2012 - Mit dem Wohnmobil durch die Normandie

Der Bairische Blues in der NormandieKnapp zwei Wochen waren wir und die drei Hovawartdamen Anouk, Franzi und Fianna mit unserem neu erstandenen, aber alten Wohnmobil in der Normandie unterwegs. Wir genossen die Normandie und ihre kulinarischen wie sonstigen Schätze sehr und mit allen Sinnen. Für uns war es die erste lange Reise im Wohnmobil unter den erschwerten Bedingungen, drei Hunde mit an Bord zu haben. Kurzes Fazit: wir bereuen nichts und würden es wieder tun. Falsch, wir werden es wieder tun! Wer Lust hat, mehr zu erfahren, soll sich ein wenig Zeit nehmen und weiterlesen, um unseren Spuren durch die Normandie zu folgen.

 Pfingstsonntag, 27. Mai 2012

Jetzt geht es also erstmals mit unserem neuen Wohnmobil (Hovirollator) auf große Fahrt. Bisher waren es nur Wochenendtrips ohne besondere Herausforderungen, wenn man davon absieht, dass uns in einer kalten Nacht einmal das gesamte Frischwasser weggelaufen und auch mal die Aufbaubatterie wegen Maßlosigkeit leergelutscht war. Jetzt aber geht es in die weite Welt - und die heißt Frankreich, genauer: Normandie.

Um 7:00 Uhr geht es bei bedecktem Himmel los, ein Tief hatte sich unprognostiziert über das Hoch geschoben, was an sich schon die Höhe ist, aber für die Hunde ist es allemal besser als 35° C im Schatten. Wer jetzt meint, wir würden von der A 99 direkt auf die A 8 Richtung Stuttgart und weiter nach Westen einbiegen, kennt die Gewohnheiten des Blues nicht und muss sich leider als Langweiler betiteln lassen: der Blues tickt widerborstig und fährt über die A 9 gen Norden und den ehemaligen Osten, man hat nämlich am Pfingstsonntag in Himmelkron (Oberfranken) mit anderen unausgelasteten, feiertagsflüchtigen Hovawartfunktionären zu tun, um die in zwei Wochen stattfindende Delegiertenversammlung des RZV vorzubesprechen. Ja, warum auch nicht? Schließlich führen fast alle Wege in die Normandie, nur manche sind eben etwas länger. Kurz nach 10 Uhr sind wir ohne verkehrstechnische Gegenwehr (Pfingsten!) in Himmelkron.

Nach der mit gebotenem Ernst absolvierten Besprechung und einem stramm deutschbürgerlichen Mittagessen, brechen wir endlich gegen Westen auf. Aber nicht direkt nach Frankreich, das wäre den drei Damen im Gepäck nicht zuzumuten, sondern fürs Erste ins unterfränkische Völkersleier, wo wir kurz nach 16 Uhr ankommen, um dort auf dem Hundeplatz einerseits Paul Heck ans Herz und später die Augen zu zu drücken. Fianna bekommt eine kleine Schutzdiensteinheit, die sie mit Bravour meistert, Anouk darf sich eines Rentnerinnen-Schutzdienstes neben dem Übungsplatz erfreuen, weil einige Ausstellungswütige auf dem Platz Ringtraining machen wollen, weswegen Anouks Freude kleinteilig ist und die Übungseinheit nur mäßig goutiert wird: Schutzdienst auf der Wiese ist etwas für Babys! Nachdem aber alle gegangen waren und wir den Platz für uns alleine hatten, liegt die weiße Dame mitten auf dem Gelände und stellt unmissverständlich Ansprüche: alles meins! Der Chef schlägt vor, die nächsten zwei Wochen hier zu verbringen, die Hunde hätten nichts dagegen - eisiges Schweigen. Die Nacht ist dann dennoch tiefenentspannt.

 

Pfingstmontag, 28. Mai 2012

Der LMC-Rollator rollt um 7:25 Uhr vom Hundeplatz Völkersleier. Und man muss sagen: obwohl die fränkischen Farben weiß und rot sind, zeigt sich der Himmel zutiefst bayerisch - weiß und blau, wie es sich gehört. Die Chefin des Blues kleckert nicht in ihren Plänen, sondern klotzt, weshalb sie den TomTom mit Mont St. Michel füttert, prognostizierte Ankunft 17:45 Uhr - für PKW-Fahrer, aber bestimmt nicht für Bustouristen. Aber immerhin meldet der Tom auf der ganzen Strecke keinen Stau. Wenn er sich da nur nicht täuscht.

Wir kämpfen uns durch den Spessart, passieren Frankfurt südlich auf der A 3, wechseln am Mönchhof-Dreieck um 9:15 Uhr auf die A 67 Richtung Mainz. Kurz darauf besteigen wir am Rüsselsheimer Dreieck die A 6 in Richtung Bingen. Um 9:30 Uhr sind wir auf der A 63 in Richtung Kaiserslautern, und bei Dannenfels, mitten in der tiefsten Pfalz verlässt uns der Bayerische Rundfunk (gute Laune Oldies auf Bayern 1, passend zum Gute-Laune-Wetter). Nicht schlecht, die Bayern, aber wer ein ausgeprägtes Sendungsbewusstsein hat, braucht auch eine ausgeprägte Senderstärke, die allerdings auch skurrile Ergebnisse liefert, wenn man nämlich tief im Beck-Land erfährt, dass auf der B 20 zwischen Tittmoning und Fridolfing (Chiemgau!) ein großer Hund auf der Straße läuft. Von unseren kann es jedenfalls keine sein.

Um 10:15 Uhr passieren wir Kaiserslautern und fünf Minuten später peilen wir am Kreuz Landstuhl-West Saarbrücken an. Hier ist erstmals Paris ausgeschildert, wir sind also voll im Plan. Um 10:50 Uhr verlassen wir Kramp-Karrenbauer-County, das ehemalige Lafo-Land, das so klein ist, dass man es beim einmaligen Memorierens des Namens der Ministerpräsidentin bereits durchmessen hat. Vor uns liegen noch bescheidene siebeneinhalb Stunden bis zum anvisierten Mont St. Michel, bei makellosem Himmel eher ein Vergnügen denn eine Last. Hoffentlich sehen das unsere drei Begleiterinnen genauso. Anouk meldet bereits erste Bedenken an.

In St. Avold zahlen wir den ersten Straßenbenutzungsbeitrag für unser Wohnmobil: 6,90 €. Um 12:45 Uhr lassen wir auf dem Rastplatz Aire de la Fontaine Olive-Nord unsere blasengefüllten Damen in die Freiheit und machen eine kurze Rast. Ein Wort zu den französischen Rastplätzen (Aires): Fast alle sind penibel sauber, weitläufig angelegt, mit verstreuten Sitzgruppen unter schattenspendenden Bäumen. Die Toilettenanlagen sind fast immer, selbst bei hoher Frequentierung, 24 Stunden in einem Top-Zustand; diese Rastplätze laden zum Verweilen und Rasten wirklich ein, ganz im Gegensatz zu den deutschen Schmuddelplätzen, die höchstens zum Heulen und bestenfalls zum Ausrasten sind. Hier zeigt der schlampige Ce-la-vie-Franzose dem deutschen Dreckmichel, wo der Kärcher hängt und die europäische Kultur ihre Wiege hat. Vive la France! Hier sind wir richtig.

Kurz nachdem wir wieder auf der Autobahn sind, entscheiden wir uns (was heißt da wir? Die Reiseleiterin entscheidet!), doch nicht Mont. St. Michel anzusteuern, weil wir das sicher nicht vor 19 Uhr schaffen würden, und das wäre wirklich eine Tortur für die drei Mädels im Compartement. Wir füttern den TomTom mit den Koordinaten eines Campingplatzes nahe Le Mans, den die Chefin als vielversprechend ausgemacht hat: See, Platz im Wald - also auf nach Sillé-le-Guileaume, Camping de la Forêt, N 47° 12' 33" W 0° 8' 5". Geplante Ankunft ca. 17 Uhr.

Um 14 Uhr zahlen wir bei Meaux, wo der berühmte Brie herkommt, einen Obolus von 33,30 € und sind weiterhin willkommen auf den Straßen der Grand Nation. 20 Minuten später landen wir in der nächsten Péage: 3,30 € - péage, péage, an Land und an la plage. Bon.

Sehr hilfreich sind die englischen Verkehrsmeldungen auf 107,7. Wer sich vorstellt, als Ausländer das Gepludere eines deutschen Verkehrssenders, von einem bayerischen gar nicht zu reden, entschlüsseln zu müssen, der weiß diesen Service selbst dann zu schätzen, wenn das französische Englisch mehrere Übungseinheiten erforderlich macht.

Um 15 Uhr sind wir auf der Périphérique, die uns an Paris vorbei führen soll. Der bisher makellose Himmel verfinstert sich und der Verkehr nimmt deutlich zu; man muss nicht glauben, dass Pfingstmontagnachmittag Paris schläft, im Gegenteil: Paris s'éveille. Inzwischen meldet auch die 107,7 dicken Verkehr in vielen Teilen Frankreichs - die Pfingsturlauber rollen nach Hause. Auf unserer Route südlich an Paris vorbei und in westlicher Richtung wird es zwar immer dichter, aber der Verkehr rollt. Und dann passen wir einen Moment nicht auf, hören nicht auf unseren Tom und sind schon vom rechten Weg ab. Wir müssen einen Schlenker fahren, um über die N 104 wieder auf die A 11 Richtung Nantes zu kommen, und dabei sehen wir beglückt, dass dieser Fauxpas ein Geniestreich war, denn schon ein paar hundert Meter weiter wären wir fest gesteckt. Der Stau hat uns erreicht wie die Flut den säumigen Wattwanderer einholt. So aber rollen wir völlig entspannt über die N 104 und als wir wieder auf die A 11 kommen, ist der Spuk vorüber.

Bei Le Mans verlassen wir die A 11 und biegen auf die A 28 in Richtung Rouen ein, die wir bei Beaumont-sur-Sarthe endgültig verlassen (Péage 29,90 €). Wir nähern uns unserem Ziel. Beaumont-sur-Sarthe ist ein beeindruckend trutziges Städtchen aus dem Mittelalter, das bestimmt einen Stopp wert wäre, aber uns und vor allem unseren Damen reicht es langsam. Da unser Bestimmungsort auf 0° nördlicher Länge und ein paar Zerquetschten in der westlichen Hemisphäre liegt, müssen wir vorher zwingend den Nullmeridian queren. Wir lassen den Navi nicht aus den Augen. Es ist ja schon komisch, was für ein Gedöns die Leute machen, wenn sie über den Äquator schreiten, aber wenn sie den Greenwich überqueren merken sie es meist nicht, dabei ist der Längsnuller keinesfalls bedeutungsloser als der Quernuller. Wir sind also auf der Greenwich-Wacht, um die Querung nicht zu verpassen. Aber es geschieht nichts, es ist als würde der Nuller von unserer Bugwelle vor uns her geschoben. Wir fahren immer etwa 8' östlich des Meridians nach Norden, die Uhr tickt runter, der Navi verkündet uns, dass wir bald da seien, wir biegen in eine staubige und unbefestigte Schotterstraße ein, die kaum breiter ist als unser Rollator, schleichen zwischen ein paar dürren Feldern und noch trockeneren Äckern dahin, und dann meldet der Tom, dass wir unser Ziel erreicht hätten - in the middle of nowhere. Und weit und breit keine Vorboten eines Campingplatzes. Nichts, nur verstaubte französische Agrikultur. Ausnahmsweise zögern wir, dem Tom die Schuld an dieser Irrleitung in die Elektronik zu schieben. Fragende Blicke, sehr fragende Blicke. Vielleicht die falschen Koordinaten eingegeben? Der Verdacht liegt so nahe, dass sogar die von Selbstzweifeln wenig belastete Navigatorin einer Überprüfung ohne Murren stattgibt. Man ahnt das Ergebnis: E für Ost hat sie eingegeben, statt W für West. Wir machen also eine waghalsige Halse mit unserem Womo und folgen den neuen Koordinaten. Heute hätte die Navigatorin mit gültigem Segelschein der Kategorie BR große Chancen gehabt, ihren Ausflugsdampfer auf Grund zu setzen. Also auf ein Neues. Um 17:36 Uhr queren wir den Nullmeridian, befinden uns also jetzt südlich von London, und rollen um 18 Uhr endlich in unseren Hafen, nicht den zuerst angepeilten Campingplatz La Forêt, sondern auf den kurzfristig erwählten Campingplatz Indigo Molières in Sillé-le-Guilleaume (N 48°12'13" W 0°7'39"). Dieser Platz scheint uns großzügiger und luftiger (was sich bald als richtig erweisen sollte).

Der Bairische Blues am Camping Indigo Molières in Sillé-le-Guilleaume Der Bairische Blues am Ziel und fast allein

Hinter uns liegen heute 900 Kilometer und wir sind eigentlich noch immer guter Dinge, nur unsere Damen können nicht mehr liegen und mosern herum. Aber wir sind ja da! Der Platz liegt in einem mächtigen Eichenwald, daneben schimmert ein See in der Spätnachmittagsonne - und der Platz ist leer, gähnend leer. 120 Stellplätze von 100 - 150 m2 und hier stehen zwei Wohnwägen, zwei Zelte und wir. Der Chefrezeptionist versichert uns glaubhaft, dass der Platz über Pfingsten bis auf die letzte Box belegt war. Glücklich ist, wer schlau plant.

Wir machen einen Spaziergang am See entlang, lassen die Hunde zu Wasser und den Abend mit einem kleinen Imbiss und einer Flasche Wein verstreichen, weil die dazugehörige Crèperie geschlossen hat und die am See liegenden Touristenbeizen uns nicht anmachen. Wir plündern unsere Vorräte und machen Bordspaghetti mit nicht viel mehr als Nichts. Diättag in Frankreich. Als wir gegen 22:30 Uhr die Luken unseres Womos schließen, ist es draußen immer noch nicht dunkel. Wir sind ja schließlich auch in dem Reich, in dem bekanntlich die Sonne nicht untergeht...

