Werte der Bretagne müssen denen der Küste nicht nachstehen. Und zum Verständnis von Land und Leuten tragen diese Landschaften mehr bei als die Muschelsammler mit ihren Plastikeimerchen im Watt.
Nach 94 Kilometern kommen wir um 13:15 Uhr im Camping Municipale du Lac von Huelgoat an (N 48° 21' 37,2'' W 003° 45' 28,4''). Der Campingplatz liegt direkt am See, die Stellflächen sind geräumig und durch Kirschlorbeer getrennt. Wasser, Strom, alles da. Sanitär ist ebenfalls sauber und angenehm. Ein Flüsschen flüstert vorbei und zu Fuß ist man in wenigen Minuten im Ortskern. Mehr brauchen wir nicht.
Fahrtstrecke Plougonvelin – Huelgoat
Um 14:15 Uhr machen wir uns zu einem Erkundungsgang in den sagenumwobenen Märchenwald von Huelgoat auf. Huelgoat bedeutet im Bretonischen Hochwald, und tatsächlich beherrscht hier Wald die Landschaft. Aber ein schlichter Wald, wie wir das kennen, löst bei Bretonen nur Gähnen aus; es muss schon ein Märchenwald sein, am besten ein verwunschener. Man sollte sich darauf einstellen, hier mit einer Ménage-à-trois konfrontiert zu werden, deren Protagonisten König Artus, die Heilige Jungfrau und der Teufel sind. Darunter machen es die Bretonen nicht. Der Ort liegt im Herzen des Naturschutzgebiets Parc naturel régional d'Armorique an einem 15 ha großen Teich und einem Staatsforst von 100 ha. Wer die Bretonen kennt, weiß, dass hier in jedem Suppentopf Sagen und Jahrhunderte alte Legenden brodeln. Ein erster Eindruck von dem, was da auf uns zukommt, ist das berühmte Felsmeer, wüst über- und umeinander geworfene Felsen, riesige Brocken und auch Der rostige Silberflusskleinere, die meisten stark abgerundet und dick bemoost. Man kann dieses Felschaos naturwissenschaftlich erklären, als Felsen, die einst als flüssiges Gestein bis unter die Erdkruste stiegen und erkalteten. Durch die Bodenerosion wurden sie freigelegt und rollten dann über die Hänge hinab, wo sie sich zu diesen chaotischen Steinhaufen formierten. So ginge es. So geht es aber nicht bei den Bretonen. In der bretonischen Lesart war es der Riese Gargantua, der auf der Reise durch die Gegend um Gastfreundschaft bat, aber von den Waldbewohnern nur Buchweizenbrei angeboten bekam, worauf er so wutentbrannt war, dass er auf seiner Weiterreise nach Norden all die vom Wasser geschliffenen Felsbrocken an der Küste des Finistère nahm und sie bis hinunter in den Wald von Huelgoat und seinen unverschämten Bewohnern um die Ohren schmiss. Womöglich haben diese ja sogar aus diesem Strafgericht gelernt und fortan den Buchweizenbrei dünn gestrichen und so die formidablen Galettes erfunden, jene salzigen und pikanten Geschwister der süßen Crêpes. Kann ja alles für irgendetwas gut sein, sogar ein Wutausbruch Gargantuas.
Balancieren am SilberflussWir stapfen, steigen und balancieren am Ufer des Silberflusses entlang, der oftmals aber gar nicht silbrig, sondern wegen seines Eisengehalts orange oder sogar richtig rostrot ist. Alle sagenumwobenen Highlights sehen wir uns nicht an, weil hier nicht nur unzählige Felsbrocken herumliegen, sondern auch reichlich Touristen, vor allem natürlich Familien mit Kindern. Irgendwo müssen die jungen Bretonen schließlich legendenfest gemacht werden. Wo sonst, wenn nicht hier. Das Artuslager (Le camp d'Artus) ist jedenfalls so belagert, wie es zu Artus' Zeiten
Der bewegliche Steinvermutlich nie war. Den beweglichen Felsen (La roche tremblante) streifen wir nur, weil der auch schon von vielen anderen in Bewegung versetzt wird. Der Pilz (Le champignon), ein pilzförmiger Fels ist nicht so begehrt und wird von uns ins Reisegedächtnis gesammelt. Weitere Anlaufstellen lassen wir links und rechts liegen, weil wir nicht alles sehen müssen, was einem die Tourismusindustrie ans allzeit weit
Über sieben Brücken musst du gehngeöffnete Touristenherz legt und vor allem, weil wir mehr Spaß daran haben unsere Mädels durchs Wasser und über Stock und Stein toben zu sehen. So ignorieren wir komplett ignorant Le Gouffre (schon wieder ein
Glücksbringer aus der KonditoreiHöllenschlund! Gibt es wirklich reichlich hier), die Teufelsgrotte (La grotte du diable), den Haushalt der Hl. Jungfrau (La ménage de la vierge), den Feenteich (La mare aux féés) und den Wildschweinteich (La mare aux sangliers), obwohl wir dort eventuell die Chance gehabt hätten, Obelix einmal live und in Farbe sehen zu können. Wir stapfen und steigen einfach frohgemut und völlig losgelöst durch die Gegend und lassen Grotten Grotten und Höllenschlünde Höllenschlünde sein. Im Ort kaufen wir in der Pâtisserie Ronde des Pains eine ganze Schachtel bretonischer Zungenschmeichler, die wir uns am Campingplatz einverleiben. Ganz schaffen wir sie aber nicht, weil wir ja noch Platz für ein Abendessen freihalten müssen. Aber nach sechseinhalb Kilometer auf und ab durch den Zauberwald darf man schon ein bisschen Kohlehydrate nachlegen.
Um 19:15 Uhr machen wir uns auf den Weg zur gehobenen französischen Küche. Wolken, aus denen es auch ein wenig sprüht, begleiten uns in Richtung Zentrum, das wir aber gar nicht anstreben, denn unser Ziel liegt zwischen dem Campingplatz und der Ortsmitte: das Restaurant "Mirabelle", vielfach hochgelobt und demnach gerade recht für uns. Doch das Mirabelle hat den Besitzer gewechselt und ist nur noch ein Hotel. Dann kommt eben die zweite Wahl zum Zug, das Restaurant "L'Aristide", ebenfalls hochgelobt, am Place Aristide Briand. Doch das "L'Aristide" ist ebenfalls verschlossen. Wir lesen: Sonntag und Montag geschlossen. Heute ist Dienstag. Eine Telefonnummer aber kann man für Reservierungen anrufen, was wir natürlich umgehend machen, weil wir überzeugt sind, dass das "L'Aristide" uns heute Abend zur Verfügung stehen wird. Doch die Telefonnummer scheint ebenfalls außertariflichen Ruhetag zu haben. Niemand hebt ab. Also drehen wir ab und uns um, weil sich rund um diesen Platz eigentlich etwas anbieten müsste; die Auswahl ist jedenfalls reichlich. Gleich neben dem "L'Aristide" die "Creperie des Myrtilles". Eine Creperie wäre zwar nicht unsere erste Wahl, aber wenn es sonst überall hakt, dann soll uns das auch recht sein. Allein: Das Myrtilles ist ebenfalls im aktuellen Ruhestand. Die Brasserie "L'Herodine" – dicht. Ebenso links daneben die Bar und "Creperie La Ville d'Ys". Macht nichts: Bars und Creperien kämen erst zuletzt. Weiter linksrum das "Brittany Pub". Dort geht es schon recht umtriebig zu, vor allem aber auf der Straße, und die Karte ist doch eher pubelig. Vielleicht später für einen Absacker. Das übernächste Haus zur Linken macht hoffnungsfroh: "Restaurant de Bretagne". Voilà. Die ausgehängte Speisekarte bietet auf zwei dicht und klein bedruckten Seiten südamerikanische Spezialitäten und ein dünnes Portfolio französischer Spezialitäten, die ebenfalls aus mächtigen Fleischportionen zu bestehen scheinen. Bretonische Küche? Französische Feinkost? Wir erinnern uns, auf unserem Herweg, kurz nach dem Mirabelle eine Pizzeria gesehen zu haben. Pizza wäre jetzt zwar eher die vierte Wahl, aber wir beschließen, dort vorbeizuschauen, mit wenig Begeisterung zwar, aber mit ausgeprägt leerem Magen.