 

Dienstag, 29. Mai 2012

Der Tag beginnt mit einem Spaziergang um den See, bei dem wir niemandem begegnen, außer ein paar Joggern und Fischern, die vermutlich gestern Abend nicht nach Hause gefunden haben. Jedenfalls scheinen uns die Gestalten bekannt vorzukommen. Wir frühstücken unter Eichen, dann geht es unter die Dusche. Da wird dann schnell klar, dass eine geschickte Urlaubsplanung Gold wert ist. Wie nämlich vier Toiletten und vier Duschen (für Männchen und Weibchen zusammen) dem Ansturm eines Pfingstwochenendes standhalten wollen, ist uns nicht klar (allerdings haben wir uns nicht auf die Suche nach eventuell weiteren Sanitäranlagen gemacht). Wahrscheinlich werden da die ersten bereits morgens um drei Uhr ihre Dusche und Klo reservieren, wie sie das von ihren Strandparzellen auf Mallorca gewohnt sind. Uns berührt das nicht, wir sind quasi allein. Fianna darf noch auf einer dürren, mit Eichenlaub bestückten Wiese ein paar Meter neben dem Womo eine Fährte suchen und macht das ganz hervorragend. Ganz dumm ist die Idee nicht, warum sollte unser Hund nicht zum Trüffelschwein ausgebildet werden? Ist doch allemal besser als ständig auf sinnentleerten Menschenspuren herumzuschnüffeln, die im schlimmsten Fall nach Schwein und Schweiß, aber nie nach Trüffel schnüffeln. Ein Problem ist, soviel haben wir jetzt aber auch schon zur Kenntnis nehmen müssen, dass solche wildromantischen Waldparkplätze beim Urlaub mit Hunden eher eine Sauerei sind: frisch gebadete und mit Eichenlaub panierte Hunde zaubern zwar selbst im Frühling eine herrlich dekadente Stimmung ins Womo, wenn man aber der Herbstdekadenz überdrüssig ist, kriegt man sie nicht mehr los. Es ist schlicht eine Sauerei, wie unser Auto aussieht!

Saint-Céneri le-Gérei Saint-Céneri le-Gérei

Wir putzen also noch, was zu putzen ist, versorgen uns mit Wasser, entsorgen Abwasser und Toilette und machen uns um 11:20 Uhr auf den Weg. Unser Ziel ist heute der Mont St. Michel, wollen aber auf dem Weg dorthin eine kleine Pause in Saint-Céneri le-Gérei machen, einem mittelalterlichen Städtchen, das heute vor allem ein Künstlerort ist. Wir fahren nach Norden. Die Fahrt durch das Pays de la Haute Sarthe bringt uns durch ein historisches Frankreich, viele scheinbar in den Jahrhunderten steckengebliebene Dörfer und Ortschaften und einer Landschaft, in der man sich nicht wundern würde, wenn plötzlich die drei Musketiere hinter einem mächtigen Rhododendron hervor preschten und "Alle für einen und einer für alle" rufen würden. Saint-Céneri le-Gérei selbst ist ein touristischer Ort, der von seinen Künstlern geprägt ist. Heute ist hier nichts los, Nach-Pfingst-Depression sozusagen, nur einige wenige Touristen schlendern durch die Gassen. Selbst jetzt um 12 Uhr haben die Restaurants geschlossen. Hier beginnt das Leben erst wieder mit den Sommerferien. Nach einer halben Stunde machen wir uns wieder auf den Weg zum Heiligen Berg der Franzosen bei makellosen 25° C: Heiliger Michael, wir kommen!

Wir tuckern quer durchs Land: Frankreich wie im Film. Wir haben den Eindruck, dass alle typisch französischen Filme irgendwo hier gedreht wurden und würden uns nicht wundern, wenn plötzlich die Jungs aus dem "Krieg der Knöpfe" barfuß über die Straße rennen und "Lacombe Lucien" um die zermürbten Scheunen schleichen würde. Hier muss man langsam fahren und mit Bedacht, selbst wenn es schneller ginge. In Ducey kaufen wir bei Carrefour ein, um Kühlschrank und Backskisten zu füllen und sind entsetzt, dass man in einem französischen Supermarkt nur abgepackten Käse bekommt und dabei noch weniger Auswahl hat als bei Norma. Aber wir kommen schon nicht zu kurz und bestimmt noch zu unserem kulinarischen Recht.

Der Mont St-Michel in Wolken gehülltDer erste Blick auf den Heiligen Berg

Und dann plötzlich ragt am Horizont der Heilige Berg der Franzosen aus den Wiesen, in Wolken hat er sein Haupt gehüllt, obwohl es sonst weit und breit keine Wolke am Himmel gibt, aber weil alle bedeutenden Berge der Welt ihr Haupt bedeutend verhüllen, verhüllt sich auch der Mont St. Michel. Gespenstisch sieht er aus, wie er plötzlich drohend hinter malmenden Kühen aus der normannischen Erde wächst. Es ist 16:10 Uhr.

Unser Ziel ist Camping du Mont-Saint-Michel, ein Campingplatz, der zum Hotel Vert gehört, welches am Beginn des Dammes liegt, der das Festland mit dem Berg verbindet. Wir folgen den Anweisungen unseres Reiseführers Tom, der allerdings nicht auf dem neuesten Stand zu sein scheint, denn dort, wo wir rechts abbiegen sollen, ist nichts zum Abbiegen und ehe wir uns versehen und zweimal um eine Ecke gebogen und an riesigen, hableeren Parkplätzen vorbei gefahren sind, stehen wir vor einem Parkplatzwächter mit gelber Warnweste, der uns partout nicht geradeaus fahren lassen will, dorthin nämlich, wo wir zurecht das Hotel Vert vermuten, sondern uns nach rechts auf einen weiteren Monsterparkplatz bugsieren will. Wir fragen ihn, ob wir dort geradeaus nicht das Hotel Vert fänden und er meint, dass das richtig sei, man aber einen Zugangscode bräuchte, weil das Hotel in der Sperrzone läge und nur nach Passieren einer Schranke zu erreichen sei. Wir sollten im Hotel anrufen und uns einen Code geben lassen. Unsere Bedenken, dass wir, wenn wir zum Telefonieren auf den Parkplatz führen, dort bezahlen müssten, zerstreute er, weil man sich normalerweise eine halbe Stunde frei dort hinstellen dürfe. Normalerweise! Was ist in einem Touristenmekka schon normal und wie soll man sich einer drohenden Ausplünderung entziehen, wenn sich erst einmal die Schranke eines solchen Parkplatzes hinter einem geschlossen hat. Nein, wir suchen uns einen Fluchtweg aus dieser Touristenfalle und stellen uns in eine kleine Parkbucht, um zu telefonieren. Tatsächlich bekommen wir eine sechsstellige Codenummer und fahren den Parkplatzwächter noch einmal an, teilen ihm triumphierend mit, dass wir eine Nummer hätten und freundlich wie der Franzose aus der Käsewerbung heißt er uns willkommen und lässt uns zur Schranke vorfahren. Nummer eintippen. Nichts passiert. Nochmal Nummer eintippen. Nichts. Und schon kommt er herbei gesprintet und weist uns darauf hin, dass wir am Ende ein V eintippen müssten als Bestätigung, wie beim Geldautomaten, V für valide = gültig. Bingo. Er übernimmt strahlend die Bestätigung für uns und schon öffnet sich das Sesam zum Michaelisberg. Er strahlt, wir strahlen zurück und fahren vors Hotel, bekommen unsere Anweisungen und finden nach ein paar Kurven und etwas Rangieren doch tatsächlich unsere Womo-Box. Auch hier sind die meisten Stellplätze leer (N 48° 36’ 53,40“ W 1°30‘ 31,50“).

Die labyrinthische Zufahrt hat seinen Grund in großangelegten Bauarbeiten rund um den Heiligen Berg. Früher gab es noch direkt am Fuß des Berges einen riesigen Parkplatz. Das ist vorbei. Wegen des 1877 errichteten Dammes zwischen dem Festland und dem Berg, war der kleine Fluss Couesnon nicht mehr in der Lage, die durch die Flut angespülten Sedimente wieder wegzuspülen. Und so verlandete die Fläche zwischen Festland und Berg zusehends. Heute ist dort praktisch ständig Ebbe, was in einem Küstenabschnitt, der mit 12 Metern weltweit mit die höchsten Gezeitenunterschiede hat, schon etwas heißen will. Man entschloss sich also, den Mont St. Michel mitsamt seinem Wattenmeer zu renaturieren, um dem Berg wieder Wasser um die Füße spülen zu lassen. Dazu wird der alte Damm abgerissen, ein neuer mit einer Brücke gebaut und weitere wasserbauliche Maßnahmen getroffen, um dem Couesnon wieder die Möglichkeit zu geben, seinen Aufgaben als Wattreiniger nachzukommen. Dazu musste natürlich auch der alte Riesenparkplatz weg und ein neuer, den, auf den wir umgeleitet werden sollten, wurde gebaut. Die Maßnahmen sind mitten im Gange und sollen bis 2015 abgeschlossen sein. Der logistische Aufwand rund um den Berg ist jedenfalls enorm und wie es hier in Stoßzeiten zugeht, kann man sich denken. Immerhin besuchen jährlich 3,5 Millionen Menschen den Mont St- Michel.

Der Bairische Blues auf der Besucherbrücke des Mont St-MichelAuf der Besucherbrücke des Mont St-Michel

Nachdem wir uns eingerichtet haben, nehmen wir unsere Begleiterinnen an die Leine und machen uns auf den Weg, dem Berg unsere Aufwartung zu machen. Es sind nur wenige Meter vom Campingplatz zum Damm. Die meisten Touristenbusse sind bereits wieder weg und wie überall bisher ist nicht viel los. Nur Japaner, viele Japaner. Auch Franzosen, kaum Deutsche. Die Japaner allerdings bereiten uns viel Freude, erstens weil sie nicht müde werden, uns und unsere Hunde zu fotografieren, sodass schon nach wenigen Minuten ganz Japan mit Bildern von Anouk, Franzi und Fianna versorgt werden kann. Sie sind ganz wild auf uns und lachen und strahlen und knipsen wie Privatschnüffler. Andererseits amüsieren sie uns, weil sie alle gelbe Warnwesten tragen, offensichtlich sind sie von den früheren Erkennungszeichen Schirm und Fähnchen abgekommen und auf gelbe Warnwesten umgestiegen, mit denen auch noch der abtrünnigste Japaner in den nicht mehr vorhandenen Fluten rund um den Berg geortet werden könnte. Mann über Bord! Aber ohne Wasser, aus dem er zu retten wäre, sieht das schon ziemlich ulkig aus. Wir begeben uns im Blitzlichtgewitter auf die neu errichtete Flut- und Aussichtsbrücke und staunen den Berg an. Was bewegt Menschen, ein solches, zugegeben beeindruckendes, Monstrum zu bauen. Benediktiner waren es, die, wie es scheint, eine Vorliebe für Adlernester haben; die auf Bayerns heiligem Berg Andechs sind jedenfalls auch Benediktiner. Ob's ein Zufall ist? Heute sind hier auf dem Michaelisberg keine Benediktiner mehr, heute halten noch ein paar Ordensleute vom Orden "Fraternité Monastique de Jérusalem" die Stellung.

Mont St-Michel, der Heilige Berg der FranzosenMont St-Michel, der Heilige Berg

Der Mont St-Michel im AbendlichtDer Mont St-Michel im Abendlicht

Wir schlendern etwa die Hälfte des Dammes hinüber, kehren dann um, weil wir für heute genug gesehen haben. Morgen wollen wir dem Berg einen Besuch abstatten. Wir bringen die Damen nach Hause, versorgen sie und lassen es uns im Restaurant „Relais du Roy“ gut gehen: ein Vier-Gänge-Menü mit Wein darf es heute zur Feier des Tages schon sein. Noch einmal schauen wir hinüber zum Berg, wie er da nächtlich beleuchtet steht und denken, dass dieses architektonische Husarenstück wirklich jeder einmal gesehen haben müsste. Also, macht euch auf die Socken, auf ein paar Besucher mehr oder weniger kommt es hier nicht an. Und wer geschickt plant wie wir, hat den Berg fast für sich alleine. Worauf wartet ihr?

Den Sundowner am Womo verleiden uns die Stechmücken. Hier, wo es kaum noch bewegtes Wasser, dafür aber jede Menge Alt- und Brackwasser gibt, ist ein Paradies für Stechmücken. Und diese normannischen Kampfstanzen gehören zu den perfidesten Blutsaugern, die wir je erlebt haben: durch den Sitz des Campingstuhls (Gittergewebe), durch die Jeans (!) und auch noch durch die Unterbüx hindurch - direkt in die Pofalte gestanzt, das ist schon von einer geradezu historischen Dreistigkeit. Wenn man jedoch diese Riesensauger sieht, die mindestens dreimal so groß sind wie unsere darbenden Voralpenvampirchen, dann wundert einen nichts mehr; die könnten vermutlich auch einen Benediktiner durch die Kutte hindurch zur Ader lassen. Wir fliehen in unser Womo, machen die Luken dicht und einen Deckel auf diesen Tag.

 

Mittwoch, 30. Mai 2012

Die Chefin ist schon bei Sonnenaufgang mit Fianna unterwegs und sieht sich den Heiligen Berg von dem westlich des Hauptdamms ins Wattenmeer hinauslaufenden Damm an. Der Herr und seine ältlichen Damen belieben derweil noch zu ruhen. Als er mit ihnen zum Morgenspaziergang aufbricht, kommen die anderen beiden gerade zurück und so beschließen wir der Einfachheit halber, noch eine kleine Runde gemeinsam zu machen. Fianna hat also heute Morgen schon gut eindreiviertel Stunden in den Beinen, bevor sie etwas zwischen die Kiefer bekommt. Beim Blues bekommt man auch im Urlaub nichts geschenkt. Aber wir haben mit ihr heute noch mehr vor. Nach dem Frühstück, das ebenso mückenverseucht ist wie der Nightcup (ruhen diese Biester denn nie?), brechen wir mit Fianna zum Berg auf. Die alten Damen lassen wir zuhause, Franzi ist kreuzlahm und Anouk

Fianna als TouristenattraktionZwei Top-Models stehlen dem Berg die Schau

müssen wir mit ihren elf Jahren auch nicht mehr alles zumuten. Aber das junge Landei soll mal eine Lektion in turbulentem Leben bekommen, das Leben besteht aus mehr als Kühen und Fischern in der Mangfall. Wir marschieren hinüber über den Damm, wieder eskortiert von Japanern, die sich auch heute Morgen die Seele aus dem Leib knipsen und strahlen und uns auf den schönen Hund ansprechen. So lernt Fianna, dass alle Japaner wie Parkwächter oder Straßenarbeiter aussehen und eine gelbe Weste tragen. Da sie vermutlich nie nach Japan kommen wird, können wir sie in dem Glauben belassen. Wir steigen die engen Gassen des Berges hoch. Hier wohnen tatsächlich noch echte Menschen, Einheimische, 44 sollen es sein. Wie man das in diesem Trubel überlebt, bleibt ihr Geheimnis. Dabei ist heute gar nichts los, man kann sich frei bewegen, wenn man nicht gerade auf den tollen Hund angesprochen wird, was übrigens nicht nur Japaner, sondern auch französische Bauarbeiter tun. Was hier allerdings abgeht, wenn die Touristen in Divisionsstärke einbrechen, ist in diesen engen Gassen kaum vorstellbar. Zumindest mag man es sich nicht vorstellen. Wir stellen zum wiederholten Male fest, dass wir geradezu eine ideale Reisezeit getroffen haben. Ein Tipp haben wir aber noch: Wer seine Insolvenz beschleunigen möchte, kann in einem der Restaurants seinen Hunger stillen. Mit 18 € für einen Teller Spaghetti kommt er seinem Ziel schneller näher. Die Abtei und die Kirche besuchen wir nicht, weil man dort mit Hund - erwartungsgemäß - nicht hineinkommt. Das ist der Preis für die Sozialisation des Nachwuchses.