"Restaurant Pizzeria Bar de Lac", an der Ecke Rue de Général de Gaulle und Rue du Dr. Jacq, liegt am Weg vom Campingplatz in die Stadt; verfehlen kann man das Restaurant kaum. Und, nach unserer Erfahrung, sollte man das auch nicht! Als wir eintreten, ist der Laden ziemlich voll, aber wir werden sehr freundlich empfangen und bekommen auch noch einen Platz. Es dürfte der letzte gewesen sein. Wir machen uns über die Speisekarte her und stellen erleichtert fest: Pizza gibt es, und was man so sieht, wenn man sich umschaut, macht sie einen guten Eindruck, aber der größere Teil der Karte bietet, was wir suchen. Wir beginnen mit zwei Chouchen für die Damen (Chouchen ist ein alkoholisches Getränk aus fermentiertem Honig, ca. 13%) und zwei Pastis für die Herren. Dazu nehmen wir drei Salate mit warmem Ziegenkäse. Als Hauptspeisen kommen zwei Confit Canard auf Salat mit Pommes, ein Confit Canard auf Salat mit Entenleber und Kartoffelchips und ein Grillspieß mit Jakobsmuscheln. Begleitet wird das Ganze von einer Flasche Muscadet sur Lie und Wasser. Zum Abschluss zwei Far Breton, ein Crême Brûlée und ein Rhabarbernachtisch, dazu drei Café. Wir sind rundum zufrieden, leiden keine Sekunde mehr an den geschlossenen und unerfüllten Verheißungen Mirabelle oder Aristide und legen schließlich ohne Reue 150 € auf den Tisch. Chapeau! Alles wirklich sehr ordentlich, bodenständig, herz- und schmackhaft, ohne auf Sternerestaurant machen zu wollen. Das Personal ist aufmerksam, engagiert und freundlich. Daraus ergibt sich: Vorbeischauen lohnt sich (zumal die Pizzen tatsächlich auch gut sein sollen).
Um 22 Uhr sind wir wieder bei unserem vierbeinigen Wachpersonal und rundum zufrieden.
Mittwoch, 30. August 2017
Als wir die Nasen morgens um 8 Uhr aus der Türe strecken hat es bewölkte 13 °C. Nach Sonnenbrand und Hitzestau sieht es nicht aus.
Um 11:15 Uhr verlassen wir den Campingplatz und machen einen kurzen Stoppover bei Intermarché in Huelgoat, der doch tatsächlich schon nach eineinviertel Stunden vorüber ist, wodurch es bereits 12:30 Uhr geworden ist, als wir uns von Huelgoat und seinem mystischen Personal bei Regen und 13 °C verabschieden. Pointe du Raz mit Phare de la Vieille und Île de SeinDer Wind bläst uns wieder südwestlich in Richtung Meer, das wir nach knapp 100 Kilometern um 14:15 Uhr am Pointe du Raz (Beg ar Raz) erreichen. Wir stellen uns auf den Touristenparkplatz (N 48° 02' 14,1'' W 004° 42' 54,9''). Der Parkplatz liegt ein gutes Stück vom Kap entfernt, um die Touristen ein wenig auf Distanz zu halten und den empfindlichen Heidebewuchs zu schonen, denn Touristen haben ja gerne die Neigung, sich wie das liebe Vieh kreuz und quer und ohne Rücksicht auf Verluste überall zu bewegen und zu parken; Hauptsache mit direktem Meerblick. Deswegen verkehren von dort Shuttlebusse zum Kap. Wir nehmen den Weg über die Heideflächen hinaus zum Kap lieber unter die Füße und kommen bei einer recht steifen Brise nach etwa 20 Minuten dort an.
Möwenpick(nick) am Ende der WeltEs ist
Heike und Hedda am Ende der Weltjetzt nur noch bewölkt, aber der Himmel zeigt sich bereit, ein paar seiner Hüllen fallen zu lassen. Pointe du Raz ist der westlichste Punkt des Cap Sizun, einer spitzen Landzunge, die von Douarnenez aus 30 Kilometer in den Atlantik hinaus ragt. Vor uns liegt der putzige Leuchtturm Phare de la Vieille in der Brandung, dessen Anwesenheit allerdings dringend geboten ist, denn diese Landspitze heißt nicht umsonst Pointe du Raz: Raz bezeichnet im Bretonischen eine sehr heftige Meeresströmung. Zwischen dem Kap und der acht Kilometer vorgelagerten Île de Sein hat der Seefahrer wirklich alle Hände
Hugo und Gundel mit Fernweh im Blick voll zu tun und ist für jede Hilfe dankbar. Die Strömung, aber vor allem der Wind, die den Seefahrern den Schweiß aus den Poren treiben, sind ein Volksfest für die Möwen, die über dem Kap die abenteuerlichsten Flugmanöver absolvieren, natürlich immer mit scharfem Blick auf die genießbaren Hinterlassenschaften der Touristen. Möwen sind überall gleich, aber man kann sich an ihren Flugkünsten und ihrer gelegentlichen Dreistigkeit nicht sattsehen. Auch wir lassen uns unterhalten, streifen hierhin und dorthin, immer einen Blick nach oben und einen hinaus über die Wellen und über die Brandung, die 70 Meter unter uns die Felsen peitscht.
Gegen 16 Uhr sind wir wieder bei den Womos, hätten jetzt aber auch 3200 Kilometer auf dem Europäischen Fernreiseweg nach Osten marschieren können und wären direkt in Venedig gelandet. Auch den GR 34, den sogenannten Zöllnerpfad hätten wir abwandern können und wären entweder an seinem nördlichen Ende am Mont-St-Michel oder an seinem südlichen bei Lorient angekommen. Das wären dann, auf die gesamte Strecke gesehen, nur 1800 Kilometer gewesen, aber wir hätten dabei wirklich jeder Bucht und jedem Kap des Finistère "Hallo" sagen können. Wer Lust hat, auf Schusters Rappen durch Frankreich zu stapfen, hat reichlich Auswahl; Frankreich bietet dem Wanderer über 50 solcher Fernwanderwege (GR = Sentier de Grande Randonnée). Wir schaffen es heute nur bis zum Parkplatz, wo wir uns in Gundels Mietmobil bei einem Kaffee gemütlich machen. Vielleicht ein andermal...
Gegen 17 Uhr rollen wir wieder vom Parkplatz, diesmal notgedrungen nach Osten, genauer, an der Nordküste des Cap Sizun entlang nach Douarnenez, wo diese Landzunge ihren Anfang nimmt. Der Himmel hat sich uns geöffnet und lacht uns heiter, wenn auch nicht ganz makellos; ein bisschen zugeknöpft bleibt er noch.
Fahrtstrecke Huelgoat – Douarnenez
Um 17:45 Uhr, nach rund 30 Kilometern steuern wir das Camp Trézulien in Douarnenez an (N 48° 05' 34,6'' W 004° 21' 08,6''). Der Himmel ist jetzt weiß-blau bei 16 °C, und auf dem Tacho verbuchen wir heute 131 Kilometer. Der Campingplatz ist stark terrassiert und, wie es scheint, überwiegend von Dauercampern und Liebhabern von Mobile Homes frequentiert, die um diese Jahreszeit und mitten in der Woche durch segensreiche Abwesenheit glänzen. Auffällig ist hier die teilweise sehr enge Verkehrsführung durchs Gelände, die den Chauffeur nicht nur einmal ganz schön kurbeln lässt. Aber dann stehen wir auf unserer Terrasse und sind zufrieden. Nachdem wir uns einen Eindruck verschafft haben und den Platz im Wesentlichen als gut befunden haben, auch die Sanitäranlagen, die keine Beanstandungen verdienen, obwohl sie nicht mehr taufrisch sind, bereiten wir uns gegen 19:30 Uhr einen köstlichen Salat mit Gésiers zu. Gésiers sind die Kaumägen von Geflügel, also sehr muskulöses Muskelfleisch, und somit, in Fett herausgebraten, eine Köstlichkeit zum Salat. Sicher nicht jedermanns Sache, aber für den Liebhaber eine kulinarische Wallfahrt und dringend zur Nachahmung empfohlen.
Nach den Kaumägen machen wir noch einen Spaziergang, der irgendwo westlich des Campingplatzes bei inzwischen völliger Dunkelheit im Unterholz endet. Also alles wieder zurück und die Stirnlampen in Bereitschaft. Das ist aus unserer Sicht für Hundehalter ein gravierender Nachteil dieses Campingplatzes: Man findet wenig Auslauf für die steifen Hundebeine. Ein Blick auf die Karte lässt anderes vermuten, die Wirklichkeit aber enttäuscht. Vielleicht hätten wir bei einem längeren Aufenthalt auch dieses Minus für den Platz noch auflösen können, aber für heute bleibt der Eindruck einer Sackgasse.
Gegen 23 Uhr ziehen wir die Rollos herunter. Es wartet eine klare und vermutlich frische Nacht auf uns; die aktuellen 11°C dürften nicht das letzte Wort sein.
Donnerstag, 31. August 2017
Aus der klaren Nacht wurde eine feuchte: Immer wieder werden wir von kurzen aber heftigen Schauern geweckt. Um 8:30 Uhr ist es dann aber heiter und windstill bei 13 °C. Um 11:30 Uhr verlassen wir den Platz und auch Douarnenez, das wir eigentlich noch inspizieren wollten. In Douarnenez mit seinem geschützten Hafen, sammelten bereits die alten Römer ihre Kräfte, bevor sie sich auf den Sprung nach Britannien machten. Später war es ein bedeutender Fischereihafen, in den der Wohlstand erst richtig einzog, als die Konservenbüchse erfunden war und sich in Douarnenez eine florierende Konservenindustrie entwickeln konnte. Heute gibt es noch eine der alten Konservenfabriken, die feinste Sardinen für die ganze Welt verpackt, und die Stadt ist noch immer der sechst größte Fischereihafen Frankreichs. Wir beschließen, bei Gelegenheit, wenn sie sich bieten sollte, eine solche Gourmet-Sardinenbüchse zu erstehen und es ansonsten dabei zu belassen.