Fianna mit Heike im Watt von Mont St-MichelIm Watt von Mont St-Michel

Dafür schlendern wir noch eine halbe Stunde durch das Watt nördlich des Berges, das eigentlich kein Watt mehr ist. Der Sand ist festgetreten, von Schlick, wie man es erwarten würde, nichts mehr zu sehen, nur noch ein paar Wasseradern führen zum Festland, in denen wir Fianna toben lassen. Die oft besungene Gefahr durch die schnell einlaufende Flut ist hier eher Touristenfolklore, die allerdings gepflegt wird. Eine Touristengruppe nach der anderen wird hier ganz wörtlich hinter den Berg geführt, wo sie ihr Gepäck in die Felsen am Fuße des Berges legen und dann auf Anweisung ihres Führers barfuß über den Sand geführt werden. Wattwanderungen macht man barfuß, auch wenn es gar kein Watt mehr gibt. Und alle folgen und stelzen barfuß durch den Sand, gerade so, als ob da oben einst keine Benediktiner, sondern Barfüßer residiert hätten. Wir grinsen uns eins und behalten die Schuhe an. Aber Fianna, wir gestehen es, setzt einen prächtigen Haufen ins Watt, direkt auf den Touristentrampelpfad, wir kratzen verschämt etwas Sand drüber und bedauern ganz unverschämt, dass wir nicht genug Zeit haben abzuwarten, bis ein Ekelschrei vom Erfolg ihrer und unserer Maßnahme kündet.

Gegen 11 Uhr sind wir zurück und bereiten uns für die Weiterreise vor. Wir duschen, ent- und versorgen das Womo und dampfen kurz vor 1 Uhr davon. Den Campingplatz des Hotel Vert können wir wärmstens empfehlen. Im Gegensatz zu der sanitären Schmalspurausstattung von gestern, gibt es hier für rund 40 Stellplätze zwölf Duschen, zwölf Toiletten und fast 20 Waschkabinen, alles ordentlich mit codiertem Zugang für Camper. Für dieses Ambiente haben wir mit unseren Damen zusammen 20 € berappt. Die normannischen Kampfstanzen inklusive.

CWeit aus der Ferne grüßt der Berg

Der Himmel hat sich zugezogen und zeigt sich verschlossen. Ob ihm Fiannas boshaftes Souvenir im Watt missfällt? Wir fahren Richtung Norden, schlängeln uns durch kleine Käffer und Nebenstraßen in Richtung Granville. Es regnet. Die Hoffnung, von hier oben noch einen letzten Blick hinüber auf den Heiligen Berg werfen zu können, bleibt in den Wolken hängen. Und doch: einen Hauch von Mont St. Michel gewährt uns der missgelaunte Himmel dann doch noch zum Abschied, eine Ahnung nur, aber dort drüben ist er. Ob schon eine barfüßige Touristin...?

Wir sind die letzten Tage genug herumgekurvt und nehmen uns deshalb vor, es heute ruhig angehen zu lassen. Knapp 20 Kilometer südlich des Caps de Carterets, querab von der Insel Jersey, lassen wir es gut sein und gehen um 15:45 Uhr auf dem Campingplatz Aux Grands Espaces bei St-Germain-sur-Ay vor Anker (N 49°14‘12“ W 1°38‘27“). Es hat zu regnen aufgehört und bei 19° C gibt es Hoffnung auf einen schönen Abend. Der Chauffeur nimmt seine vorgeschriebene Ruhezeit und legt sich aufs Ohr, die Reiseleiterin dagegen nimmt ihre Kundschaft hinüber ans Meer. Etwa 700 Meter sind es vom Campingplatz, durch ein eingezäuntes Naturschutzgebiet, das aber begangen werden darf, und über die Dünen zum

Fianna, Anouk und Franzi am Strand von St-Germain-sur-AyAm Strand von St-Germain-sur-Ay

großen Meer des Nordens. Für Fianna ist es die erste Begegnung mit einem richtigen Meer, wenn man die Ostsee von Fehmarn außer Acht lässt, aber für die Kleine macht das eh keinen Unterschied, weil man bei beiden kein Ende des Wassers sehen kann. Höchstens der Salzgehalt des Wassers lässt auf mehr Meer schließen. Fianna jedenfalls scheint begeistert und geht die Herausforderung offensiv an, viel unerschrockener jedenfalls als an Ostern noch auf Fehmarn. Anouk ist vom vielen Wachhaben (sie ist schließlich unsere Sicherheitsbeauftragte) noch ganz platt, nimmt ihr geliebtes Meer vergnügt, aber ohne sichtbare Emotionen zur Kenntnis. Franzi, die Lahme, jubelt "Meer" und stürzt sich kreuzlahm und humpelnd kompromisslos in die Fluten, vergisst Frisbee und Bälle, frisst Welle um Welle, taucht ein und unter - und kotzt den halben Ärmelkanal auf dem Rückweg in fünf mächtigen Schüben wieder aus. Sie hat aus ihren Erfahrungen aus der Bretagne nichts gelernt. Aber es ist ihr piepegal - sie lebt nur für diese Augenblicke, wenn das Wasser über ihr zusammenschlägt.

Der Himmel putzt sich tatsächlich noch heraus und spendet uns eine klare Nacht. Wir kochen und speisen draußen vor der Tür und lassen den Tag entspannt ausklingen. Am Ende beschließen wir, morgen hier zu bleiben und eine Fahrpause einzulegen.

 

Donnerstag, 31. Mai 2012

Um 8 Uhr ist der Himmel wieder bezogen bei 16° C. Während der Chauffeur das Geschirr vom Vorabend zum Spülstein trägt und klar Schiff macht, entfesselt die Reiseleiterin ihr Fahrrad und holt Baguette und Croissants. Das Frühstück findet zwar wohlbekleidet, aber dennoch im Freien statt.

Anouk am Strand von St-Germain-sur-AyAnouk am Strand von St-Germain-sur-Ay

Dann geht es wieder hinüber zum Strand und jetzt ist auch Anouk ausgeschlafen und entspannt genug, um, wie gewohnt, Bälle und Frisbee zu jagen. Das Meer ist weit draußen, der Strand in beide Richtungen unendlich und feinster Sand, und für unsere Damen hält das Meer Überreste von Krebsen und Sepias bereit, die ihrem Kalziumhaushalt zugutekommen.

Erst nach fast zwei Stunden sind wir wieder zurück und selbst unsere myelopathische Franzi ist zwar rechtschaffen müde, aber bester Dinge und geschmeidig wie lange nicht. Das Meer, der Strand und der Sand strengen zwar an, sind aber wie ein Jungbrunnen für sie. Den Nachmittag verbringen wir alle dösend, lesend und tiefenentspannt. Wir haben nichts mehr vor, Bewegung brauchen unsere Mädels heute nicht mehr, also bummeln wir dem Ende des Tages entgegen. Nachbarn, die uns dabei stören könnten, gibt es auch auf diesem Campingplatz so gut wie keine. 280 Stellplätze gibt es hier, davon allerdings nur knapp 40 fürs fahrende Volk, der Rest ist von Dauercampern belegt. Und die erholen sich gerade vom Pfingsttrubel.

So ganz ist aber noch nicht Schicht im Schacht, zumindest nicht für den Nachwuchs, der schon wieder herum zappelt. Um halb sechs Uhr darf Fianna eine Fährte suchen. Im mit schütterem und dürrem Gras bestückten Sand kämpft sie sich tapfer voran und lässt keinen Zweifel, dass es ihr vor keiner fährtensportlichen Gemeinheit graust. Wir sind mächtig stolz auf den Zwerg. Franzi weiß nicht recht, ob sie sich auch eine solche sportliche Einlage wünschen oder mit dem süßen Nichtstun zufrieden sein soll. Anouk pflegt solche Zweifel nicht; sie hat sich am Heck des Womos eine tiefe Sandkuhle gebaggert und fläzt darin reglos wie ein paniertes Schnitzel.

Wie so häufig am Meer, klart der Himmel abends wieder auf und so ist er auch jetzt wieder leergefegt, aber 18° C bei einer Zweier-Brise wirkt schon ziemlich frisch im Schatten.

Fürs leibliche Wohl sorgt der Chauffeur; er kreiert aus Bordmitteln flugs Tagliatelle "Aux Grands Espaces" zum höheren Lob dieses Campingplatzes: Speck, Zwiebeln, Knoblauch, Rotwein, ein Schuss Calvados, Hühnerbrühe, Tomatensoße mit ganzen Tomaten, Zucchini, Paprika, Kräuter. Richtig werden die aber nur mit original Gourmet-Berner-Tagliatelle. Im Notfall tun es aber auch andere. Grundsätzlich sollte man aber auch unter fahrenden Bedingungen nicht vor der normativen Kraft des Mangels kuschen, sondern big thinken, schon gar, wenn die Kreation "Aux Grands Espaces" heißt, da wäre die Discounter-Lösung ja geradezu widersinnig.

Und weil wir schon hier oben, im Norden Frankreichs sind, schauen wir uns abends noch den Film "Willkommen bei den Schti's" an. Und dann geht es ab in die Heia.

 

Freitag, 1. Juni 2012

Morgens ist der Himmel wieder total zugeknöpft, aber so zugeknöpft, dass man von Hochnebel auf Meereshöhe reden kann; es ist alles grau und diesig und das bei 15° C.

Wir frühstücken trotzdem im Freien, gehen mit den Mädels wieder durch das Kaninchen- und Schafsparadies des Naturschutzgebiets zum Strand, wobei es Anouk nicht vermeiden kann, sich in einem prächtigen Scheißhaufen zu wälzen. Das beschert ihr ein salzhaltiges Vollbad, das sie sich hätte ersparen können. Aber so kommt die nicht ins Womo! Heute halten wir den Strandaufenthalt deutlich kürzer, spielen nur ein paar Runden und marschieren wieder zurück. Das Womo wird fertig gemacht, alles wieder ordentlich verstaut, die Toilette geleert und dann wird auch noch geduscht. Und ab geht die Post um 11:40 Uhr. Es ist immer noch Grau in Grau und hat gerade mal 18° C. Für die zwei Tage zahlen wir mit Hunden und Vollservice knappe, aber werthaltige 60 €.

Der Bairische Blues am Cap de CarteretAm Cap de Carteret

Wir fahren die Westseite der Halbinsel Cotentin hoch, über Hatainville und hinunter zum Cap de Carteret und stehen um viertel nach zwölf hoch über dem Kap, das uns einen atemberaubenden Anblick bietet: eine wilde, bizarre und grandiose Dünenlandschaft, die sich unter unseren Füßen weit hinaus erstreckt. Aber da draußen ist Ebbe und praktisch kein Meer und unter dem verhangenen Himmel ist sowieso kaum etwas zu sehen. Man muss die Fantasie bemühen, um zu ahnen, welch ein Blick dort hinunter denkbar wäre, bis zur Insel Guernsey müsste man bei klarer Sicht sehen können. Aber so… Wir fahren trotzdem die enge und steile Straße zum Parkplatz hinunter (N 49°23'58.2" W 1°49'14.4") und nehmen die Mädels auf einen kurzen Spaziergang mit in die Dünen. Aber hier unten ist nur Ebbe und nichts, vor allem keine Sicht. Deshalb halten wir uns nicht länger auf und düsen wieder ab.

Wegen der miesen Aussichten verzichten wir auch darauf, die Küste weiter bis zum Cap de la Hague zu fahren, dem nordwestlichsten Zipfel der Halbinsel, dort wo die berühmte atomare Wiederaufbereitungsanlage steht, die uns regelmäßig die Kastoren vor die Haustür rollt. Was kann man dort mehr sehen als hier am Cap de Carteret? Ein Kap ohne Sicht ist bestenfalls ein touristisches Handicap. Wir entscheiden uns, quer durch die Halbinsel zu fahren und St-Vaast-la-Hougue an der Ostseite anzusteuern. Dem Chauffeur fällt schon seit Tagen auf, dass ihn dauernd andere Womo-Fahrer grüßen und fragt die Reiseleiterin, was das soll. Das macht man unter Womo-Fahrern, man grüßt sich eben, bekam er zu hören. Dass Motoradfahrer sich grüßen, ist ihm bekannt, aber dass auch Womo-Fahrer so eine Art neumodisches Soziales Netzwerk darstellen, war ihm neu. Das Problem ist, dass wir entgegen der in den meisten Womo-Reiseführern gegen den Strom fahren. Die fahren nämlich meist vom Nordosten der Normandie, von Etretat, in den Südwesten, also zum Mont St. Michel. Und weil wir gegen den Strom fahren, kommt der Chauffeur aus dem Grüßen gar nicht mehr heraus, fühlt sich bald wie ein Grüßaugust. Was ihn aber heute geradezu entsetzt und ihm in die Glieder fährt, ist, dass er sich ertappt, solche Womo-Fiaker, die nicht grüßen, schon im Stillen als arrogante Stinkstiefel zu beschimpfen, die es nicht nötig halten, auch nur für einen Augenblick die Hand vom Steuer zu nehmen und ein Klubmitglied zu grüßen. So schnell geht so was! Willkommen im Klub…

Um 13 Uhr machen wir einen Tank- und Versorgungsstopp bei Super U, tanken für sagenhafte 1.36,9 € und decken uns mit Austern, Jakobsmuscheln und Crevetten ein - heute gibt es ein Festessen, so viel steht schon mal fest.

Das Klima ändert sich und der Charakter der Landschaft und der Ortschaften ebenfalls: es wird milder, Kalla blühen überall in den Gärten, gelegentlich sieht man Palmen an den Straßen stehen, der Golfstrom wirkt sich hier mächtig aus. Aber auch die Ortschaften werden englischer, die normannischen Steinhäuser tragen nun jede Menge Schornsteine wie in England. Und als wir das Radio anmachen, haben wir plötzlich und ohne Vorwarnung BBC Radio 2 im Lautsprecher.

Austernbänke von St-Vaast-la-Hougue Austernbänke

Um 14:30 Uhr haben wir die Ostküste von Cotentin erreicht und machen im Hafen von St-Vaast-la-Hougue fest. Die Mädels lassen wir im Auto und machen einen kleinen Hafenrundgang. Im Moment ist hier so viel Ebbe, wie nur sein kann. Weit hinaus liegen die Austernbänke vor dem Hafen und die Fischer ernten sie mit ihren Traktoren ab. Irgendwie strange: da wo sonst nichts als Wasser ist, fahren Traktoren herum. Aber wir kennen dieses seltsame Gefühl von unserem Segeltörn über die Kanalinseln vor vielen Jahren. Hier ist alles anders. Bei einem Gezeitenunterschied von über acht Metern legt man sein Schiff eben mal schnell auf einen Absatz der Kaimauer und reinigt das Unterschiff, ohne kranen zu müssen, sechs Stunden lang bis die nächste Flut da ist. Irgendwie kommt uns das alles vertraut vor und doch fühlt man das Kribbeln, das das Meer seinen Freund beschert.

Veteranentreffen in St-Vaast-la-HougueAlte Kameraden

Aber noch etwas ist strange hier im Hafen von St-Vaast: hier treiben sich jede Menge Soldaten herum, junge und alte, anscheinend aus großer Zeit hier angeschwemmt. Viele sprechen französisch, stecken aber in alten englischen oder amerikanischen Uniformen; dafür wäre man in den großen Zeiten, die diese hier offenbar auferstehen lassen, glatt standrechtlich erschossen worden. Oder dreht man hier einen Film? Aber von einem Filmteam mit der entsprechenden Ausrüstung ist weit und breit nichts zu sehen. Jeeps stehen da am Hafenbecken mit den bei den Amerikanern üblichen Riesenantenne, Kübelwagen, in denen martialisch aussehende Jungs mit putzigen Püppchen sitzen. Sogar ein kleiner leichter Panzer reiht sich ins Waffenarsenal. Hat hier etwa ein Klub von spätpubertierenden Nachwuchsveterananen sein Jahrestreffen? Wir bleiben ratlos, schleichen naseweis um den Kriegskram und fahren so ratlos weiter, wie wir angekommen sind.

Big Jim am Kirchturm von Ste-Mère-EgliseBig Jim am Kirchturm

Unser nächstes Ziel ist Big Jim in Sainte-Mère-Eglise, einige Kilometer im Landesinneren. Dieser Jim hieß im richtigen Leben nicht Jim, sondern John und mit Nachnamen Steele und war Fallschirmspringer der 82. US-Luftlandedivision. Zur Vorbereitung der alliierten Invasion war er in der Nacht des 6. Juni 1944 mit seinen Kameraden hinter den deutschem Linien abgesprungen und am Kirchturm des Fleckens Sainte-Mère-Eglise zusammen mit einem anderen Kameraden hängen geblieben. Dort hing er dann an seinem Fallschirm, während unter ihm der Kirchplatz heftig umkämpft wurde und ein Blutbad stattfand und über ihm ohne Unterlass die Kirchenglocken dröhnten. Erst Stunden später konnte er aus seiner misslichen Lage befreit werden. Ein Denkmal wurde seinem Missgeschick im Invasions-Film „Der längste Tag“ gesetzt. Heute hängt statt seiner eine Puppe am romanischen Kirchturm von Sainte-Mére Eglise, die dem 1500-Seelen-Örtchen einen Touristenstrom beschert wie das Papstgeburtshaus dem oberbayerischen Marktl am Inn.

Kriegsspiele in Ste-Mère-EgliseNeue Helden auf alten Spuren

Wir haben hier den Eindruck, in einen alliierten Truppenaufmarsch geraten zu sein – nichts als Uniformierte hier, Amis, Engländer, Kanadier, alle in historischen Uniformen und manche wirkten wie gerade von der Leinwand des „Längsten Tages“ gehüpft. An Nachschub fehlt es dem geneigten Militaristen auch nicht, weil der ganze Ort ein einziger Militarialaden ist, wo man von zig D-Day-T-Shirt-Varianten über alle denkbaren Uniformen bis hin zur kleinen Handfeuerwaffe alles kaufen kann, um sich unauffällig unter das Invasionsvolk mischen zu können. Was allerdings auffällt ist, dass bei dieser Kriegskomödie keiner den Hitler oder Göring geben will. Eigentlich sind doch die großen Loser und Bösewichte gern genommene Rollen und so eine göringsche Operettenuniform macht doch auch dann recht viel her, wenn man keinen Morphinistenranzen vor sich her schiebt.

Wir haben genug der metallischen Luft geatmet und fahren wieder zurück an die Küste, um einen Campingplatz am geschichtsträchtigen Utah-Beach aufzusuchen, wo am D-Day Einheiten des 8.

D-Day-Darsteller in voller MonturOld McDonald hab Erbarm'

Häuserkampf im FriedenHäuserkampf im Frieden

amerikanischen Infanterieregiments an Land gegangen waren. Schon der Weg zur Küste belehrt uns allerdings eines Besseren und macht uns deutlich, dass wir in diesen Tagen den Kriegsclowns wohl nicht mehr entkommen werden. Da marschieren kleine Kampftrupps in Sturmausrüstung die Straßen entlang, meist junge Leute, die so aussehen als wäre ihr längster Marsch bisher der vom Auto zur McDonalds-Theke gewesen. Um kurz vor 17 Uhr haben wir dann das Feldlager Camping Utah Beach (N 49°25‘12,1“ W 1°10‘49,6“) erreicht und einen Platz belegt. Wir sind so ziemlich die einzigen, die nicht in einem Militärzelt leben oder mit Jeep und Kübelwagen angereist sind. Die Koordinaten werden den Jagdbombern helfen, uns zu orten. Die kampflüsternen Jungspunde stelzen herum, als ob sie kurz vor dem Einsatz wären, kochen sich Süppchen auf Esbit-Kochern und tragen ausnahmslos dunkle Fliegerbrillen. Besonders entzückend sind die schon etwas in die Jahre gekommenen Damen, die sich mit makellos gebügeltem Uniformkostüm und schräg sitzendem Schiffchen – natürlich ebenso mit Sonnenbrille - von einem ebenso distinguiertem Herren, meist mit englischem Oberlippenbärtchen, im Jeep durchs Lager karriolen lassen, Haltung ranghoch und mit Hochmut im Upper-Class-Blick. Dabei haben sie vermutlich nur die etwas ältlichen Generalshuren zu spielen. Was soll‘s, anderswo muss man für so viel Mummenschanz viel Geld bezahlen, wir sind hier für den Tagessatz eines Campingplatzes Teil des Geschehens.

Franzi, Anouk und Fianna am Utah BeachLebenslust Utah Beach, Teil 1

Meeresfrüchte am Utah BeachLebenslust am Utah Beach, Teil 2

Erst mal gehen wir mit unseren Mädels über die Straße hinüber zum feinen Utah-Strand und lassen sie in den sanften Wellen toben, wo einst die Amerikaner ihr Blut in den Sand ergossen. Danach zeigen wir dem Kriegernachwuchs, der hier vorwiegend von Süppchen aus Feldgeschirr lebt, was ein bajuwarisch-frankophiles Festmenü ist. Wir zaubern bei angenehmen 25° C Austern auf den Campingtisch, in Olivenöl gebratene Crevetten rosé, Salat mit gebratenen Jakobsmuscheln, Meeresfrüchtesalat und dazu Baguette und Rotwein. Ein Festessen mitten im schmierigen Kriegsgetümmel - schon ein bisschen verschmockt.

Der Abend am geschäftigen Utah Beach wird dann ziemlich chilly, Tau legt sich auf die müden Krieger und uns. Um 23 Uhr machen wir die Heizung an, die Schotten dicht und ziehen die Decken über die Köpfe.

 

Samstag, 2. Juni 2012

Wir lassen den Morgen auf uns warten und stehen der Welt erst ab 9 Uhr zur Verfügung. Die Krieger sind weg, die Zelte sind verlassen, irgendwo da draußen spielen die da D-Day. Nur ein Belgier in Camouflage-Hose putzt sich mit nacktem Oberkörper und Erkennungsmarke um den Hals die Zähne im Duschraum. Hat wohl seinen Einsatz verpasst, der Belgier, oder seine Einheit verloren. Aber schön ist es schon, wenn einem mitten im Krieg für die Körperpflege eine blitzsaubere Sanitäranlage zur Verfügung steht. Wollen wir mal hoffen, dass er den Abend nicht in einer Sanitätsanlage verbringen muss. Um 10 Uhr lassen wir die vierbeinigen Damen nochmal zu Wasser, müssen uns aber etwas sputen, weil wir bis 12 Uhr das Feldlager verlassen haben müssen. Eigentlich gefällt es uns hier mitten im Krieg inzwischen so gut, dass wir gerne noch einen Tag drauf gesattelt hätten, aber die nette Dame an der Rezeption (Zivilistin) beschied uns: nous sommes fully booked. Im Krieg sind die Plätze für Zivilisten dünn gesät. Ja dann machen wir uns eben auf den Weg und hoffen dass auch in Zukunft Kriege nur an Wochenenden geführt werden und die Kämpfer dabei genug Zeit haben, sich die Zähne zu putzen. Wir zahlen nur 14 € für diesen in Friedenszeiten bestimmt besonders empfehlenswerten Campingplatz.

Um 12 Uhr rollen wir pünktlich aus dem Lager und über die Route de Voie de la Liberté nach Isigny-sur Mer. Hier muss man stoppen, wenn man in der Gegend ist. Hier gibt es im Gegensatz zu den Kriegern und deren ollen Kamellen richtige, echte und vor allem sensationelle Karamellen. Vor allem die mit gesalzener Butter sind unvergleichlich (Danke für den Tipp!). Wir decken uns ein, kaufen auf dem Markt noch ein wenig Obst und verschiedene Salamis und sind gegen 13 Uhr wieder weg.

Wir haben heute keine große Reise mehr vor, wir wollen lieber bummeln. Gegen 13:30 Uhr stehen wir vor der verschlossenen Schranke des Campingplatzes du Joncal  in Grandcamp-Maisy; natürlich, die Franzosen brauchen ihren Mittagsschlaf! Gerade als wir umkehren und weiterfahren wollen, klopft der Hausherr an die Scheibe und heißt uns willkommen, wenn wir ein paar Minuten warten wollten, bis seine Frau mit dem Schlüssel für die Schranke käme. Wollen wir. So ist das also hier: Er hockt in der Kneipe und lauert auf Kundschaft und sie pflegt zuhause ihren Teint bei geschlossenen Augen (oder was immer sie da macht). Gute fünf Minuten später kommt sie daher geradelt, öffnet das Sesam, lässt uns mit den besten Wünschen und dem Wunsch, uns nicht vor halb drei anzumelden, ein. Wenn wir uns direkt ans Meer stellen wollten, ganz hinten, da

Camping du Joncal in Grandcamp-MaisyLogenplatz

oben, seien die Logenplätze. Und dann stehen wir direkt über dem Meer, vier Meter von der Abrisskante, fünf Meter über dem Meer (N 49°23'22" W 1°03'08"). Blöd nur, dass das Meer gerade ausgegangen ist, schlafen vielleicht, wie die Hausherrin. Da unten ist nichts als Steine, Sand und Tang. Aber was für ein Platz! Zimmer mit grandioser Aussicht: links, im Westen, ein paar zerschossene Bunker, rechterhand der Hafen von Grandcamp-Maisy, dahinter, schon zum Greifen nahe, der Felsen Pointe du Hoc, der die westliche Grenze der berühmten und berüchtigten Omaha Beach markiert. Es riecht es, nein, stinkt es nach Fisch und Muscheln, nach Tang und Salz und Schlick. Das hier ist für den Freund des Meeres eigentlich unbezahlbar. Nur wenn das Meer aufmüpfig wird, sollte man sich schnell satt gesehen haben und die Fliege machen, dann wird es ungemütlich. Nicht umsonst hängen hier überall Evakuierungspläne. Jetzt ist das Meer fort und es lässt auch nichts darauf schließen, dass heute noch irgendetwas in der Wettertüte ist. Nur der Wind ist hier sehr rege, der Wind, das himmlische Kind. Fürs T-Shirt ist das hier nichts mehr. Erst einmal verbummeln wir den Nachmittag, legen uns aufs Ohr, lesen und hören den Handwerksarbeiten des Windes an unserem Wohnmobil zu.

Bunkeranlage von Grandcamp-MaisyBunkeranlage am Strand

Um 17 Uhr steigen wir mit unseren Damen die Felsen ins Watt hinunter, spielen, kneippen und bestaunen mit gebührendem Schauder die Schusswunden der meterdicken Bunkerwände; wer da drin saß, brauchte nach dem Beschuss einen Psychologen. Es beginnt zu regnen und das Wasser läuft mit erstaunlichem Tempo auf, nicht wegen des Regens, sondern weil die Flut herein kommt. Am 4. Juni ist Vollmond, da ist dann Springtide, also darf man schon heute mit ziemlich viel Wasser rechnen. Auch wenn man weiß, dass die Flut sehr schnell kommt und unvorsichtige Wattwanderer das schon mit ihrem Leben bezahlen mussten, ist man doch fasziniert, wie schnell es geht. Gerade noch lagen diese Steinbrocken mit trockenen Füßen im Watt, schon steht ihnen das Wasser bis zum Hals. Wir müssen uns keine Gedanken machen, wir tummeln uns nur wenige Meter vom rettenden Steilufer entfernt, sodass schon ein Tsunami kommen müsste, um uns eine Meeresbestattung zu bescheren. Viel unheimlicher sind die ständig im Tiefflug über die Küste patrouillierenden Truppentransporter aus großer Zeit; hinüber zur Omaha Beach verschwinden sie, hinter Pointe du Hoc und ziehen schon wenige Minuten später wieder über unsere Köpfe hinweg gen Westen. Wer weiß, vielleicht bieten die Kleinkriegskünstler doch noch ein paar Jagdbomber auf, die wieder einmal ein kleines Übungsfeuer auf unsere Bunker heraushauen. Oder Landungsboote! Die fehlen wirklich noch, um den Kriegskitsch zu komplettieren. Wir lassen die Flut steigen und steigen selbst wieder zu unserem Womo hinauf. Das hier ist alles ziemlich irreal – aber auch bizarr schön.