Wir fahren südöstlich nach Quimper, das man besuchen muss, wenn man in der Gegend ist. Und wann ist man im Finistère eigentlich nicht in der Gegend? Wir waren schon das eine und andere Mal in der Gegend, aber eben noch nie in Quimper. Also steht es heute auf dem Programm.
Kathedrale St-CorentinBereits nach einer halben Stunde stellen wir dort, auf dem Parkplatz Providence, die Maschinen ab (N 47° 59' 57,3'' W 004° 06' 26,9''). Es ist wolkig und windig bei 18 °C. Der Name Quimper stammt vom keltischen Kemper, das einen Zusammenfluss bezeichnet, in diesem Fall den Zusammenfluss von Steir und Odet. Die gotische Kathedrale St. Corentin, deren Bau bereits 1240 begonnen hatte, aber erst 1856 endgültig abgeschlossen war, beherrscht das Bild der Stadt, die heute über 60.000 Einwohner zählt. Die Lage an den Flüssen machte Quimper wohlhabend, wozu vor allem seine Fayence-Manufakturen, die weltweite Berühmtheit erlangten, beitrugen. Trotz des verheerenden Feuers von 1762 konnten sich noch zahlreiche alte Fachwerkhäuser in die Gegenwart retten – in der sie allerdings nur noch als jämmerliche Kulisse für König Nepp und Kardinal Gier gebraucht werden. All diese alten Häuser stehen heute auf einem Fundament von Andenkenläden, Klamottenshops von Ramsch
Place Terre au Duc bis Luxus, Banken, Süßwaren, Fressbuden, Immobilienhändlern, Nagelstudios oder Massagesalons. Offenbar übt diese abstoßende Mischung aus zeitgenössischem Billigkommerz auf Mittelalterbasis einen starken Reiz auf Touristen aus, die sich hier in ziemlich kompakten Massen durch die Gassen schieben. Auch auf den Chronisten übt diese Melange einen Reiz aus, und zwar auf den Brechnerv. Mehr als einmal muss er, dem Teamgedanken folgend, seinen Fluchtreflex unterdrücken und sich in den Stadtrundgang fügen. Schließlich lässt er sich sogar überreden, sich zu einer Mittagsjause in der "Crêperie de la Place au Beurre" überreden. Vier Galettes und zwei Crêpes verschwinden dabei in nur vier Mägen, dazu eineinhalb Liter Cidre. Weniger diese kulinarischen Streicheleinheiten, als die sofortige anschließende Abreise, brachten den Magen des Chronisten wieder ins Gleichgewicht.
Süße SündenUm 14:45 Uhr verlassen wir bei heiteren 22 °C Quimper, mit dem Versprechen, diesen Ort nur noch anlässlich des jährlich stattfindenden Festival du Cornouaille zu besuchen, in dem das ganze Füllhorn der keltisch-bretonischen Musik ausgeschüttet wird. Ja, das könnte man sich vorstellen, allerdings erst, wenn die Reiseleiterin nicht mehr auf Schulferien angewiesen ist, weil das Festival immer im Juli stattfindet, in dem es irgendwo, aber niemals in Bayern Ferien geben wird.
Eine Stunde nach unserer Abfahrt von Quimper, um 15:45 Uhr, stranden wir im Camping Les Sables Blancs von Concarneau (N 47° 52' 57,1'' W 003° 55' 40''). Um stattliche 54 Kilometer hat sich unser Tacho heute angereichert; sie ist eben klein, die Welt der Bretagne, und mit wenigen Kolbenhüben zu durchmessen.
Fahrtstrecke Douarnenez – Concarneau
Direkt vor unserer Ankunft gingen noch ein paar Schauer über uns nieder, aber nun begrüßen uns Sonne und Wolken bei 18 °C. Der Platz ist proppenvoll, aber wir bekommen noch zwei kleine, von Hecken eingefasste und mit eigenem Wasseranschluss versehene, Hocker.
Concarneau, die Wirkstätte des Kommissars Dupin aus Jörg Bongs, alias Jean-Luc Bannalecs bretonischen Krimis. Na klar, wir sind nicht die einzigen, die sich Dupins literarische Heimat einmal ansehen und einen Eindruck verschaffen wollen, ob das alles mit unserer Phantasie korrespondiert. Wir nehmen an, dass die Hälfte der Touristen hier auf Dupin-Wallfahrt sind und fragen uns, ob der Autor vom Touristenbüro eine monatliche Überweisung erhält. Immerhin verlieh ihm das Conseil régional de Bretagne für seine Verdienste um die Vermittlung der Bretagne 2016 den Titel "Mäzen der Bretagne“. Da könnte man auch einen regelmäßigen Scheck beifügen.
Concarneau – Strand Les Sables BlancsWir lassen es erst mal langsam angehen, schauen uns auf dem Campingplatz um: Beanstandungsfreie Sanitäranlagen, Pool, Jacuzzi (hätte es wegen uns nicht gebraucht), Restaurant mit Meerblick und viel Grün drum herum. Aber eben rammelvoll, und da lässt man sich dann auch mal von einem Caravaniere unterhalten, wie er seinen Luxusliner mit dem Mover in ein gerade noch ausreichendes Loch dirigiert. Hut ab und hoch auf die Erfinder des Movers. Am Haken hätte er das Möbel nie und nimmer dort untergebracht.
Um 19 Uhr sitzen wir im Restaurant, blicken aufs Meer und bescheiden uns mit dem Tagesangebot des Küchenchefs: zweimal Moules Frites und zweimal Pizza, dazu eine Flasche Rosé. Dafür legen wir 57 € auf den Resopaltisch des Hauses. Nein, Luxusgastronomie, sogar bürgerliche Gastlichkeit sieht anders aus, aber das Angebot ist reell und schmeckt. Es muss ja nicht immer Kaviar sein.
Um 21:30 Uhr sitzen wir mit einem Absacker vor den Womos und werden mitten im gemütlichsten Geplauder von einem massiven Schauer unter Deck getrieben. Na denn, wenn es so auf der Agenda steht, plaudern wir eben unter Dach und Fach noch ein wenig weiter und machen um 23 Uhr Schluss.
Freitag, 1. September 2017
Der Morgen beginnt mit vielversprechenden und wolkenlosen 13°. Nach einem entspannten Spaziergang unten am Strand Les Sables Blancs, der nur einen Katzensprung von rund 300 Metern Luftlinie westlich vom Campingplatz liegt, gibt es ein ebenso entspanntes Frühstück auf die Faust mit Kaffee, Baguette und Brioche.
Blick von der Ville Close auf den Hafen von Concarneau
Um 10:15 Uhr brechen wir dann in die Altstadt auf, eineinhalb Kilometer südöstlich und zu Fuß bequem zu erreichen. Die Stadt wurde bereits im 10. Jahrhundert von Mönchen gegründet, die an der Mündung des Die Ville CloseFlusses Moros auf einer Insel ein Kloster errichteten. Dieses Kloster war die Keimzelle der heutigen Ville Close, einer nur über eine Brücke zugänglichen ehemaligen Festung. Diese Festungsstadt ist natürlich die eigentliche Attraktion Concarneaus: alte Häuser, die nicht vorwiegend von Ramschläden okkupiert sind, sondern viele kleine Restaurants und Handwerksläden beherbergen. Wir umwandern die Ville Close einmal auf der Stadtmauer, von wo sich uns zauberhafte Einblicke in die Altstadt und Ausblicke über den Hafen und die Stadt auftun. Wir schlendern über den riesige
Viel Stille in der Ville Closen Markt, der die gesamte Hafenpromenade direkt gegenüber der Ville Close einnimmt. Hier findet die Reiseleiterin einen schicken französischen Fummel, sonst aber ist der Markt zwar groß, jedoch wenig beeindruckend, weil stark touristisch ausgerichtet.