Flut am Strand von Grandcamp-MaisyFlut bis an die Füße

Um 19 Uhr ist die Flut dann bis an den steinigen Felsabriss aufgelaufen, unter uns ist kein Zentimeter Strand mehr zu sehen: mehr Meer geht jetzt kaum noch. Nur höher kann es noch steigen. Wir gehen essen, hinüber zum Hafen und ins Restaurant „La Belle Marinière“. Drei sehr schmackhafte und maritime Gänge lassen wir uns von der schönen Schifferin servieren und sind hinterher mehr als zufrieden.

Zurück bei unserem Rolling Home ist die Flut tatsächlich noch weiter die Felsen hinauf gekrochen, grollt dumpf und drohend, rumort und rüttelt am Fundament unseres Daseins. Manche Freunde machen es einem nicht leicht. Wir setzen uns auf die Felsen und träumen hinaus in die violette Nacht – und ganz drüben im Westen, über Utah Beach, brennen die feierfreudigen Krieger ein Feuerwerk ab. Es ist, als müsste man sein Herz in die Fluten werfen.

 

Sonntag, 3. Juni 2012

Die ganze Nacht schüttelte der Wind, das himmlische Kind, unseren Schlaf durch und sang sein eintöniges Lied über der anklatschenden Brandung. Das Meer hat den Strand noch nicht frei gegeben, also entfällt der Morgenspaziergang mit Krabbenfrühstück. Es muss auch ein Spaziergang oben auf dem Damm tun. Auch das gemütliche Frühstück vor dem Wohnmobil fällt dem windigen Gesellen zum Opfer, der kaum gezögert hätte, uns die Marmelade vom Baguette zu pusten. Es wird also ein kurzes Müslifrühstück im Womo.

Bei leichtem Regen und ordentlichem Wind verlassen wir den Campingplatz von Grandcamp-Maisy, den wir den Seeromantikern sehr ans Herz legen können, zumal es auch in Fußdistanz nette Restaurants für das leibliche Wohl gibt. Die sanitären Anlagen sind ohne Beanstandungen und die Hausherren sowieso. Sogar ein Kastenwagen mit Backwaren zieht morgens seine Kreise durch den Campingplatz. Was will man mehr? Wir bezahlen dafür 23 €.

Unser Ziel ist fürs erste der deutsche Soldatenfriedhof in La Cambe, acht Kilometer im Landesinneren. Über 22 000 deutsche Soldaten haben dort ihre letzte Ruhe gefunden. Außer uns sind hier nur noch zwei deutsche Autos zu sehen, dafür scheint der Ort viele Belgier anzuziehen. Vor allem aber fällt auf, dass hier keine Kriegskarnevalisten herumturnen – keine Uniform, kein Kübelwagen, und das ist gut so. Die Gegend hat schon genug Stiefel gesehen und schneidige Kommandos gehört, das Ergebnis können wir in einem der beeindruckendsten Soldatenfriedhöfe, die wir je

Der deutsche Soldatenfriedhof La Cambe22 000 mahnen zur Besinnung

gesehen haben, besichtigen. Dieser Friedhof brilliert nicht mit einem Meer von weißen Kreuzen, denen immer der Versuch anhaftet, den dort Ruhenden einen Anschein von Unschuld zu verpassen, ähnlich den Kindergräbern mit ihren weißen Kreuzen. Unschuldig waren viele von diesen hier nicht, getrieben vielleicht, verführt und verhetzt viele, verheizt und geopfert, das sicher. Aber unschuldig? Die in den Boden gelassenen Grabsteine sind nicht weniger eindrucksvoll als weiße Kreuze und vermitteln durch die unverstellte Weite die diesem Ort gemäße Ruhe. Wir sprechen nicht. Es spricht auch sonst niemand hier. Sprechen tun allerdings die Bilder und Zeugnisse im angeschlossenen Dokumentationszentrum, die sprechen jedoch so eindringlich, dass es in diesen Räumen noch stiller zu sein scheint als draußen auf dem Gräberfeld der Ehre.

Man kann sich in dieser Weltgegend der gestalterischen Kraft der Geschichte nicht entziehen, hier ist alles durchweht und durchdrungen von den formenden Kräften jenes Juni 1944. Die Welt, wie wir sie heute kennen, und die meisten von uns kennen keine andere, ist ein Ergebnis dieser alliierten Landung am 6. Juni 1944. Man kann sich ja in einem längeren Gedankenspiel eine Welt ohne jene Invasion ausmalen. Versuche sind viele unternommen worden, Ergebnisse bleiben Phantasiegebilde. Was wir heute sind und was unsere Welt ausmacht, ist die Wirklichkeit, die vor fast 70 Jahren hier geschaffen wurde. Und diese Wirklichkeit wurde teuer bezahlt. Die 22 000 Tote von La Cambe waren so gesehen nicht viel mehr als eine Anzahlung.

Pointe du HocPointe du Hoc

Unser nächstes Ziel liegt wieder an der Küste, es ist der Pointe du Hoc, den wir schon vom Campingplatz aus gesehen haben. Hier pulverisierte ein amerikanisches Ranger-Batallion die deutschen Stellungen. Wer diesen Felsen besichtigt, bekommt eine Ahnung vom Furor jener Tage. Zwischen unzähligen und metertiefen Bombenkratern liegen die zerschossenen Stellungen und Kasematten der deutschen Verteidiger. Hier ist zwar alles mit Ginster und dürrem Gestrüpp überwachsen, aber Gras ist über diesen grasigen Felsen längst nicht gewachsen. Wenn wir gestern den Eindruck hatten, dass die Verteidiger in unseren Bunkern bei Grandcamp-Maisy nach dem Feindfeuer einen Psychologen brauchten, beschleicht uns bei diesen Bildern die Ahnung, dass für die armen Hunde in diesem Betongräbern, sofern sie sie wieder verlassen konnten, der Begriff Posttraumatisches Belastungssyndrom und die mitfühlenden Worte eines Kriseninterventionsteams wie Spott und Hohn geklungen haben mussten (wenn es so etwa schon gegeben hätte). Wer hier überlebte war hinterher ein Psychopath. Der Chronist kann von solchen Psychopathen als Lehrer noch eintönige Lieder singen. Wer sich ein Bild von der Hölle machen möchte, muss nicht Dantes Inferno lesen, sondern nur einen Ausflug zum Pointe du Hoc machen.

Die Kraterlandschaft von Pointe de HocDer Bairischer Blues am Pointe du Hoc

Im Gegensatz zum deutschen Soldatenfriedhof ist hier viel Betrieb, Familien mit ihren Kindern schlendern zwischen den Kratern hindurch und steigen in sie hinunter, Fahrradtouristen und in amerikanischen Uniformen steckende Franzosen und Engländer, die sich an den Schlachtreliefs anschauen, wo sie landen müssten, wenn sie landen müssten und daraufhin vermutlich Null Bock auf eine Landung haben dürften. Immerhin. Aber auch englische Schulklassen sind hier, die eine Geschichtslektion in Form einer Schnitzeljagd bekommen. Ob‘s hilft? Wenn man die groß gewordenen und kriegspielenden Kinder in ihren Uniformen sieht, scheint der langfristige Erfolg solcher Maßnahmen überschaubar. Aber besser als Schweigen ist es allemal. Und vielleicht könnte auch eine deutsche Klassenfahrt einmal hierher führen und nicht in den Berliner Reichstag oder ins ewige Rom. Für diejenigen, denen hier das Mark aus dem Bein geschossen wurde, ist der Pointe du Hoc das ewige Rom. Oder eben Dantes Inferno. So eng liegen die Dinge zusammen, wenn es sehr eng wird.

Omaha BeachTraumstrand mit blutiger Geschichte

Gegen halb ein Uhr geht es weiter. Unser nächstes Ziel liegt nur 13 Kilometer weiter im Landesinneren: Colville-sur-Mer. Hier haben die Amerikaner ihren Soldatenfriedhof errichtet, auf dem nicht nur die bei der Invasion getöteten Amerikaner liegen, sondern auch viele später während der gesamten Operation Overlord Getötete. Über 9000 Gräber bezeugen den Blutzoll, den auch die Amerikaner zu bezahlen hatten. In diesem Abschnitt des Omaha Beach und seinem Hinterland fanden die verbissensten und verlustreichsten Kämpfe statt. Erst gegen 20 Uhr des 6. Juni hatten die Amerikaner die deutschen Verteidiger niedergerungen und konnten sich festsetzen. Auf diesem Soldatenfriedhof dürfen wir wieder auf das bekannte Meer von weißen Kreuzen blicken, das sofort Erich Kästners Gedicht „Brief an meinen Sohn“ in Erinnerung ruft, einen Sohn, der allerdings erst noch geboren werden muss. Diesen Sohn bereitet er auf dessen Leben vor und schreibt ihm unter anderem:

IAmerikanischer Soldatenfriedhof Omaha Beachch will mit dir nach Vaux und Ypern reisen
und auf das Meer von weißen Kreuzen blicken.
Ich werde still sein und dir nichts beweisen.
Doch wenn du weinen wirst, mein Kind, dann will ich nicken.

Und zum Schluss schreibt er ihm ins Stammbuch:

Wenn du trotzdem ein Mensch wirst wie die meisten,
all dem, was ich dich schauen ließ, zum Hohn,
ein Kerl wie alle, über einen Leisten,
dann wirst du nie, was du sein sollst: mein Sohn!

englische Jugendgruppe exerziert vor dem amerikanischen SoldatenfriedhofNachwuchsarbeit auf historischem Boden

Wenn man das Meer von weißen Kreuzen hier überfliegt und die Grabsteine von La Cambe und all die anderen auf der Welt, dann bleibt nur der traurige Schluss, dass dieser ungeborene Sohn der einzige war, der jemals einen solchen Brief erhalten hat. Die ständig über dem Friedhof patrouillierenden Truppentransporter und die draußen auf dem Parkplatz exerzierenden englischen Jugendlichen geben die hier Ruhenden der Lächerlichkeit preis. Die Geschmacklosigkeit der Nimmerbelehrbaren kann man fotografieren, aber helfen tut es nichts.

Allerdings sehen wir hier auch die einzigen echten Veteranen auf unserer ganzen D-Day-Tour, steinalte und wackelige Engländer ohne Zähne und mit viel Lametta an der Brust. Beim Pinkeln müssen sie sich mit einer Hand an der Wand abstützen, dass sie nicht umfallen. Ob es vom Alter kommt oder ihnen in dieser Umgebung noch immer die Knie weich werden, fragen wir sie nicht. Aber sie sind die einzigen Uniformierten, die ein Recht haben, hier Uniform und Stolz im Blick zu tragen.

Am Ende einer solchen D-Day-Tour ist man emotional völlig entwurzelt und fühlt sich wie in einer Schneekugel eingeschlossen, die dauernd irgendein Vollidiot schüttelt. Uns reicht es. Wir haben genug vom Waffengeklirr – und landen wie in einem Hamsterrad treidelnd prompt im nächsten Waffengang. Der liegt zwar schon ein paar Generationen weiter im verklärten Licht der Geschichte, aber ein Wellness-Urlaub war auch dieser nicht. Wir fahren nach Bayeux, um uns den unvergleichlichen Teppich von Bayeux anzusehen, der die Schlacht Wilhelms des Eroberers und deren Hintergründe im Jahr 1066 darstellt. Dieser Teppich ist tatsächlich ein Wunder und verdient entsprechende Bewunderung. Wer jemals in diese Gegend kommt, muss ihn sehen. Wir können hier nur auf unseren schlauen Freund Wiki verweisen, um einen Eindruck von diesem einzigartigen Kunstwerk zu bekommen: Ein Muss dieser 70 Meter lange Tuchstreifen!

Ein Muss war auch unser Spaziergang durch Bayeux zu diesem Teppich (dem wir dadurch die angemessene Ehre erwiesen), weil an diesem Sonntag ein Radrennen in der Stadt läuft und somit die Zufahrt zur Innenstadt gesperrt ist. Das fügt sich aber dennoch ganz prächtig, denn das flinke Müslifrühstück hatte doch inzwischen ein beachtliches Loch in unseren Bäuchen hinterlassen, sodass wir uns am Start/Ziel eine Bratwurst im Baguette kaufen und ein kleines Bier dazu. Die Bratwurst ist sensationell (da müssen sich sogar die echten Thüringer mächtig strecken), aber vor allem die Baguette-Bemäntelung mit eingestrichenem Supersenf schickt die deutsche Begleitsemmel, die einen zwingt erst zwei Drittel der Wurst zu essen, bevor man an sie herankommt, in die Büßerecke. Warum nicht ein ordentliches Baguette, das die Wurst an beiden Enden noch um ein paar Zentimeter überragt und den Esser am Ende ohne Fettfinger zu seinem Tagewerk übergehen lässt? Bayeux ist ein recht zauberhaftes Städtchen (13 000 Einwohner), das uns wegen seiner bis an den Fluss Aure gebauten alten Häuser ein wenig an Brügge erinnert. Und sie hat eine romanische Kathedrale, die ebenfalls einen Besuch wert ist. Trotz des kriegerischen Teppichs verlassen wir Bayeux deutlich beschwingter und mit Wohlgefühl im Bauch als wir es betreten hatten.

Hafenreste am Gold BeachHafenreste am Gold Beach

Wir fahren wieder in Richtung Küste nach Arromanches-les-Bains, vorbei am Gold Beach, wo einst die Briten landeten und bei 400 Gefallenen bis zum Abend 25 000 Mann an Land setzten. Vor der Küste sieht man noch die Betonreste der Wellenbrecher liegen, die einen künstlich angelegten Hafen schützen sollten. Dafür hatte man extra 500 000 t Beton über den Kanal geschippert. Es ist immer wieder verstörend zu erleben, wozu Menschen in der Lage sind, wenn es darum geht für Gott, Ehre und Vaterland zu wirken. Nach den historischen Highlights scheitert man dann schon mal aus Kostengründen am Bau eines Kindergartens.

Weiter geht es nach Osten, durch Courseulles-sur-Mer und vorbei am Juno Beach, wo einst die Kanadier ihre Stiefelabdrücke in den feinen, weißen Strand setzen durften und weiter über St-Aubin-sur-Mer nach Luc-sur-Mer am Sword Beach, wo die Briten wieder das Sagen hatten. Um 17 Uhr gehen wir auf dem Campingplatz La Capricieuse in Luc-sur-Mer vor Anker (N 49°19'5" W 0°21'30"). Wir haben Platz, um uns herum fast alles leer und alles in schönster Ordnung. Nach diesem Katastrophen-Tourismus-Tag greifen wir

Entspannen am Strand von Luc-sur-MerEntspannen am Strand von Luc-sur-Mer

uns augenblicklich unsere Damen, denen auch schon Mordlust und Kriegsflackern in den Augen funkelt und führen sie an den Strand, nur ein paar Meter an einer Kuhweide vorbei, über die Hafenstraße und schon sind wir am Strand, feiner weißer Sand bei weiß-blauem Himmel, regem Wind und spaziergängerfreundlicher Ebbe. Hier zu schlendern, Bälle und Frisbees zu jagen, Muscheln knacken und Krabben ärgern tut uns allen gut.

Mit dem Sword Beach haben wir den östlichsten Abschnitt der Invasionsküste erreicht und das Waffengeklirr hinter uns. Wir fühlen uns leicht und locker und machen abends einen Besuch im Restaurant „L’Escape“, direkt an der Promenade. Drei Gänge dürfen es auch heute wieder sein, nur dass sich zu den Meeresfrüchten heute auch mal eine Ente gesellt. A la bonheur, das kann man empfehlen. Als wir zu unserem Womo bummeln, hat sich das Meer wieder bis an die Promenade herangemacht und unseren schmeichelnden Sand für die nächsten Stunden verschlungen. Na gut, heute haben wir nichts mehr vor. Wir gehen schlafen, wie auch der Wind schlafen gegangen ist.

 

Montag, 4.Juni 2012

Was nachts vielversprechend endete, beginnt morgens schäbig: Wind, dass es pfeift, finstere Wolken allüberall und pieseligstes Nieselwetter. Das bedeutet wieder ein Frühstück im Womo, wozu wir die drei Damen auslagern; sie kommen an die Erdanker vor das Mobil, sollen auch mal ihrer

Fianna auf der Campingplatz-FährteWer rastet, der rostet

Bestimmung nachkommen und uns und unser Frühstück bewachen. Ehrlich gesagt liegt der eigentliche Grund ihres Ausschlusses in einer Phobie, die wir uns bei einer unserer ersten Wochenend-Tests mit dem Womo holten, als wir beim Frühstück saßen und jemand an die Tür klopfte, was eine geradezu explosionsartige Auferstehung von Fianna zur Folge hatte. Was daran schlimm sein soll? Dass Fianna unter dem Frühstücktisch lag, ihn aus der Halteschiene riss und folgedessen uns nicht nur ein fröhlicher Hund, sondern das komplette Frühstück, inklusive Teekanne, -Tassen und Marmelade um die Ohren flog. So etwas braucht man nicht zweimal und man übt sich in Vorsicht, selbst wenn der Hund zwischenzeitlich etwas älter und Womo-erprobter geworden ist. Aber lethargisch ist sie noch lange nicht. Deswegen der Ausschluss. Nach einem also störungsfreien Frühstück ist Körper- und Womopflege angesagt und Fianna darf in den Stellplätzen ein paar Fährten suchen; wer rastet, der rostet. Wer sich so naseweis gibt, darf auch mal zeigen, was er wirklich drauf hat.

Wir entsorgen Toilette und Abwasser und füllen Wasser nach, was aber zu einer kleinen Komödie gerät. Dazu muss gesagt werden, dass der Chauffeur schon gleich am ersten Tag, am Indigo Camping, die Gardena-Düse des Wasserschlauchs im Tankstutzen versenkt und diese sich wegen des Wasserdrucks sehr ordentlich fest gefressen hat. In solchen Momenten fragt man sich, wozu man eine solche Düse überhaupt aufgesetzt hat, wo doch auch ein unbedüster Schlauch beste Dienste leistet. Und wenn die Düse dann auch noch locker ist, passiert das Malheur, das bisher jedoch kein großes Hindernis darstellte. Heute aber verweigert der Tankstutzen die Wasseraufnahme und spuckt alles wieder aus. Offensichtlich hat sich die Düse jetzt so eingegraben, dass nichts mehr durchgeht. Es ist wie mit dem berühmten Eisberg, bei dem 90 Prozent des Volumens unter Wasser liegen. Für uns heißt das, neun Liter laufen raus und einer rein. Oder Rechenaufgabe für die vierte Jahrgangsstufe: Wie lange braucht ein Wohnmobilist, um einen 120-l-Tank mit einem Fingerhut zu füllen? Wer es ausrechnen möchte, darf uns gerne das Ergebnis mitteilen. Wir brechen ab und beschließen, mit dem verfügbaren Wasser auszukommen und den Stopfen bei nächster Gelegenheit zu beseitigen.

Um 12 Uhr zahlen wir 27 € und brechen ins wenige Kilometer entfernt liegende Westerham auf, dem französischen Westerham natürlich, nicht dem hier im Mangfalltal, aber das französische Ouistreham wird fast wie Westerham gesprochen, also darf man es als linguistische Partnerstadt von Westerham verkaufen. Das Wetter ist schmuddelig, die Parklage in Westerham und am Hafen unübersichtlich, deswegen verlassen wir den Ort mit auf dem Gas stehenden Fußes wieder. Nichts wie weg, die Küste entlang nach Nordosten.

Die raue See von HoulgateDie raue See von Houlgate

Um kurz vor zwei Uhr stehen wir am Bilderbuchstrand von Houlgate, aber hier stürmt die See, es regnet aus Eimern, der Wind bläst uns die Backen aus dem Gesicht – keine gute Idee mit den Mädels hier und heute Frisbees und Krabben zu jagen. Weiter.

Nächster Stopp ist Villers-sur-Mer. Wir sind hier unübersehbar an der normannischen Badeküste angekommen: gepflegte Villen direkt am Strand wo man hinsieht. Hier haben sich die betuchten Pariser eingenistet, und Paris ist ja kaum 200 Kilometer entfernt, ein Katzensprung für die, die hier ein Nest besitzen. Wir stellen unser Womo ab, lassen auch diesmal unsere Mädels zurück, weil hier endlich dem Anspruch genüge getan ist und Hunde am Strand verboten sind. Wir stapfen dennoch gegen den Wind den Strand entlang, ein Ziel im Visier, eine Landmarke im Blick. Und dann sehen wir einen unscheinbaren Eisenpfahl im

Der Nullmeridian in Villers-sur-Mer Nullnummer

Strand stecken, die obere Hälfte rot angepinselt und so einsam und belanglos wie irgendein Eisenpfosten auf der Welt: Ein Pföstlein steckt im Sande, ganz still und stumm. / Es hat vor lauter Purpur ein Reiflein um. / Sag, wer mag das Pföstlein sein, / das da steht im Sand allein, / mit dem purpurroten Reifelein: der Nullmeridian ist es! Kein Wörtchen, nicht mal eine Null haben sie ihm gegönnt, einfach so haben sie ihn hingestellt und kein Schwein weiß, woran er gerade seinen Hund anbindet (natürlich nur, wenn er gegen die Hundeverbots-Vorschrift verstößt). Wie viel sind hier im Badetrubel schon dagegen gelaufen, haben sich Hüften und Wichtigeres geprellt und keiner hat gewusst, dass er sich gerade an Greenwich gerieben hat. So steht man denn exakt um 14:22 Uhr mit einem Bein im Orient und einem im Okzident und ist froh, dass es Scheißwetter hat und man alleine ist, um den Moment zu würdigen.

Nun also wieder in der östlichen Hemisphäre. Die vor uns liegenden Badeorte werden immer mondäner, weil der Sand feiner und weißer wird und spätestens bei Trouville-sur-Mer darf der Hund noch nicht einmal mehr ans Ortsschild pinkeln. Hier den besten Pariser Kreisen und 1a-Promis zu begegnen ist in der Saison und an schönen Tagen keine Kunst. Heute würden wir hier vermutlich niemand vor die Kamera bekommen, noch nicht einmal den formatfüllenden Gérard Depardieu. Heute ist Schmuddeltag für Schmuddelkinder - wir fahren trotzdem einfach weiter, weg von der Küste, pfeilgerade nach Osten, nach Pont-Audemer und machen um 15:45 Uhr am Campingplatz Risle-Seine les Etangs fest (N 49°22‘ 0,7“ E 0° 29‘ 15“). Wie der Name dem Kenner schon zuraunt, befinden wir uns hier am Fluss Risle, der in die Seine mündet und außerdem müsste es hier noch ein paar Weiher oder Seen geben. Es nieselt immer noch an der Risle, aber jetzt haben die drei Geduldsengel mit vier Beinen trotzdem eine Promenade verdient. Erst noch das Womo einrichten, nicht zu weit in die Box fahren, hat der Platzbesitzer gesagt, weil es bei diesem Wetter mit jedem Meter ungründiger wird, Wetterklamotten an und los geht es.

Anouk, Franzi und Fianna bei den Seen von Risle-Seine les Etangs   An den Seen von Pont-Audemer

Das hier sind nicht ein paar Weiher, das ist eine bezaubernde Seenlandschaft, die auf mehreren Wegen durchstreift werden kann, verwunschene Wege und eine Million Plätze, wo die Hunde ins Wasser können. Ein Platz wie vom Wunschzettel des Hundebesitzers. Wir gehen einmal um den größten und uns am nächsten liegenden See herum und kommen alle trieftropfnass nach Hause (dass man schon "nach Hause" sagt…?).

Da es jetzt fast völlig zu regnen aufgehört hat, machen wir uns an die Reparatur des Wasserstutzens. Von außen ist die Düse im Schlauch nicht zu sehen, also muss er um die Biegung herum festsitzen. Wie kommt man dran? Bett abbauen, unter dem der Tank liegt! Bettzeug und Matratze weg, Lattenrost anheben, so liegt der Wassertank frei vor dem Operateur wie das Herz in der geöffneten Brust. Die Reiseleiterin sagt, egal, ob wir die Düse rausbringen, entscheidend wird sein, ob wir den Rost wieder runter kriegen. Der stützt sich nämlich auf zwei Hydraulikdämpfer und ragt im stolzen 45°-Winkel über dem Bettkasten auf, lässt sich aber durch keine Maßnahme wieder in seine Ausgangsposition zurück bewegen. Egal, der Reihe nach, wenn nötig hängen wir eben einen Biwaksack an den Rost und schlafen hängend. Sie lacht nicht. Also weiter. Der Chauffeur schraubt den Tankverschluss auf, hängt sich Hals über Kopf in den Laderaum des Womos, mit einem Arm im Tank (ist übrigens noch genug Wasser für mehrere Tage drin) und erspürt tatsächlich die Spitze der Düse. Die aus dem Schlauchstutzen in den Tank ragt. Aber sie sitzt fest wie ein Korken. Was nun? Wir müssen das Ding lockern und rückwärts durch den Einfüllschlauch schieben. Idee! Unser Wasserschlauch wird hervorgeholt, abgerollt und jetzt von alters- und formbedingt etwas geschmeidigeren Reiseleiterin in den Tank und zur Düse geführt - und jetzt heißt es drücken, damit sich diese löst. Sie bewegt sich, tönt es dumpf aus dem Laderaum, der familienintern nur Schleuserfach genannt wird (Platz für mindestens 16 ausgehungerte Tamilen). Und jetzt kommt er auch schon, angetrieben von einem unnachgiebigen Schlauchmotor wandert er nolens volens an das äußere Ende des Einfüllstutzens und zeigt bereits sein blaues Hinterteil. Der Chauffeur sieht ihn entzückt daher gleiten, aber jetzt muss die Tülle auch noch raus. Mit unbewaffneter Hand geht da nichts, wie soll man das Ende fassen? Eine kleine Zange, gerade erst fürs Womo erstanden, bekommt so ihren ersten Einsatz, sie zwickt sich an der Düse fest, lässt sie nimmer aus – und da ist sie, entbunden wie ein Baby und ebenso rot und blau. Womit man alles rechnen muss als Womo-Greenhorn! Aber gelernt ist gelernt: unser Wasserschlauch trägt keine Gardenadüse mehr – und auch keine andere. Wozu auch. Nach dieser gelungenen Operation am offenen Wassertank bleibt nur noch die Frage: Bett oder Biwak. Die Reiseleiterin löst das auf ihre sehr eigene Art – mit Gewalt. Sie schmeißt ihr Gewicht auf den Rost und in die Waagschale und schon stöhnt die Hydraulik und gibt nach. Bett, nicht Biwak! Als Segler weiß man, dass ein gelungenes Manöver einen Manöverschluck verdient. Den gönnen wir uns, nachdem in der Hütte wieder klar Schiff gemacht ist: Campari-Orange mit einem Schuss bräsiger Zufriedenheit.

War doch ein toller Tag heute: Nullmeridian gefunden, Null Bock auf Promis gehabt und nun noch in Nullkommanichts den Tank frei gemacht. Da brauch man kein Programm mehr, der Programmgenerator wird abgeschaltet. Und der Herd wird angeschaltet, um nochmal Crevetten zu braten. Dazu gibt es ganz frische Austern, Speck, Salami aus Isigny und Melone. Und dann wird noch die Heizung angeschaltet, weil es draußen frische 13° C hat. Lesen, träumen, Vorhang.

 

Dienstag, 5. Juni 2012

Noch einmal dürfen die Mädels einen Seespaziergang machen und scheinen damit sehr zufrieden zu sein. Der Himmel hat sich wieder grau angezogen, was bei 11° C nicht verwundert. Würden wir auch tun. Tun wir auch. Um 11 Uhr brechen wir in Richtung Le Havre auf, nicht ohne darauf hin zu weisen, dass wir auch gegen diesen Campingplatz gar nichts einzuwenden haben, im Gegenteil, wegen der Landschaft drumherum ist er ein echtes Bonbonstück, nicht nur für Hundeurlauber, auch für Segler, denn eine kleine Segelschule gibt es dort auch, wo man sich ein bisschen zu Wasser lassen und die Seele baumeln lassen kann.