Beschauliche Ville Close Die touristische Ramschorientierung scheint hier die Oberhand gewonnen zu haben, was in der Ville Close vermieden werden konnte. Nur wenige Schritte nördlich der Hafenpromenade, in der Avenue Pierre Gueguin 1, ragt die vermutlich bekannteste Wallfahrtsstation für Bannalec-Jünger hoch, das Restaurant "L'Amiral" von Arnaud und Cathrine Lebossé, in dem Kommissar Dupin gerne seine Mahlzeiten, bevorzugt ein Entrecôte, einnimmt. Damit kein Tourist an diesem kulinarischen Schrein vorbeigeht, ohne an seine literarischen Zusammenhänge erinnert zu werden, liegt in allen Fenstern das von Bannalec zusammen mit den Inhabern des Restaurants herausgegebene Kochbuch "Bretonische Küche. Kommissar Dupins Lieblingsgerichte" aus, und zwar in allen möglichen Übersetzungen. Der Chauffeur bekennt sich dazu, seit einiger Zeit im Besitz dieses Buches und darauf stolz zu sein, weil es fabelhafte Rezepte und viele wertvolle Tipps und Erklärungen über die bretonische Küche, deren Zutaten und Zubereitungsmöglichkeiten beinhaltet. Nun wollen wir natürlich wissen, ob die Küche der Lebossés auch ihrem Buch und vor allem den Nachkochkünsten des Chauffeurs standhält, müssen darauf aber verzichten:
Das Amiralausgebucht! Wen wundert's? Wir verzagen nicht und suchen nach einer Alternative, weil wir sicher sind, dass es in Concarneau nicht nur ein "L'Amiral" geben kann, das den Ansprüchen von Edelzähnen genügt. Und wir werden fündig, fast am Ende der Hafenpromenade, in der Rue Duquesne 4. Ganz bescheiden schmiegt sich das "Le Flaveur" in diese Gasse, macht aber einen so vertrauenserweckenden Eindruck, dass wir unverzüglich reservieren. Das wird lecker werden, davon sind wir schon jetzt überzeugt. Wir streifen noch ein wenig umher, auch am Jachthafen entlang, wo in kleinen Etablissements Menschen ihre Füße in Aquarien hängen, um sich von Fischen die Hornhaut und Parasiten abknabbern zu lassen. Kein schlechtes Geschäft: ein paar billige Fische, etwas beheiztes Wasser und dann fließt der Mammon. Bei den von endlosen Hundespaziergängen malträtierten Füßen des Chauffeurs wäre allerdings schon ein ausgewachsener Antennenwels nötig, um ihm die Hornhaut von den Zehen zu raspeln; das würde die Kalkulation einigermaßen torpedieren. Torpediert wird auch unser Wohlbefinden, und zwar durch einen kurzen, aber heftigen Schauer, der uns mit einem Hauseingang verschmelzen lässt. Aber dann ist wieder eitel Sonnenschein und 19 °C, sowohl über Concarneau als auch in unseren Gemütern.
Um 13:45 Uhr sind wir wieder bei unserem Wachpersonal. Es folgen Hausputz, dösen und Kaffee mit süßen Stückchen und anschließend ein Hundespaziergang, bei dem die Reiseleiterin und ihr Chefscout Hugo mit drei Hunden und einem zunehmend übelgelaunten Fahrdienstleiter von einer Sackgasse in die andere stolpern, sich im Dickicht verheddern und schließlich sogar ihren höchstgelobten Digitalpfadfindern das Misstrauen aussprechen müssen. Nach eineinhalb Stunden, statt der geplanten 45 Minuten, so jedenfalls prognostizierten die Pfadfinder ohne Kenntnis der aktuellen Landschaftsverwilderungen unseren Spaziergang, sind wir zurück bei Andrea, die heute die Stallwache übernommen hat und bereits gestiefelt und gescheitelt auf uns wartet – wir haben ja noch eine kulinarische Abendveranstaltung vor uns und für 20 Uhr reserviert.
Zeit, um zu Fuß an den Hafen zu kommen, haben wir nicht mehr, also werden die Fahrräder abgeschnallt, wobei sich die Reiseleiterin ihre Jacke zerreißt. Wie sagte der Fußballer Brehme dereinst? Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß! Wie recht er hatte, erweist sich noch in der Campinganlage, als sich die Reiseleiterin zum Triangel in der Jacke gleich noch einen Platten am Hinterrad zuzieht, worauf sie fortan auf einer Felge zum Hafen eiert.
Über unseren Aufenthalt im "Le Flaveur" wollen wir nur soviel weitergeben, dass wir keinen Bissen und keinen Schluck bereuen. Der einzige Zweifel, der uns nicht loslässt, ist der, dass wir uns nicht vorstellen können, mit dem "L'Amiral" etwas versäumt zu haben. Sicher ist nur, dass die Rechnung höher gewesen wäre, und ob das Personal so viel Charme gehabt hätte wie das im "Le Flaveur", müssen wir aus Gründen der Fairness offenlassen. Wir verlassen das Restaurant beschwingt und im Bewusstsein, vom Schicksal begünstigt worden zu sein.
Durch diese hohle Gasse muss man kommen – auch nachts per FahrradBeim Start in die finstere Rückfahrt stellt sich heraus, dass keines der vier Räder eine vollständige Beleuchtung hat: Dem einen fehlt es hinten, der anderen vorn, dem nächsten komplett. Und kaum gestartet, wirft die unselige, aber kulinarisch euphorisierte Reiseleiterin, auch noch die ihr verbliebene Restbeleuchtung ab und schrottet sie im Überschwang des Glücks, sodass sie auf Erleuchtung durch die zwei Halbblinden im Wechsel, mal hinten, mal vorn, hoffen muss. So treideln wir, mehr blind als erleuchtet, gickelnd und brabbelnd, keckernd und meckernd, zu unseren Damen auf dem Campingplatz hinüber und hinauf. Nein, nicht nur die Liebe geht durch den Magen, auch die Erdschwere löst sich auf in freischwebendes Freewheeling. In jungen Jahren sind es Hormone, die den Füßen den Boden nehmen und der Seele die Zelle öffnen, in den reiferen genügen gelegentlich schon Kalorien und Aromen.
Um 23 Uhr klappern, rappeln und brabbeln wir uns durch unsere Nachbarschaft und haben noch gar keine Lust auf Schlaf. Wir verschmelzen noch lange mit einer Nacht aus Samt und Silber und plaudern, weil in solchen Nächten Reden Gold ist, wenn das Silber schon von den Sternen geliefert wird. Vielleicht enthüllen gerade solche Nächte die bretonischen Geheimnisse, von denen Bannalec erzählt. Und bretonisches Gold ist nicht das Salz, sondern der Atem des Meeres.
Samstag, 2. September 2017
Um 8 Uhr ist das Silber verblasst und das Gold nur noch in den Herzen derer, die frohgemut in den neuen Tag starten. 11 °C kühl ist er, windstill und wolkenlos. Nach dem unvermeidlichen Morgenspaziergang, einem kurzen Frühstück und dem Aufklaren der Womos, verlassen wir Kommissar Dupins Revier um 10:15 Uhr und machen gleich wieder bei Brico Halt, weil wir für unser Begleitmobil einen Adapterstecker brauchen, der in Douarnenez hängen geblieben ist und einen Schemel, weil das schwäbische Mietmobil zwar einen sehr hohen Einstieg, aber Pont-Avenkeine Trittstufe hat, was mit der Zeit wirklich eine ziemliche Turnerei bedeutet. Die Schwaben sparen wirklich an allem, nur nicht an Angriffen auf die Gesundheit ihrer Kunden. Um 10:45 Uhr fahren wir weiter nach Pont-Aven. Dort läuft der Garmin nach Tagen verdächtiger Zurückhaltung wieder einmal zu großer Form auf. Auf der Anfahrt zum Stellplatz Stade Henri Siguin versucht er uns durch eine verkehrsberuhigte Zone zu lotsen, die zwar nicht explizit verboten ist und befahren werden darf, was man aber mit zwei Wohnmöbeln nicht unbedingt tun muss. Als wir uns ihm widersetzen und umsteuern, schickt er uns beleidigt und trotzig in eine Sackgasse. Das verzeiht ihm der Chauffeur nicht und ist fortan schlecht gelaunt, was dem Garmin wurscht ist, aber die Mitreisenden seinem übellaunigen Karma aussetzt. Immerhin finden wir den Stellplatz (N 47° 51' 14,9'' W 003° 44' 37,3'') und machen uns auf den Weg ins Zentrum, das nur wenige Schritte entfernt ist.
Pont-Aven liegt im Mündungstrichter des Aven, zirka sechs Kilometer im Landesinneren, hat etwa 3000 Einwohner und ein malerisches Flair, das vor allem den vielen Künstlern zu verdanken ist, die sich hier auf den Spuren von Paul Gauguin auf die Suche nach ihren Musen machen. Drei Monate lebte und arbeitete Gauguin 1886 hier, das schon damals ein bekannter Künstlertreff war und bald als Schule von Pont-Aven
bezeichnet wurde. Wo so viel musischer Geist herumschwirrt, muss doch noch einiges davon erhalten sein, und so findet man alle paar Schritte eine Galerie und eine Töpferei oder Skulpturen und Plastiken, aber eben auch stilvoll erhaltene Häuser, lauschige Ecken und stille Winkel. Sogar die Geschäfte sind hier so eingebettet, dass sie den Charakter des Ortes nicht dominieren. Wir schlendern durch die Gassen und über die Brücken, lassen ein bisschen Bares in ein paar Geschäften liegen und spüren den bretonischen
Verhältnissen hinterher, von denen Bannalecs erster Roman erzählt. Fündig werden wir nicht. Aber welcher Liebhaber der Rosenheim Cops glaubt schon ernsthaft, in Rosenheim das Times Square zu finden? Wie soll man also Verhältnisse aufspüren, wenn man schon an der Existenz von Bistros scheitert? Der kleine Ort hat es uns angetan und ist uns einen Rundgang wert, vor allem, weil sich dabei die schlechte Laune des Chauffeurs auflöst und einem entspannten Mienenspiel Platz macht. Noch ein Grund, Pont-Aven positiv zu besprechen.