Pont de NormandiePont de Normandie

Um 11:30 Uhr fahren wir auf die Pont de Normandie, die gewaltige Brücke über die Seine-Mündung mit ihrer eleganten Architektur. Sechs Euro Maut werden da fällig, aber die ist jeden Cent wert. Etwas verstockt zeigt sich dagegen unser TomTom, der uns zwar gelegentlich mit unserem Gefährt über die abseitigsten Winkelsträßchen schickt, nur um ein paar Meter abzuschneiden (TomTom-Fahrer kennen das vermutlich, mit dem Womo kann es aber eklig werden), der aber die Pont de Normandie nicht kennt. 'Keine Route gefunden' teilt er uns mit. Dabei ist er erst ein Jahr alt und die Brücke schon fast 20 Jahre! Da man aber die Brücke nicht übersehen kann und wir auch ohne den Tom durch die Welt kommen, lassen wir ihn nörgeln und fahren drüber. Mit 856 Metern spannt sie sich über die Seine und verbindet dabei Le Havre und Honfleur. Für Liebhaber: Durch die große Stützweite und die Höhe der Pylonen von 203 Metern, macht sich schon die Erdkrümmung bemerkbar; die Spitzen der Pylonen stehen 2 Zentimeter weiter auseinender als die Basis (hat der Chronist auch nicht gewusst, sondern nachgelesen, also kein Grund zur intellektuellen Demut). Wir stellen unser Womo zwischen dieser Brücke und der folgenden, in kühnem Schwung über den Grand Canal tragenden Brücke ab und besteigen den Aussichtsteg: Wer hätte beim Liebesgeflüster an der betulichen Seine in Paris gedacht, in welch einer gigantischen Öffnung seine Schwüre münden würden? Fast möchte man kalauern: jedem die Seine, aber ach… Hier ist vom Fluss der Liebenden nichts mehr zu spüren, hier geht’s hoch her und protzig und geschäftig. Hier ist big das Stichwort, nicht small und auch nicht beautiful, bestenfalls beeindruckend. Aber dazu tut man ja auch eine Reise, um sich beeindrucken zu lassen.

Auf den Klippen von Octeville-sur-MerAuf den Klippen von Octeville-sur-Mer

Wir lassen Le Havre liegen, was sollen wir auch mit drei Hunden einen „Stadtbummel“ in Le Havre machen? Je nachdem, welche Reisebegleitung man sich aussucht, gibt es eben auf einer solchen Reise Dinge, die es nicht gibt. Und es gibt Schlimmeres als Le Havre nicht gesehen zu haben. Wir wenden uns wieder nach Westen und in Richtung Sainte-Adresse und weiter nördlich nach Octeville-sur-Mer und biegen um die Mittagszeit in eine schmale Straße durch den Ortsteil Le Croquet ab, um an die Küste zu kommen, die jetzt, nach all den immer schöner und feiner werdenden Sandstränden endgültig eine Steilküste ist. Auf dieser Straße sollte uns jetzt wirklich niemand begegnen, an uns passt kaum noch ein Fahrrad vorbei. Aber diejenigen, die ihre Häuser hierher gebaut haben, haben sich vermutlich etwas dabei gedacht und absichtlich keine Touristenautobahn asphaltiert; hier wohnen nicht die Ärmsten, so viel kann man sagen. Diese Küste kleckert nicht, sie klotzt und steht wie eine Wand in der Landschaft. Vor allem wegen unserer kreuzlahmen Franzi steigen wir den steilen Pfad nicht hinunter, aber auch der hippeligen Fianna wäre es durchaus zuzutrauen, einen Freiflug zu buchen. Nein, sonst ist es uns doch auch immer wichtig, die Dinge von oben zu betrachten. Hier haben wir die Gelegenheit dazu.

Die Klippen von St-Jouin-BrunevalDie Klippen von St-Jouin-Bruneval

Das Ölterminal von St-Jouin-BrunvalDas Ölterminal von St-Jouin-Brunval

Es ist trüb bei 18° C und auch ein wenig dampfig. Wir zwängen uns wieder durch den Zufahrtsschlauch von Le Croquet und biegen wieder auf die D940 Richtung Norden und Etretat ab. Nach wenigen Kilometer verlassen wir jedoch die Küstenstraße noch einmal, um auf der D111 nach St-Jouin-Bruneval zu gelangen. Der kleine Ort gehört zum Cap d’Antifer mit seinem riesigen Ölterminal. An diesem Terminal können Tanker mit bis zu 600 000 t anlegen. Diese Anlage ist ein in die Natur gestanztes Zeugnis menschlicher Hybris, Ignoranz und Indolenz. Kennt jemand den Film „Local Hero“? Wer ihn nicht kennt, sollte ihn sich schnell ansehen (auch wegen der zauberhaften Musik von Mark Knopfler). Der Film handelt davon, wie zwei Karrieristen im Auftrag einer Ölfirma im Nirgendwo des hohen Nordens Schottlands die Voraussetzungen für die Errichtung eines riesigen Ölterminals schaffen sollen. Wie es ausgeht, soll jeder selbst sehen, aber an diesen Film werden wir hier erinnert. Wenn man das hier sieht, ist es für diese Menschen, so viel darf verraten werden, schlechter ausgegangen als für jene im Film. Wer den Aussichtspunkt ansteuern will (N 49° 38‘ 47“ E 0° 09‘ 27“) findet hier auch ein Restaurant, das allerdings erst abends geöffnet ist, aber für einen stimmungsvollen Sonnenuntergang – mit den Öltanks im Rücken! – mag es sich lohnen.

Über eine kneifenge Straße schlängeln wir uns Windung um Windung hinunter nach Le Tilleul, singen dabei leise „The long and winding road“ und können an den roten Schildern an den Bäumen entlang dieser Straße ermessen, dass nicht nur uns dieser Ölhafen missfällt, sondern auch den Anliegern: NON aux terminals méthanizes und NON aux gasoduc haben sie angeheftet. Der Irrsinn soll also offensichtlich noch weitergehen, kein Ende in Sicht sein, denn dass diese Schilder seit den frühen 1970er-Jahren, als die Anlage gebaut wurde, hier hängen sollen, ist nicht anzunehmen. Dazu sehen sie noch viel zu druckfrisch aus.

Diese Straße ist ein kleines Kabinettstückchen für Womo-Fahrer, eng wie ein Glaceehandschuh legt sich ihr Baumbestand an unsere Seitenwände – ein Traum, diese long and winding road. Ob Paul McCartney etwa hier vorbei gekommen ist? Weiter in Richtung Etretat und dann gen Fécamp. Etretat lassen wir liegen, da macht uns nichts an, aber die Landschaft dahinter, eine Fahrt wie durch den Spessart, und das teilweise wenige hundert Meter hinter der Steilküste. Herrliche alte Fachwerkhäuser stehen hier, Villen im traditionellen Stil, gepflegte Anwesen ohne protzig zu sein, wir kommen aus dem Schauen nicht heraus. Diese Strecke ist ein langer Kuss für die Seele. Was uns schon die ganze Reise über aufgefallen ist, findet hier seinen Höhepunkt: die Häuser und Ortschaften in der Normandie sind überwiegend sehr gepflegt. Auch wenn sie keinen Reichtum beherbergen, zeigen sie nach außen ihren Stolz und ihre Würde, was man nicht für alle Gegenden Frankreichs so schreiben kann.

Blick vom Wohnmobil auf YportZimmer mit Aussicht auf Yport

Um 14:15 Uhr rollen wir auf den Campingplatz Le Rivage in Yport (N 49°44‘10,5“ E 0°18‘27,2“). Wie überall in Frankreich ist über die Mittagszeit die Rezeption zu. Wir stellen uns also auf einen freien Platz und warten, bis wir uns anmelden können. Auf einem terrassierten Hang über dem Fischerörtchen Yport liegt dieser Platz mit einem atemberaubenden Blick übers Meer. Wir machen uns einen Kaffee und anschließend ein Nickerchen, bis wir um halb vier unseren Standplatz Nummer 4 aussuchen, ganz oben, da wo der Wind am windigsten und der Blick am endlosesten ist. Nur dass es eben mit dem Blick so eine Sache ist bei Nieselwetter. Aber 16° C versöhnen wenigstens ein bisschen.

Der Bairische Blues vor den Klippen von Yport Die Klippen von Yport

Zum Strand hinunter kommt man nur über eine kleine Stichstraße und eine Flucht mehrerer steiler Treppen. Da hinunter müssen wir – und auch unsere lahme Franzi. Und sie kommt hinab, sie will mit uns dort hinunter, sie lässt sich nicht hängen und wir sie auch nicht. Der Strand am Fuße dieser steilen Hänge ist purer Kiesel und Geröll, also kein uneingeschränktes Vergnügen, aber diese Luft, die keifenden Möwen und die bizarren aus der Wand gebrochenen Felsbrocken machen diesen Spaziergang trotzdem zu einem Erlebnis. Und dann müssen wir wieder hoch, es dampft in diesem Kessel, wir dampfen mit und auch Franzi beißt sich ungebrochen und mit eisernem Willen Schritt für Schritt hinauf zum Campingplatz. Für diese Bravurleistung drücken wir sie ganz fest ans Herz. Und sie scheint auch ein wenig stolz auf sich zu sein. Jetzt müssen wir aber doch ein klein wenig heulen, weil jedes Ende absehbar ist. Nicht nur das dieser Reise.

Abends steigen wir zu zweit noch einmal hinab, um uns ein Abschiedsmenü aus dem Meer zu gönnen. Gleich an der Promenade lädt uns das Restaurant „Les Embruns“ ein, aber bevor wir uns entschließen, dort Essen zu fassen, machen wir einen kleinen Rundgang durch das Örtchen und sehen mal nach, ob ein anderes Restaurant uns noch mehr anlächelt. Der Flecken ist erst Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden und nie etwas anderes als ein Fischerdorf gewesen. Und bis heute ist es vom großen Touristenauftrieb verschont geblieben. Gewiss lebt man nicht mehr ausschließlich vom Fischfang, sondern vom Tourismus, aber das alles scheint sehr überschaubar zu sein. Der Strand ist halt doch zu kiesig und

WabenarchitekturSchlichte quadratische Waben ...

Wabenmusterund frei gestaltete Waben

schmeichelt den verweichlichten Großstadtfüßen allzu wenig. Uns soll es recht sein. Hier sehen wir zum ersten Mal eine Art Mosaikarchitektur, die sich hier zu Hause zu sein scheint und, wie wir morgen sehen werden, noch weit in die Picardie hinüber reicht. Die Hauswände bestehen dabei aus quadratischen Betonwaben, die mit allerlei lokalen Steinen gefüllt und dann verfugt sind. Diese quadratischen Muster scheinen die Sparvariante zu sein, denn es gibt auch Wabenmuster, die unregelmäßig, ja sogar frei sind und der Fassade eine besonders lebendige Optik verleihen. Fast alle Häuser, auch die Kirche, sind hier so gebaut. Weil wir diesen Baustil hier zum ersten Mal sehen, können wir uns über diese schrullige, aber heimelige Art Häuser zu bauen nicht satt sehen.

Satt ist dann das Stichwort; wir haben nichts gefunden, was uns bewogen hätte, unser Vertrauen vom „Les Embruns“ abzuziehen. Und so machen wir es uns dort bequem zu unserem letzten maritimen Mahl. Meeresfrüchteteller, Muscheln mit Fritten bzw. Kabeljau auf Linsengemüse, Käseteller, Dessert. Mal sehen, ob wir unsere Bäuche die Stufen hoch bekommen. Viel unangenehmer als die kulinarische Gravitation ist der heftige Regen, der vom Himmel fällt. Frage: trinken wir noch ein bis fünf Flaschen und warten ab, ob es aufhört oder stürzen wir uns in die Fluten? Plötzlich erinnert man sich, zuhause einen nagelneuen Schirm eingepackt zu haben. Aber – wo wär der gewesen, wenn wir ihn gesucht hätten? Und wer geht mit einem Schirm zum Essen? Also bitte! Ältliche Pauschaltouristen vielleicht, aber keine sturmerprobten Seefahrer und Wohnmobilisten. Wir zahlen und stürzen uns hinaus in den Wasserfall, trotzen den Fluten triefend bergan und können nur unvollständig lachen, als es nur noch tröpfelt als wir oben ankommen. Worüber soll man sich beklagen, etwa dass man nun die Hunde trocken zum Wasserlassen ausführen kann? Das wäre Snobismus. Aber nachts regnet es doch weiter. Die Gerechtigkeit siegt immer. Oder etwa nicht?

 

Mittwoch, 6. Juni 2012

Es ist wechselhaft, windig, hat aber um die 20°. Wir lassen uns Zeit, wollen nicht so recht los. Nichts zieht uns weg. Nochmal ein Blick hinunter in dieses Örtchen mit seinem hübsch morbiden Charme, aber dann pfeift der Spieß zum Aufbruch. 11:35 Uhr ist es, als unsere eigentliche Urlaubsreise endet. Was uns noch erwartet, sind zwei sehr erfreuliche Postskripte, die für sich alleine nur Freude machen würden, so aber eben nur dafür sorgen, dass eine schöne Reise nicht, bildlich gesprochen, mit einem Sturz von der Klippe endet. Wir machen uns auf den Weg nach Amiens, um eine sehr liebenswerte Kollegin der Reiseleiterin zu besuchen.

Die Abtei von JumiègesDie Abtei von Jumièges

Auf dem Weg dorthin gönnen wir uns einen Stopp in Jumièges. Jumièges liegt am rechten Seineufer zwischen Le Havre und Rouen und besitzt die Ruine einer aus der Mitte des 7. Jahrhunderts gegründeten Abtei. Mächtig und noch immer trutzig ragen die erstaunlich gut erhaltenen Mauern der Klosterkirche auf; 88 Meter maß sie eins in der Länge und 25 Meter schwang sie sich in die Höhe. Noch immer zwingt einen dieser Anblick zur Demut. Dabei strahlt das ganze Gelände eine heitere Gelassenheit aus, überall Stühle unter den Bäumen zum Verweilen, eine gepflegte Parkanlage zum Schlendern, Tauben, die gurrend in den Mauerresten brüten und dem steinernen Monument aus früher Zeit Leben einhauchen. Denkmäler und Ruinen beeindrucken uns nicht leicht, allzu oft wird ein paar schäbigen Steinbrocken eine Bedeutung und Erhabenheit eingeblasen, die sie selbst nicht vermitteln können. Doch diese Abtei wirkt durch die Jahrhunderte, weil sie ihnen erfolgreicher trotzte als viele andere Sehenswürdigkeiten. Diese Abtei ist wirklich würdig, gesehen zu werden. Im Andenkenladen erstehen wir noch ein Kochbuch mit ausschließlich Cidre-Rezepten, darauf besteht der Kulinarier. Und zu unserem großen Glück finden wir in einem kleinen Spezialitätengeschäft unser geliebtes Cidre-Gelee; an einem der ersten Tage haben wir es in irgendeinem Supermarkt gekauft und uns nichts dabei gedacht, bis wir davon nicht mehr lassen konnten. Seither waren wir auf der Suche danach - nichts. Und jetzt, hier, auf den letzten Drücker klappt es doch noch. Wenn das kein gutes Omen für eine innige Verbindung zur Normandie ist.

Um 16:30 Uhr fahren wir unser Womo in die Remise von Marie-Ange in Mirvaux, nördlich von Amiens. Wir erleben einen herrlich gelösten Abend mit Marie-Ange und ihren Söhnen, lassen uns köstlich bekochen und verwöhnen und sind, als wir uns in unser „Klappbett“ legen so zufrieden, dass wir kaum merken, dass uns in dieser Nacht Frankreich wirklich und vorerst endgültig abhanden kommen wird. Morgen geht es zurück nach Deutschland. Aber, was heißt das schon? Seit Deutsche und Franzosen sich wieder in die Arme schließen können, gibt es immer wieder Gründe, dies auch zu tun. Wir werden schon einen finden… Für heute sagen wir einfach: Danke, Marie-Ange, es war schön bei dir, wenn auch etwas kurz.

 

Donnerstag, 7. Juni 2012

Um 9 Uhr verlassen wir Marie-Ange und ihre Buben nach einem gemeinsamen Frühstück. Unser Ziel ist die Mosel, genauer gesagt: Mühlheim an der Mosel. Deswegen geht die Reise über Belgien, und es ist wie verhext, kaum hat man Frankreich verlassen, hat man das dringende Bedürfnis umzukehren, auch weil man augenblicklich von einer Baustelle in die nächste stolpert. Das ist in Belgien nicht anders als in Deutschland. Wir fragen uns: wie machen die Franzosen das nur, dass wir auf unserer ganzen Reise kaum eine Baustelle gesehen haben? Die nämliche Erfahrung machten wir schon vor zwei Jahren bei unserem Bretagne-Urlaub. Dabei sind die französischen Straßen und Autobahnen keineswegs hinfälliger als die unseren, eher das Gegenteil. Also, Aufklärung, bitte. Verwenden sie ihre Eurosubventionen etwa sinnvoller als in die Kosmetik kaum bedürftiger Betonpisten? Wir wissen es nicht, haben aber einen Grund mehr, so bald wie möglich wieder hinüber zu fahren und entspannt dahin zu rollen. Hier in Belgien ist die gesamte Strecke eine einzige Achterbahn. Man fragt sich, wer das eigentlich alles anordnet? Eine Regierung haben die doch schon längst nicht mehr. Man bekommt so eine Ahnung davon, wie sich Systeme selbst genug sind, selbst verwalten und tragen und Regierungen eigentlich nicht viel mehr als Tand und Popanz sind. Wie dem auch sei, ganz hinten in der Eifel, dort wo eine Autobahn auch deswegen so blitzsauber und nagelneu sein kann, weil auf ihr nichts fährt, betreten wir wieder deutschen Boden.

Flori "Nero" vom Bairischen BluesFlori "Nero" vom Bairischen Blues

Flori "Nero" vom Bairischen BluesFlori "Nero" vom Bairischen Blues

Kurz nach zwei Uhr sind wir in Mühlheim/Mosel und besuchen Nero, den Flori aus Franzis F-Wurf. Auch hier erleben wir einen wunderschönen Nachmittag und Abend, lassen uns vom Fachmann meisterlich bekochen, räubern im Weinkeller und sind, trotz unseres Heimwehs nach Frankreich, rundum glücklich und zufrieden. Neros Leute sind das Beste für ihn, er ist ein toller und putzmunterer Bursche, mit Duke, einem zehn Jahre alten Hovi-Rüden als stabilen Freund und Partner an der Seite. Kein Zweifel, Nero hat ein Hauptlos gezogen und uns fällt ein Stein vom Herzen, dass unser Blindverkauf, ohne vorheriges Kennenlernen wegen der Entfernung und der beruflichen Umstände, ein solcher Volltreffer ist. Aber nicht nur Nero hat es bestens getroffen: wer sich im Landhaus Schiffmann ein paar Tage Wellness, Fasten, Diät oder einfach nur Nichtstun gönnen möchte, sollte nicht zögern. Was wir dort gesehen haben, ist jede Empfehlung wert. Bei den Schiffmanns ist nicht nur der Hund, sondern auch der Kunde wirklich König.

DenTeilnehmern am Welpentreffen des F-Wurfs in Grendach am 17. Mai lässt Jens, Neros liebevoller Pflegeonkel, mitteilen, dass ihm sein Schweigen zBuddha in Neros Gartenu dem Treffen sehr leid tut. Dass er für diesen einen Tag nicht von der Mosel in den Chiemgau fahren und sein Hotel im Stich lassen könnte, war sowieso jedem klar, nicht klar ist aber, warum er nicht, wie es sonst seine Art ist, wenigstens ein Grußwort in die Berge geschickt hatte. Jens hatte einen schweren Autounfall und lag zu dieser Zeit im Krankenhaus und kämpfte, wie er selber sagte, mit existentielleren Dingen als mit einem Grußwort an seine Wahlverwandtschaft. Weil wir erlebt haben, mit welchen Komplikationen er als Folge des Unfalls noch immer zu kämpfen hat, erlauben wir uns, ihm an dieser Stelle im Namen aller aus dem F-Wurf eine schnelle und vollständige Genesung zu wünschen. Möge dir diese Übung gelingen. Die Chancen stehen gut, auch weil du eine starke und fürsorgliche Frau an deiner Seite hast und den Buddha, der dir zweierlei zu bedenken mitgibt: Tue, was du willst, aber nicht, weil du musst und Es gibt nur eine Zeit, in der es wesentlich ist aufzuwachen. Diese Zeit ist jetzt. Wir schauen wieder vorbei!

 

Freitag, 8. Juni 2012

Nach einem Frühstück im Landhaus Schiffmann ist der Urlaub endgültig vorbei. Der Chauffeur setzt die Reiseleiterin gegen 13 Uhr in Frankfurt-Eschborn ab, damit die ihren Pflichten bei der RZV-Delegiertenversammlung nachkommen kann und fährt dann mit seinen drei Begleiterinnen nach Hause. Ob er das ohne Reiseleitung schafft? Ab Nürnberg fällt der Himmel als Wasser aus allen Wolken. Dass auch er so heulen muss, nur weil wir nicht mehr in Frankreich sein dürfen... Und was nun? Dieser Reisebericht belegt jedenfalls, dass der Chauffeur auch ohne Reiseleitung nach Hause gefunden hat. Der Kilometerzähler meldet: 3339 km.

 

Schlussbemerkungen

Für die Vorbereitung auf diese Reise und weil es die erste Reise im Wohnmobil war, haben wir uns von zwei Büchern beraten lassen:
Auto-& Wohnmobil-Touren Normandie, Verlag Rau Mobil Reisen und
Jürgen Engel, Mit dem Wohnmobil durch die Normandie, WOMO, der Wohnmobil-Verlag.
Dazu haben wir uns den ACSI-Campingführer Europa besorgt.
Fazit: Die Bücher hätten wir uns sparen können, der Campingführer hätte gereicht. Die Gründe sind so schlicht wie einleuchtend. Wer unseren Bericht gelesen hat, dem wird es nicht entgangen sein, dass wir ausschließlich auf Campingplätzen Halt gemacht haben. Eingefleischten Wohnmobilisten ist das eher ein Gräuel, sie stehen lieber auf Stellplätzen, möglichst kostenlos. Deshalb verlieren sich diese Bücher in nicht enden wollenden Tipps für solche Stellplätze. Dabei kommt der eigentliche Grund der Reise, ein Land und seine Leute zu besuchen, ein bisschen zu kurz. Die Reiseinformationen jenseits der verengten Womo-Optik bleiben zu sehr auf der Strecke. Für andere mag diese Sicht auf die Dinge die richtige sein, für uns war sie es nicht. Für uns tut es ein ganz normaler Reiseführer und ein Campingführer. Mit dem ACSI-Führer sind wir gut gefahren. Vor allem, wenn man einen Computer mit auf die Reise nimmt, tut die mitgelieferte DVD beste Dienste und stellt eine Vielzahl wichtiger Daten zur Verfügung. Für uns waren vor allem die Hinweise auf die Akzeptanz von Hunden wichtig. Der ACSI-Führer kennt ein Hundesymbol oder zwei. Eines steht für wirklich nur einen Hund, zwei bedeutet zwei oder mehr. Dies traf in allen Fällen zu. Wir hatten niemals mit den Hunden Probleme, waren überall willkommen und, außer Indigo Camping und Risle-Saine Les Etangs, wo wir praktisch alleine waren, unter vielen Gleichgesinnten: Hunde praktisch auf jedem Stellplatz!

Die Hunde sind auch der zweite Grund, warum uns die Reisebücher nicht weiterhelfen. Hunde haben Bedürfnisse, die anders sind als die von Menschen. Und auf diese Bedürfnisse müssen wir uns einstellen. Als Segler haben wir es genossen, in einer kleinen Marina, nur einen Sprung von der Piazza, vor Anker zu liegen, also mitten im Leben, das um uns herum tobte. Mit drei Hunden macht ein kostenloser Stellplatz mitten in einer Stadt oder am Hafen wenig Sinn, und sei es für den menschlichen Urlauber noch so erstrebenswert.

Mit drei Hunden im Wohnmobil zu reisen ist natürlich auch eine kleine logistische Herausforderung. Aber nach den ersten Wochenend-Tests mit viel Hektik und Akrobatik haben wir uns langsam alle an die veränderten Bedingungen angepasst. So wurde der sensible Tisch immer abgebaut, lag tagsüber im Bett und nachts vor dem Beifahrersitz, wodurch wir an dieser Stelle reichlich Bodenfläche gewonnen haben. Und die Hunde haben sich auch schnell eingerüttelt und die ihnen genehmen Plätze eingenommen, sodass sie uns nicht unentwegt auf den Füßen herum standen und uns zu abenteuerlichen Verrenkungen zwangen. Das ging schnell gut.

Etwas anders ist die Frage der Sauberkeit. Egal, ob die Fellträger auf einem Waldboden parken wie in Indigo oder sich im Wasser wälzen und anschließend im Sand panieren – es ist eine Sauerei. Man kann den Besen gar nicht so oft aus dem Lager holen wie schon wieder die ganze Landschaft en miniature das Womo ziert. Wer damit Probleme hat, soll es lieber lassen oder mit der ganz großen Putzausrüstung starten und jeden Tag genug Zeit dafür einkalkulieren. Wir haben die pragmatische Lösung gewählt und immer Schuhe getragen, damit wir den Sand nicht auch noch mit ins Bett nehmen. Hundehalter sind ja Experten in den kleinen, pragmatischen Lösungen.

Wie sich das Gemeinschaftsleben gestalten würde, wenn wir einen oder gar mehrere Tage bei strömendem Regen in unser Womo eingeschlossen wären, haben wir nicht erproben können und sind dafür sehr dankbar. Bei einer so innigen Belegung besteht schon die Gefahr von Lagerkoller. Vermutlich hilft in einer solchen Situation nur die Flucht ins Trockene. So aber haben unsere Damen die Reise offensichtlich genossen. Den ersten Testausfahrten konnten sie noch wenig abgewinnen, was aber daran lag, dass wir Termine hatten und sie zu wenig zu ihrem Recht kamen und die meiste Zeit eingesperrt waren. Das war diesmal ganz anders. Auch die langen Strecken haben sie ziemlich gelassen weggesteckt. Und für Hunde, die das Wasser mögen ist natürlich ein Urlaub in der Normandie ein Versprechen, dem sie sich nicht verweigern. Unsere beiden reifen Damen stehen auf Wasser und Fianna hat es in der Normandie schätzen gelernt und die anfänglich Scheu überwunden. Jedenfalls hatte sie bald keine Scheu mehr, hundert Meter von uns entfernt im Vollzack durch die Brandung hinter den Möwen her zu jagen. Jetzt bitte keine Zeigefinger wegen des Möwenjagens, ja! Wir hatten nur die Wahl zwischen Pest oder Cholera, also Jagdverbot oder Wassersozialisation. Wir haben die Wassersozialisation vorgezogen.

Wir selbst haben die Reise uneingeschränkt genossen. Wenn es uns an irgendetwas gefehlt haben sollte, dann bestimmt nicht an Schlaf und gutem Essen. Aber dafür macht man Urlaub, vor allem Urlaub in Frankreich. Für uns ist die Normandie immer eine Reise wert und für Hunde, die auf Wasser

Ein Herz für FrankreichEin großes Herz für Frankreich

stehen ist sie ein Paradies. Kaum anzunehmen, dass wir das letzte Mal dort waren. Und das Womofahren macht richtig Laune, nicht nur in Frankreich! Aber gerade auch dort (von den Rastplätzen haben wir schon berichtet!), auch wegen solcher kleinen Annehmlichkeiten, die uns in Deutschland längst abhanden gekommen sind. Wer ist noch nicht in seinem SUV oder VAN oder sonst einem größer geratenen Fahrzeug an einer deutschen Ampel gestanden und hat sich den Hals verrenkt, um die Lichter oberhalb seiner Dachkante sehen zu können. In Frankreich gibt es überall die kleinen Zusatzampeln auf Augenhöhe. Die gab es auch bei uns früher. Lang ist’s her! Vor vielen Jahren sind sie irgendeinem Rotstift zum Opfer gefallen. Dafür freuen sich Orthopäden und Physiotherapeuten über die nackenversteiften und -verrenkten Automobilisten. Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die es so lebenswert machen. Und der Gott der kleinen Dinge lebt offensichtlich in Frankreich. Weil er dort eben auch leben kann wie ein Gott. Und wir? Wir lieben diese kleinen Götter mit all ihren kleinen Dingen und lassen uns von ihnen gerne verwöhnen.

 

Die Reiseroute

Unsere Reiseroute durch die Normandie