Um 12:30 Uhr sind wir bei den Autos zurück und machen uns bei 22 wolkenlosen Graden wieder auf den Weg. Kollege Garmin ist immer noch patzig und versucht uns hartnäckig durchs Zentrum zu lotsen, diesmal trotz Durchfahrtverbot für Wohnmobile und gegen die Einbahnstraße. Woher soll ein Womo-Navi auch wissen, dass er für ein Womo Verantwortung trägt? Wir navigieren wieder einmal analog und entbieten dem Garmin einen analen Gruß.
Weiter auf den Spuren bretonischer Historie, diesmal ganz alter Historie, nämlich zurück bis in die späte Jungsteinzeit, also etwa bis 3500 bis 2800 v. Chr.: Wir besuchen die Menhire und Dolmen von Carnac. Um 13:30 Uhr kommen wir dort bei 21 °C und überzogenem Himmel an und stellen die Womos auf dem Stellplatz direkt bei der Anlage ab (N 47° 35' 27,5'' W 003° 05' 01,8''). Schon von der Straße aus werfen wir mehrere Blicke auf die aufgereihten Hinkelsteine und sehen, was zu erwarten war: Hinkelsteine von einem halben Meter Höhe bis drei Meter, manche einfach nur unsortiert in der Gegend stehend, andere zu Steinreihen sortiert, aber eben Hinkelsteine, manche blitzblank, andere mit starkem Bewuchs und verwittert, die einen aufrecht, die anderen windschief und kurz vor dem Kollaps. Ob man nun der Vorstellung des Hl. Cornelius folgt und glaubt, dass die Steine versteinerte römische Legionäre seien oder, wie man im frühen 19. Jh. vermutete, Reste keltischer Tempel oder einfach nichts als ein ungelöstes Rätsel: Letztlich hangelt man sich dort durch eine Landschaft, die nur aus Steinen besteht, die wie in einem kollabierenden Gebiss herumhängen. Wir beschließen:
Der Blick von außen genügt. Ein Hinkelstein ist ein Hinkelstein ist ein Hinkelstein... Minuten nach unserer Ankunft reisen wir wieder ab, und zwar nach Osten, nach St-Trinité-sur-Mer, weil wir dem dortigen Carrefour einen Besuch abstatten wollen. Dort aber ist ein großer Teil des Ortes und auch der Carrefour-Parkplatz von einem Trödelmarkt okkupiert, der für unsere Möbelwagen keinen Raum lässt. Also wieder zurück, über Carnac in den Westen, nach Plouharnel zu Super-U. Dort kommen wir um 14:20 Uhr an und bunkern, als ob vierzig Tage Einzelhaft auf dem Programm stünden. Um 15:15 Uhr verlassen wir Plouhanel und rollen kurz darauf auf die Halbinsel Quiberon, wo wir uns im Camping Do Mi Si La Mi nach 128 Kilometern zur Ruhe setzen (N 47° 29' 52,4'' W 003° 07' 15,1''). Wir messen 21 °C bei immer noch bezogenem Himmel. Der Platz ist ziemlich voll, aber abseits der Hauptschlagadern finden wir einen ruhigen und abgeschiedenen Hocker.
Fahrtstrecke Concarneau – Quiberon
Um 17:15 Uhr machen wir zu einer Erkundung von Quiberon auf, unter dem man einerseits eine Region versteht, in der die Halbinsel Quiberon liegt, die wiederum den Ort Quiberon beherbergt. Für uns steht logischerweise der südliche Teil der Halbinsel mit der Stadt auf dem Programm. Wir wenden uns vom Campingplatz aus nach Osten, zum Strand hin, finden aber nur unschöne und verlotterte Buchten und Strandabschnitte, die uns nicht zum Schlendern einladen und den Hunden Leinenzwang verordnen. Also Marina von Quiberonbeschließt die Reiseleitung, sich südlich zu halten, um so direkt in den Ort und an die zu ihm gehörigen Strände zu gelangen. Dem Chauffeur schwant, dass es dieser Reiseleitung wieder gelingen wird, alle vorhandenen Sackgassen von Quiberon auszuloten, wie sie es ja schon in Concarneau geschafft hatte und dabei den Spaziergang auf doppelte Länge zog. Ein Chauffeur ist eben kein Kapitän, dem alle zu folgen haben, sondern eher der Maschinenmaat und insofern einer der Ersten, die einer nautischen Fehlleistung des Kapitäns zum Opfer fallen. Die Tatsache, dass unserem Schiff von zwei Kapitänen (Heike und Hugo) der Kurs gewiesen wird, ist nicht dazu angetan, seine Sorgen zu zerstreuen. Immerhin gelingt es der Führung, vorbei am Segelhafen und dem Flugplatz von
Chateau TurpaultQuiberon, das Südende der Insel und damit das Touristenherz Quiberons anzusteuern. Hier, an der Hafenpromenade, stellt sich dem Flaneur die schaurige Frage, ob er sich nicht doch etwas verfranzt hat und in Rimini oder am Ballermann gestrandet ist. Wer diese touristischen Fegefeuer kennt, bekommt eine unmittelbare Ahnung von Quiberon und eine Antwort auf die Frage, wie ein Ort mit 6000 Einwohnern jährlich 60.000 Touristen verkraftet. Erschwerend kommt hinzu, dass hier morgen ein internationaler Triathlon stattfindet, weshalb der Spaziergänger allenthalben von Bicycletteuren, deren Betreuern und Trainern oder Dauerläufern verfolgt, gequert und vom rechten Weg gedrängt wird. Wassertreten für die Hunde ist völlig undenkbar; sie hängen an ihren
Les dames en marcheLeinen und sind die Hauptleidenden dieses Auflaufs. Als wir die sündige Meile am Südwestzipfel Quiberons hinter uns gebracht haben, wenden wir uns nördlich und bald darauf nordöstlich in Hauptrichtung Campingplatz. Hier versiegt der Touristenstrom und auch der Athletenstrom, dafür wird das Land, weg vom Meer, immer dürrer und unwirtlicher. Die Hunde halten vergeblich Ausschau nach Wasser, Andrea hält Zwiesprache mit ihrem lädierten Kreuz, der Chauffeur schweigt trotzig ob der planerischen Aussetzer, nur die Kapitäne verlieren kein Jota ihrer guten Laune und ihrer positiven Gesinnung, geben in kurzen Abständen die vermutliche Ankunftszeit im Camp bekannt, aktualisieren diese im Zehnminutentakt und schreiben die Planänderungen ihren digitalen Pfadfindern zu. Um 19:45 Uhr, nach zweieinhalb Stunden Dürre, Durst und Leinenzwang sind wir endlich zurück. Die Hunde verschlingen einen Eimer Wasser und der Chauffeur beschließt, morgen abzureisen. Wer sich nicht anschließt, darf gerne zu Fuß gehen.
Unsere "Via Dolorosa" um Quiberon
Gegen die schlechte Laune kommt der Grill aus der Backskiste, die Tische, die Stühle und natürlich das frische Grillgut von Super-U: Hähnchenbrust, Crevetten, Spareribs. Wie es die Evolution vorgibt, sorgen die Männer für Feuer und die Frauen für das Grüngut. Worum sich weder die einen noch die anderen sorgen, ist das Grillgut, von dem nämlich plötzlich und ganz ohne Zweifel eine feiste Hähnchenbrust fehlt. Die peinliche Befragung der verdächtigen Damen im Pelz kommt zu keinem Ergebnis, obwohl Hedda der Verdacht wie ein Kainsmal auf der Stirn klebt. Sie macht einen von innen heraus erwärmten und sehr zufriedenen Eindruck, während ihre Mutter und Halbschwester sich abseits halten und nichts gesehen haben wollen. Wir kauen und genießen in die Nacht hinein, lassen denen unter dem Tisch mal einen Sparerib-Knochen oder einen Crevettenpanzer zukommen, alles feine und energiespendende Leckereien, die ihre vom zehrenden Spaziergang erschöpften Speicher wieder füllen sollen. Jener ist über das Festmahl vergessen, die Nacht ist klar bei 15 °C und voller bretonischer Geheimnisse. Aber der Chauffeur bleibt dabei: Abreise morgen, nein heute, es ist bereits 0:15 Uhr als wir die Kojen schließen.
Sonntag, 3. September 2017
6:45 Uhr: Es regnet. Die Triathleten freuen sich. Wir nicht. Wir schlafen weiter.
9:30 Uhr: Es regnet. Wir frühstücken. Der Verdacht, dass Hedda gestern die Hähnchenbrust geklaut hat, bekommt einen ersten Knacks, weil sich Gundel nachts erbrochen hat. Wir setzen dennoch auf Hedda und schreiben Gundels Unpässlichkeit dem unmäßigen Knochenverzehr zu. Wir befragen die Wetterfrösche Europas und lernen, dass es verbreitet regnet. Die Reiseleiter entscheiden: Wir bleiben. Der Chauffeur zieht seine gestrige Abreise- und Fußmarschdrohung zurück, weil ihm unter den aktuellen Bedingungen die Argumente ausgehen.
Der Vormittagspaziergang liefert den zweiten Zweifel an Heddas Hühnertäterschaft: Sie liefert nur ein sehr bescheidenes Stoffwechselendprodukt, Gundel dagegen einen ganzen Misthaufen. Wir sprechen Gundel Ruhetagdennoch frei; Heddas Verdauung ist eher auf solche Überlastung eingestellt. Wir haben keine Zweifel, höchstens Respekt für diesen kaltherzigen Coup.
Wir liegen herum, schlafen, kommunizieren mit den Computern oder lesen. Der Regen wäscht das Dach. Abends zaubern wir im Omnia eine Pizza "Do Mi Si La Mi" mit Shrimps, Sardellenfilets, Schinken, Salami, Oliven und Zwiebeln.
Um 23 Uhr legen wir den Tag zu den Akten. Es ist nun leicht bewölkt bei 18 °C.
Montag, 4. September 2017
Land unter auf QuiberonEs regnet um 8 Uhr bei 17 °C einen grauenhaften supergrauen und superfeinen Sprühnieselbiesel vom Himmel. Als wir um 11:15 Uhr das Camp verlassen, nieselbieselt es immer noch und als wir uns durch den Isthmus der Halbinsel drücken, regnet es so nachdrücklich, dass wir den Eindruck haben, in einem U-Boot zu sitzen. Um 11:45 Uhr sind wir schon wieder bei Super-U in Plouharnel, diesmal nicht nur zum Einkaufen, sondern auch, um die Tanks zu füllen. Um 12:30 Uhr geht es weiter, erst nordöstlich, dann östlich in Richtung Vannes, um uns danach südöstlich zu halten. Bei La Roche-Bernard legen wir die Ruder nach Südwest und Guérande. Weil wir Guérande (Gwenrann) schon früher als aufgebrezelten Touristenort, ähnlich Quimper, kennengelernt haben, in dem die mittelalterlichen Fassaden dem eiskalten Kommerz die Spitzen nehmen sollen, empfehlen wir unseren Begleitern, diesen Ort zu umfahren und dafür die Lokation anzusteuern, die diesem Ort seine weltweite Bedeutung gibt: die Salzgärten von Guérande und die Ausstellung Terre de Sel. Dort kommen wir um 13:50 Uhr bei bewölkten, aber dampfigen, 21 °C an (N 47° 18' 55,8'' W 002° 27' 07,6'').
In den Marais Salants wird in zahlreichen Salzbecken auf einem Gelände von etwa 2000 Hektar bestes Meersalz gewonnen. Die Salzbauern der Region haben sich zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen, um Risiken und Gewinne für alle gerecht zu verteilen. Die Techniken, mit denen hier und auch anderswo an der Atlantikküste Salz gewonnen wird, gehen bis ins 9. Jh. zurück; mindestens fünf der aktuellen Salinen sind bereits in die Zeit der Karolinger nachgewiesen. Die Arbeit der Salzbauern ist anstrengend, erfordert viel Erfahrung und Geschick und ist vor allem vom Wetter abhängig.
SalzbeckenDie Gewinnung von Meersalz geschieht in einer Folge hintereinander angeordneter Becken. Bei hohen Fluten wird zuerst das Speicherbecken (Vasière) durch das Öffnen von Schiebern mit Meerwasser gefüllt. Bei diesem Becken handelt es sich um ein Dekantierungsbecken, in dem sich all jene Stoffe, die beim Einlass aus dem Meer eingetragen wurden und im Salz nicht erwünscht sind, absetzen. Das Wasser fließt nun durch ein sehr leichtes Gefälle von einem Becken zum anderen, wobei die Kunst ist, die Schieber exakt den jeweiligen Wetterbedingungen anzupassen; das Wasser darf nicht zu schnell und nicht zu langsam weiterfließen. Durch den Einfluss von Sonne und Wind, aber auch durch die Wasserbewegung,
Wir lassen uns den Salzrechen erklärenverdunstet das Wasser in den Becken sehr langsam und dabei erhöht sich der Salzgehalt, der nach dem Einfluss den normalen Salzgehalt des Meeres ausmacht, also etwa 25 g/l. In den letzten, den Erntebecken, beträgt der Salzgehalt dann etwa 280 g/l. Wie alle Bauern sind demnach auch die Salzbauern nahezu komplett von den Wetterbedingungen während der Sommermonate abhängig. Regen ist der natürliche Feind der Salzbauern, weil er das bereits angetrocknete und ausgefällte Salz wieder auflöst. Mit einem langen Holzrechen wird das Salz Ende September und Anfang Oktober geerntet. In manchen schlechten Jahren können die Bauern nur an wenigen Tagen ernten. Je nach Bedingungen, werden zwischen 100 kg und drei Tonnen Salz pro Becken gewonnen. Für alle, die sich nicht nur, wie wir, herumführen und erzählen lassen wollen, was hier wie funktioniert, sondern das köstliche Salz aus Guérande auch so einsetzen wollen, wie es gedacht ist, soll hier nun die kleine Nutzfibel folgen.
Es gibt drei Sorten Meersalz, das grobkörnige graue, das feinkörnige weiße und die Salzblume Fleur de Sel. Das grobkörnige Salz erhält seine Farbe vom Lehm der Erntebecken, aber auch durch seinen hohen Gehalt an Magnesium, Kalzium, Eisen und zahlreichen anderen Spurenelementen. Dieses graue Salz ist der Lastenmuli der Alltagsküche und trägt die Hauptlast der Küche: im Nudelwasser, für alles, was während der Zubereitung gesalzen wird und natürlich ist es Das beste Salz der Weltdie Nummer 1 für alle Salzkrusten. Das Graue aus Guérande ist kraftvoll im Geschmack und hat Power. Das weiße, feinkörnige Salz ist im Gegensatz zu weißen Industriesalzen nicht gemahlen, sondern wird nur nach der Trocknung leicht zermalmt. Es ist im Geschmack distinguierter als das grobe graue und ebenfalls für alle Salzgaben einsetzbar, vor allem auch zum Nachwürzen bei Tisch, was man mit dem grauen eher nicht machen würde. Die Königin des Salzes ist das Fleur de Sel, die Blüte des Salzes, oft auch als Kaviar des Salzes bezeichnet. Es entsteht nur unter den besten Wetterbedingungen als feine, weiße Kruste an der Wasseroberfläche der Erntebecken, bei strahlender Sonne vor allem und bei Ostwindlage. Das ist der Grund, warum auf eine Tonne Salz maximal 60 kg Fleur de Sel kommt. Auch die Ernte des Fleur de Sel erfordert viel Erfahrung und Geschick, sonst versinkt es wieder unter der Oberfläche: zerronnen statt gewonnen. Das alles macht das Fleur de Sel zu einer Delikatesse und bestimmt den Preis, an dem inzwischen viele Salzproduzenten teilhaben wollen und die Köstlichkeit imitieren. Aber wir schwören darauf: Nix geht übers Original. Wer viel Geld ausgeben will, soll es für das Original tun und nicht für wertlose Imitationen wegwerfen. Eine kleine Menge davon am Ende der Garzeit über Fleisch oder Fisch gegeben, über das Foie Gras gestreut oder auf den Salat gezaubert – und der Himmel des Gourmets macht seine Tore weit.
Wir kaufen einen Jahresbedarf graues, weißes und Kaviarsalz, dazu noch ein paar Mitbringsel für Liebhaber zuhause.
Um 15:50 Uhr verlassen wir die Marais Salants von Guérande wieder und schlagen unser Lager nach insgesamt 126 km auf dem Campingplatz Les Chardons Bleus in La Turballe auf (N 47° 19' 33,3'' W 002° 29' 57,4''). Wir kennen diesen Platz bereits von unserer Loire-Fahrt 2014 und wissen um die bevorzugten Plätze, also jene, nahezu direkt am Strand, nur wenige Meter über die Düne et voilà: La mer! Und dem machen wir kurz nach 17 Uhr, nachdem wir uns eingerichtet haben, unsere Aufwartung. Wir finden wieder einen nahezu leeren Strand vor, der nur auf uns gewartet zu haben scheint.
Danach bereiten wir uns ein paar kalte Nudeln mit Tomaten, Mozzarella und Basilikum zu und beschließen den Tag gegen 22 Uhr, als es frisch und ziemlich windig wird; 17 °C sind bei einer Meeresbrise, die über die Dünen streift und nach uns greift, nicht mehr gemütlich.
Fahrtstrecke Quiberon – La Turballe
Dienstag, 5. September 2017
Um 8:30 Uhr treibt der Wind feinsten atlantischen Niesel über La Turballe, bringt dabei aber immerhin 17 °C aufs Thermometer. Der Chauffeur zieht sich seine alarmfarbene Regenjacke über, macht sein Bicyclette klar und kurbelt hinein nach La Turballe. Das sind rund drei Kilometer, die aber sein müssen, weil wir dort eine Bäckerei kennen, die nicht nur unverzichtbar fürs Frühstück ist, sondern auch gaumenelysische Süßigkeiten im Angebot hat. Für den Moment hat der Frühstücksbeauftragte nur die Baguettes, Croissants und Brioches im Sinn, aber auf die Versuchungen des Nachmittags darf er schon mal einen Blick werfen. Und dann geht es eiligst zurück, das empfindsame Backwerk unter die Nieseljacke gesteckt, um sie gegen Verderbnis zu schützen.
Der Strand von La Turballe, verlassenAb 10 Uhr gibt es Frühstück, jetzt schon wieder vor der Tür, weil das Wetter ein Einsehen hat. Mittags registrieren wir schon wieder 20 °C und blauen Himmel, lassen uns allerdings nicht zu unüberlegter Eile verführen, sondern erledigen Hausarbeiten. Dazu gehört der Versuch, das platte Fahrrad der Reiseleiterin wieder in Gang zu setzen, was aber trotz vereinter Kräfte nicht gelingt.
So fahren dann eben nur drei von uns um 14:30 Uhr nach La Turballe. Ein Ziel ist Super-U, das andere der Bäcker. Beim Super-U gibt es neben anderem dringlichen Bedarf Austern und beim Bäcker den Himmel aus Zucker, Schoko, Marzipan und Sahne. Diesen Himmel teilen wir dann, nach unserer Rückkehr, gerecht in vier Teile und stellen zu unserer Zufriedenheit fest, dass auch ein geteilter Himmel ein ganzer Himmel sein kann.
HausmusikDer Tag bringt immer wieder reichlich Wind und Wolken, abwechselnd mit Sonne und Niesel, dabei pendelt das Thermometer stabil um die 19 °C herum. Auch wir halten uns dementsprechend bedeckt. Abends kommt Chili Concarneau auf den Tisch, eine bretonisierte Abart des landläufigen Chili con Carne, die sich vorwiegend auf die Zutaten vom Markt in Concarneau und französischen Kräuter stützt und dem Chili eine fin(i)stere Note verleiht. Noch einmal gibt der Chauffeur ein kleines Hauskonzert, was meist ein untrügliches Zeichen des baldigen Abschieds setzt. Vielleicht ist es ja auch diese Wehmut in den Herzen, die das Publikum an seiner Seite verweilen l
Atlantik, adieuässt; er selbst hofft, dass wenigstens ein Jota Wohlgefallen dazu beiträgt.
Der Atlantik jedenfalls scheint geneigt zu sein, das Touristenpack nun endlich vertreiben zu wollen. Getrieben von seinem Busenfreund, dem Westwind, wirft er sich mit Getöse an den Strand von La Turballe: Der Herbst gehört mir. Auf französisch klingt das noch deutlich selbstbewusster: L'automne c'est moi.
Wir haben verstanden: Morgen reisen wir ab.
Mittwoch, 6. September 2017
Um 8 Uhr ist der Himmel bedeckt, der Wind schiebt Wolken aufs Land, und mehr als 17 °C sind nicht drin, die sich allerdings deutlich frischer anfühlen. Der Campingplatz ist fast leer, wir gehören zu den Letzten, bevor der Les Chardons Bleus, verlassenHerbst La Turballe in die Faust nimmt. Dieses Wetter ist es auch, das diesem Platz, und nicht nur diesem, seinen Stempel aufdrückt. Als wir vor viereinhalb Jahren hier waren, waren die meisten Einrichtungen ziemlich neu und in einem sehr ansprechenden Zustand. Das ist vorbei. Die Sanitäranlagen sind zwar sauber, aber, an unseren Verhältnissen gemessen, um mindestens zwanzig Jahren gealtert. Das Salz und die Feuchtigkeit arbeiten alles auf. Dazu kommt eine gewisse Nonchalance, die man gerne auch mit Wurstigkeit übersetzen darf, wenn die Schäden nicht dem atlantischen Zerfall, sondern den menschlichen Zerstörungswahn zuzuschreiben sind: unsägliche Schnitzereien, geistleere Wandmalereien und Zerstörung, die man allesamt beseitigen könnte und die man dem großen Ozean nicht in die Wellen schieben kann, eher schon der lustlosen Budgetplanung der Kommunen, denn Les Chardons Bleus ist ein kommunaler Campingplatz und von Steuergeldern abhängig. Dass es in dieser Hinsicht in Frankreich vielerorts hapert, kann man daran ermessen, dass die Einrichtungen des Campingplatzes zwar maximal verlebt sind, der Preis sich allerdings fast verdoppelt hat; wir zahlen für die zwei Nächte jedenfalls 58,60 €. So herrlich dieser Platz gelegen ist, so sehr zweifeln wir, dass wir ihn noch einmal anfahren werden, denn es ist nicht zu erkennen, dass diesem Zerfall in Zukunft viel entgegengesetzt werden wird. Die Vorstellung, eventuell zu einer Zeit hier zu sein, wenn man nicht fast allein ist, hält die Vorfreude sehr in Grenzen. Schade.
Heute behalten wir die Klamotten vom Strandspaziergang erst einmal an und nehmen unser letztes Frühstück, dem Atlantik und seiner Rüpelbande trotzend, im Freien ein.
Um 11 Uhr sagen wir La Turballe adieu. Der Himmel ist bedeckt, aber wir messen schon wieder 19 °C.
Was fangen wir mit den verbleibenden Tagen an? Zu Beginn unserer Reise haben wir konstatiert, wir seien nicht auf der Flucht, und das sind wir noch immer nicht, aber unsere Zeit geht zu Ende. Unsere Freunde müssen samstags ihr Mietmobil abgeben und die Reiseleiterin ist ab nächster Woche wieder Lehrerin. Wir schlagen vor, auf dem Rückweg Metz anzufahren, das wir auch schon gesehen haben, und das wir gerne noch einmal sehen würden. Auf dem Weg dorthin schlagen wir einen Stopp in Bracieux vor, das wir von unserer Loire-Fahrt kennen und praktisch am Weg liegt. Auf einen Besuch unseres Sehnsuchtsrestaurants "Le Rendez-Vous des Gourmets" dürfen wir jedoch nicht hoffen, weil heute wieder einmal Mittwoch ist, und da haben die Gourmets ihren Ruhetag. Aber wir erinnern uns ans "Relais d'Artemis", das uns wegen Überfüllung verschlossen blieb, aber nicht aus dem Sinn gegangen war, nicht zuletzt wegen der zauberhaften Concierge, die gar nicht aufhören konnte, ihr "Je suis très désolé, je regrets désolé" zu wiederholen. Heute nehmen wir uns vor zu reservieren und ihr ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
Während wir auf der A 35 immer der Sonne entgegen fahren, ohne sie hinter den Wolken tatsächlich zu finden, Nantes, Angers und Saumur südlich liegen lassend, konferiert die Reiseleiterin telefonisch mit Madame "Très Désolé" in Bracieux und sichert uns einen Tisch für heute Abend. Südlich von Tours schwenken wir auf die D 371 nach Norden, um bei Tours auf die A 10 zu wechseln. Über Blois erreichen wir nach 373 km um 15:45 Uhr Bracieux und den Campingplatz Les Chateaux (N47° 32' 59,9'' E 001° 32' 06,9''). Es ist wolkig und windig bei 21 °C.
Fahrtstrecke La Turballe – Bracieux
Bracieux ist ein verschlafenes Nest und bietet nicht viel, außer einer Reihe nennenswerter Restaurants, was bei einer Einwohnerzahl von knapp 1300 Köpfen durchaus bemerkenswert ist, wohl aber dem Status Bracieuxs als Sprungbrett zu den Loireschlössern geschuldet ist. Dazu gibt es noch eine sehr ambitionierte Chocolaterie (Chocolat Artisan Max Vauché) gleich neben dem Campingplatz und davor ein Denkmal des Musketiers Porthos, dessen Romanvorlage im wahren Leben zwar 1617 in Pau (Gascogne) geboren wurde, aber hier wohl Wurzeln hat, wie sein ganze Name vermuten lässt: Isaac de Portau, Baron du Vallon de Bracieux de Pierrefonds.
Wir statten dem starken und gutmütigen, aber mit eher bescheidenen Geistesgaben versehenen Musketier einen Besuch ab und streifen dann mit den vierbeinigen Damen ein wenig umher, damit ihr Kreislauf wieder auf Touren kommt.
Abschiedsessen beim MusketierUm 20 Uhr schlendern wir die wenigen Meter hinüber zum "Relais d'Artemis" und melden uns bei Madame "Très Désolé", die uns heute glücklich und ohne Bedauern einen Platz zuweisen kann. Wir genießen diesen Abend in vollen Zügen, auch, weil wir wissen, dass es vorerst der letzte sein wird, den wir bei Damastdecken, feinem Porzellan und edlem Glas verbringen werden; morgen in Metz ist Resteessen angesagt. Wir haben an der Küche nichts auszusetzen, obwohl sie das Niveau des "Le 5" in Treguier und des "Le Flaveur" von Concarneau nicht erreicht. Aber das ist Beckmesserei auf ziemlich hohem Niveau. Das Artemis ist allemal eine Reservierung wert.
Um 23:30 Uhr machen wir unter der Obhut des martialischen Porthos die Luken und die Augen zu, zufrieden wie vier satte Babys.
Donnerstag, 7. September 2017
Um 8 Uhr öffnen wir diese Luken wieder. Der Himmel über dem Loiretal scheint über unsere Abreise einigermaßen betrübt zu sein, wie überhaupt alles sehr grau ist heute, bei windstillen 11 °C.
Um 9:45 Uhr brechen wir auf. Nur etwa sieben Kilometer nördlich liegt das grandiose Chateau Chambord von Franz I. aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Unsere Route führt uns direkt am Schloss vorbei, sodass auch unsere Begleiter einen staunenden Blick auf diese architektonische Explosion werfen dürfen, der wir 2014 unsere Aufwertung machten. Weiter geht es kilometerweit durch den Staatsforst nach Mer, wo wir um 10:15 Uhr unsere Tanks bei Super-U füllen. Und dann geht es über die A 19 nach Osten, südlich von Troyes auf die A 26 nach Norden und bei Châlons-en-Champagne auf der A 4 nach Osten, die uns nach 507 Kilometern in Metz, auf dem Camping Municipale abliefert (N 49° 07' 36,3'' E 006° 10' 20'').
Es ist bedeckt bei 20 °C. Und auch unsere Stimmung verfinstert sich. Schon 2015, als wir den ersten und letzten Tag unserer Pfingstreise hier verbrachten, mussten wir uns damit abfinden, dass der Platz in krassem Gegensatz zu seiner charmanten Lage an der Mosel steht. Dieser Eindruck bemächtigt und vertieft sich nun bereits im Vorfeld: Der Stellplatz direkt an der Einfahrt zum Campingplatz ist nicht nur rammelvoll, sondern vor allem abstoßend verdreckt, vermüllt und vernachlässigt. Die Stadt Metz, die der Träger dieser Einrichtung ist, scheint sich nicht für sie verantwortlich zu fühlen. Keine Frage: Hier lagern zwischen all den Campern, denen die Campingplatzgebühr zu hoch ist (14,10 €, plus Hunde, Strom und Wasser = 22,00 €), Obdachlose in Zelten, eingerahmt von ihren Plastiktüten. Eigentlich ist dieser Stellplatz nur für sechs Womos ausgeschrieben, der Rest ist Parkplatz, aber das interessiert hier niemanden und kontrolliert auch niemand. So sieht das hier aus wie ein Heerlager nach einer vernichtenden Niederlage. Passend zum Entree scheint das Empfangspersonal an der Rezeption aus alten DDR-Beständen rekrutiert zu sein. Kaum ein Blick für die Besucher, blicklos vor- und herausgereckte Hände, um Personalpapiere in Empfang zu nehmen und Material herauszureichen, einsilbige Kommunikation hinter Glas. Eine freundliche Geste, ein Lächeln? Vom letzten Moselhochwasser fortgetragen. Wir bekommen zwei Plätze zugeteilt, zwei sehr kleine Plätze, zwei sehr lausige, weil sehr unebene Plätze, die wir mit den Keilen kaum ausgleichen können. Nun gut, der Platz ist voll, aber zur ganzen Wahrheit gehört, dass wir bereits vor vier Wochen hier zwei Plätze reserviert haben! Worüber soll man klagen: Wir haben ja zwei Plätze bekommen. Eher einen. Nun denn, für eine Nacht. Aber für die definitiv allerletzte in diesem Leben.
Letzte Einkäufe in den MarkthallenUm 16 Uhr gehen wir in die Altstadt, besuchen die Kathedrale und die Markthallen, wo wir noch ein bisschen Nachschub für den letzten Abend einkaufen, damit das Abendmahl nicht nur aus kläglichen Resten besteht. Anschließend, weil die Markthallen sonst schon geschlossen gewesen wären, lassen wir unsere Damen etwas an der Mosel auslaufen, brechen aber schnell wieder ab, weil ein Spaziergang auf einer Mülldeponie nicht unsere Sache ist. Da schadet es dann auch nicht, wenn unsere Damen ihren Segen darüber gießen. Man passt sich seiner Umgebung eben an. Das Sein bestimmt bekanntlich das Bewusstsein und in Slums verrohen die Sitten.
Die Camper rund herum scheinen dem Platzniveau entsprechend hier anzulanden: Nirgendwo haben wir so unsympathische Mitcamper erlebt, laut, rechthaberisch, profilneurotisch, jene Art, die man nur aus dem prolligen Klischee-TV zu kennen glaubt. Wie geht so etwas? Wir haben nirgendwo gelesen: Alle Fliegerseide-Camper treffen sich in Metz. Aber sie sind da und wir mittendrin. Und mit uns unsere Wachoffizierinnen, die sich dem Niveau nahtlos anpassen und sich all den distanzlosen Annäherungen prollig und drohend entgegenstellen. Wir können es ihnen nicht übelnehmen, dafür sind sie Wachhunde. Und warum muss einer fünf Meter neben unserer Parzelle mit seinem Schäferhund Unterordnungseinheiten absolvieren? Immer schön vor den Nasen unserer aufgebrachten Damen und immer näher, bis auch wir laut werden und ihm mitteilen, dass er anderswo paradieren soll. Das tut er dann auch, Widerrede gebend, hängt seinen Schäfer dafür anschließend an der ganz langen Leine vor sein Womo, sozusagen in Nahkampfdistanz. Wir erinnern uns an die alte Fernseher-Werbung: Abschied von der Sommerausfahrt"Metz
Und die Gundel blicket stumm um den ganzen Tisch herummechat ich aach". Wir haben genug davon und sind froh, dass wir morgen hier weg kommen. Der einzige Trost ist das umfangreiche Restemahl, gepaart mit den Neueinkäufen, das uns milde stimmt, so milde, dass wir uns nicht einmal mehr darüber aufregen wollen, dass an der Geschirrspüle um 21 Uhr die Beleuchtung Feierabend hat. Und um 22 Uhr bekommt man böse Worte, wenn man die Toiletten aufsucht. Schade, welch ein Platz könnte das in dieser Lage sein! Direkt an der Mosel, wenige Gehminuten von der Altstadt mit all ihren Hinguckern. Aber so...
Um 22:30 Uhr schließen wir das Womo und mit diesem Platz ab.
Freitag, 8. September 2017
Um 8 Uhr hat es in der Hauptstadt Lothringens 14 °C und der Himmel zeigt bedeckte Scham über dieses Aushängeschild einer sonst so sehenswerten Stadt. Wir frühstücken im Freien, stellen fest, dass die Nachbarn dieselben sind und die Stimmung ebenfalls das Niveau gehalten hat, und auch der Hundesportler zeigt wieder, was er kann (weiß nur nicht, dass wir das auch können und sogar besser) in genau dem Abstand, von dem er annimmt, das wir genug sehen, aber nicht genug zu maulen haben. Ja, du hast ja recht: Wir haben genug gesehen.
Wir ver- und entsorgen unsere Wohnmöbel, verabschieden uns von den Freunden, die uns äußerst liebenswerte Begleiter waren und brechen kurz nach 10 Uhr in die Heimat auf. Um 17:25 Uhr stellen wir den Motor vor unserer Haustüre nach 587 km ab. Es ist sonnig im Mangfalltal, und es herzt uns mit 19 °C.
Epilog
Alte und uns bekannte Regionen der Bretagne haben wir auf diesen 4577 Kilometern gesehen, aber vor allem auch neue, solche, die sich touristischer und lärmender geben, als das raue Finistère. Manches hat sich damit erledigt und erfordert keinen Wiederholungstermin, anderes hat Appetit auf mehr gemacht. Zu den ersteren gehört sicher Quimper und Quiberon, zu dem anderen Huelgoat und das rustikale Hinterland.
Eine Reise im Convoy ist nicht jedermanns Sache, vor allem, weil es von den Mitreisenden abhängt. Mit Andrea, Hugo und Gundel würden wir morgen wieder auf Tour gehen, weil uns so viel gemeinsame Interessen, Vorlieben und Abneigungen verbinden, dass miese Stimmung nicht zu erwarten ist. Vielleicht ergibt sich bald wieder eine Gelegenheit, denn eines ist klar und nicht verhandelbar: Wir müssen bald wieder nach Trégier und unsere Anouk besuchen. Und im "Le 5" würden auch die schwäbischen Leckermäuler die Lippen verzückt schürzen.
In diesem Sinne: Au revoir.